Mensch Hartmann, lass´ die Finger vom Äppelwoi …

Der Vorsitzende des Freidenker-Vereins poltert durch die Friedensbewegung wie der Elephant durch den Porzellanladen

- von Stephan Steins  -

E s gibt Texte, auf die ich normalerweise nicht reagiere, weil diese keine Satisfaktionshöhe erreichen. Das jüngste Pamphlet des Offenbachers Klaus Hartmann [1], seines Zeichens Vorsitzender des Freidenker-Vereins, gehört mit Sicherheit dazu. Gleichwohl wird hier nicht nur meine Person, sondern vor allem die Friedensbewegung durch Auslassungen, Entstellungen, Falschinformationen und schlichte Lügen angegriffen.

Deswegen nun einige Worte der Richtigstellung. Zudem sollte sich jeder die Frage stellen, warum Klaus Hartmann eine derartige Eskalation in die Friedensbewegung trägt und warum zu diesem Zeitpunkt?

Der unbeholfene Versuch Hartmanns aus meiner Person gleichsam einen Trotzkisten und Nazi zu konstruieren, erzeugt nicht einmal mehr Abscheu, sondern nur noch Mitleid.

Die Zielgruppe dieser absurden Konstruktion wird aus Hartmanns gewählter Terminologie deutlich; es geht um Friedensaktivisten aus dem Umfeld von DKP und deren Vorfeldorganisation dem Freidenker-Verein. In diesen Kreisen wächst die Ernüchterung über die Aktivitäten des vermeintlichen Friedensaktivisten Reiner Braun, der, nachdem der Fakt öffentlich bekannt geworden war, selbst in einem Interview in der Zeitung Neues Deutschland in 2014 eingeräumt hat, Geld von der USAID (CIA) und NATO-Staaten zu nehmen. [2]

Jenseits dieser Zielgruppe spricht niemand auf die Kombination Trotzkist/Nazi an, dazu muss man schon in einem sehr spezifischen Weltbild verhaftet sein, um diese Denunziation nicht bereits anhand der Wortwahl decodieren zu können. Allein in Hartmanns Sektenszene wird er den ein oder anderen Zeitgenossen mit solch grobem Unfug hinter dem Ofen hervorlocken können, darüber hinaus erntet man mit derlei Polemik nur Kopfschütteln.
Aber das einem gelernten 70er Jahre-Sektierer klarmachen zu wollen, scheint auch noch im Jahre 2017 ein Ding der Unmöglichkeit.

Wer meine Arbeit einigermaßen verfolgt hat, weiss natürlich, dass ich weder Stalinist, Trotzkist, Zionist oder Nazi bin, mich hingegen historisch an den Positionen der KPD Liebknechts, Luxemburgs und Thälmanns orientiere.
Und nach 1945 war es die KPD, die für das nicht souveräne Deutschland einen Friedensvertrag forderte, was neben der Forderung nach Austritt aus der NATO die Hauptgründe für deren Verbot 1956 waren.

Niemand in der Friedensbewegung hat für solche Angriffe Marke Klaus Hartmann Verständnis. Friedensbewegung das bedeutet den gemeinsamen Dienst aller an der historischen Verantwortung, unabhängig von individuellen Weltanschauungen. Weder ist die Friedensbewegung der Ort für Parteipolitik noch für soziokulturelle Grüppchenbildung.

In der Friedensbewegung hat niemand ein Interesse daran, das Programm der DKP (oder deren zweifelhafte Geschichte, man stelle sich nur vor, dies würde zum Kriterium gemacht für die Mitwirkung in der Friedensbewegung, so hätte dies einen Unvereinbarkeitsbeschluss gegen DKP-Mitglieder zur Folge) oder der Freidenker oder sonstiger Parteien und Organisationen ausserhalb von Regierungsverantwortung zu diskutieren. Ganz einfach weil das nicht die Aufgabe der Friedensbewegung ist.
Die Friedensbewegung ist ein breites Bürgerbündnis für reale Friedenspolitik, keine Partei und auch nicht der Wurmfortsatz einer Partei.

Wenn also Klaus Hartmann sich mit den Positionen der Roten Fahne oder ihres Chefredakteurs kritisch auseinandersetzen möchte, so ist das sein gutes Recht, solange er akademische Standards oder zumindest Anstand bewahrt und ein dafür geeignetes Forum wählt.
Aber die Friedensbewegung für solche Tiraden zu missbrauchen, ist ganz und gar unredlich. Und interessiert auch keine Sau.

Daher nur in aller Kürze zum Thema Nürnberg etc. So richtig peinlich wirds´ nämlich u.a., wenn Hartmann formuliert: „Halten wir also fest: Auf die bedingungslose Kapitulation des Deutschen Reichs am 9. Mai 1945 …“

Bezieht der Mann sein Geschichtswissen aus Natopedia?, man fasst es nicht. Deutsches Reich und Deutsche Wehrmacht sind zwei verschiedene Subjekte, materiell als auch völkerrechtlich. Das internationale Völkerrecht sieht die Kapitulation eines originär staatlichen Völkerrechtssubjekts gar nicht vor.

Hingegen bestimmt das internationale Völkerrecht in Artikel 43 der Haager Landkriegsordnung von 1907: „Nachdem die gesetz-mäßige Gewalt tatsächlich in die Hände des Besetzenden übergegangen ist, hat dieser alle von ihm abhängenden Vorkeh-rungen zu treffen, um nach Möglichkeit die öffentliche Ordnung und das öffentliche Leben wiederherzustellen und aufrechtzuerhalten, und zwar, soweit kein zwingendes Hindernis besteht, unter Beachtung der Landesgesetze.“

Friedensbewegung das bedeutet den gemeinsamen Dienst aller an der historischen Verantwortung, unabhängig von individuellen Weltanschauungen. Weder ist die Friedensbewegung der Ort für Parteipolitik noch für soziokulturelle Grüppchenbildung - Stephan Steins

Friedensbewegung das bedeutet den gemeinsamen Dienst aller an der historischen Verantwortung, unabhängig von individuellen Weltanschauungen. Weder ist die
Friedensbewegung der Ort für Parteipolitik noch für soziokulturelle Grüppchenbildung – Stephan Steins

Ferner zitiert Hartmann den russischen Vizepräsidenten der Internationalen Vereinigung der Staatsanwälte (IAP) und Buchautor Alexander Swjaginzew, dessen Aussagen gar nicht mit meiner Kritik im Widerspruch stehen. Dann lässt Hartmann Swjaginzew Generalfeldmarschall Paulus zitieren, offenbar in der Absicht zu suggerieren, ich hätte die Kriegsschuld NS-Deutschlands am Überfall auf die Sowjetunion in Frage gestellt.
Und derart manipulativ geht es in einer Tour weiter.

Schliesslich schreibt Hartmann: „Wer Nürnberg angreift, fällt den Verteidigern des Völkerrechts in den Rücken.“
Dazu sage ich: Au con­t­raire! Die Nürnberger Prozesse haben faktisch die Grundlage für die US-dominierte Nachkriegsordnung gelegt. Nürnberg machte es möglich, dass die NATO heute in Kiew steht.
Seriöse Historiker und Philosophen sind in der Lage, darüber ganz nüchtern auf der Sachebene zu debattieren. Zur Diffamierung taugen historische Forschung und akademischer Diskurs nicht.

Sofern sich also Klaus Hartmann der Historiographie der Nürnberger Prozesse und der Kritik an diesen und meiner Kritik im Besonderen widmen möchte, so möge er dafür bitte ein dezidiertes Format wählen. Wie wäre es bspw. mit einem Forschungsprojekt der Freidenker?
Die von ihm artig aufgesagte Standard-Phraseologie zum Thema ist selbstverständlich jedermann bekannt. Dass Hartmann einzelne Sätze meiner Schriften aus dem Zusammenhang reisst und in neuem Kontext rearrangiert, lässt allerdings nicht wirklich Ernsthaftigkeit erkennen.

Die Forderung „Raus aus der NATO!“ – das haben wir immer wieder betont – war bereits die zentrale Forderung der Friedens-bewegung seit den 1950er Jahren. Seit 2014 wurde dazu konkret eine bundesweite Kampagne der Friedensbewegung aufgebaut, die nicht nur auf esoterischen Papieren, sondern ganz real in der gemeinsamen Aktion auf der Strasse existiert.
Und jeder weiss das, was verspricht sich der hessische Bub´ eigentlich von seiner Polemik?

Eine glatte Lüge sind auch Hartmanns Ausführungen zu Ramstein und man fragt sich, warum er sich überhaupt solche Schnitzer leistet? Es ist doch allgemein bekannt und auch dokumentiert und nachzulesen, dass die FbK bereits im Juni 2015 die erste Ramstein-Demonstration organisiert hatte (an der auch Freidenker teilnahmen) und die Gruppe um Reiner Braun erst Monate später auf diesen Zug aufsprang, dabei die bereits existierende Ramstein-Initiative ausgrenzte und schliesslich behauptete, ihre Ramstein-Demonstration sei die erste gewesen.
Analog verfuhr die Braun-Truppe auch in Bezug auf den 8. Oktober.

Herr Hartmann, wenn Sie den bislang guten Ruf der Freidenker nicht vollends ruinieren wollen, dann lassen Sie doch bitte ihre Finger von der Friedensbewegung. Die Friedensbewegung braucht konstruktive Kooperation und Einheit in der Aktion und auf der Strasse.
Und wenn Sie sich an meiner Person abarbeiten und in meiner Wade festbeissen wollen, in wessen Auftrag auch immer, dann nehmen Sie dafür bitte nicht die Friedensbewegung in Geiselhaft.

Bleibt nur zu hoffen, dass Klaus Hartmann nicht demnächst facebook entdeckt; dort finden wir derlei Kindergarten täglich.

Nachtrag 22.01.2017

Wie wir erst heute erfahren haben, wurde der Artikel von Klaus Hartmann nicht, wie in der Fussnote vermerkt, am 18.01.2017 auf NRhZ erstmals veröffentlicht, sondern auch bereits am 29.12.2016 auf der Webseite von Klaus von Raussendorff “neinzurnato.de”. Das lässt auch diese vermeintliche Friedensinitiative nochmal in einem ganz anderen Licht erscheinen.

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