S eit Jahren haben nahezu alle Medienaktivisten jenseits der Hegemonie der imperialen NATO und des BRD-Mainstreams den Start von RT (Russia Today) in Deutschland (in deutscher Sprache) herbeigesehnt. Als Chefredakteur der traditionsreichsten deutschen Zeitung, die zudem Vorreiterin in den neuen Medien war, erlaube ich mir diese solidarische Kritik, gerichtet an die Verantwortlichen bei Rossija Sewodnja, wissend, dass zahlreiche meiner deutschen Kollegen ähnliche Bauchschmerzen mit RTs Deutschland-Launch plagt.
Seit RT International vor einer Dekade auf Sendung ging und später auch in Deutschland empfangbar wurde (in englischer Sprache), haben wir oppositionelle Medien einerseits auf RT als, von den NATO-Medien unabhängige, Quelle zugegriffen, andererseits so aber auch zur Verbreitung und zum Erfolg von RT beigetragen.
Daher haben sich über die Jahre eine besondere Verbindung und Interesse an der Entwicklung des Moskauer Senders entwickelt – so wie umgekehrt RT in seiner Berichterstattung Nutzen aus unserem politischen Widerstand gezogen hat.
Angesichts dieser spezifischen Vorgeschichte ist es wenig nachvollziehbar, dass RT Deutsch ohne informelle Konsultation der freien Presse gestartet ist. Die Qualität der derzeitigen Präsentation des deutschen Formats des Senders zeugt daher auch von einem gewissen Unverständnis der hiesigen Verhältnisse, sowohl auf (medien-)kultureller, als auch politischer Ebene.
Unsere Kritik beinhaltet sowohl die Konzeption des Projekts, als auch dessen Umsetzung, kurz die Corporate Identity von RT Deutsch.
Keiner der Kollegen mit denen ich bislang das Thema erörterte, konnte eine Begründung ersinnen für den Umstand, dass RT Deutsch nicht der Corporate Identity des Mutterhauses bzw. RT International folgt. Dies insbesondere, weil erst vor 2 Wochen RT UK (Grossbritannien) in London seinen Sendebetrieb aufgenommen hat – und zwar mit den gleichen Formaten, wie wir diese aus RT International und RT America kennen.
Stattdessen weicht RT Deutsch vom bekannten Standard internationaler News-Channel deutlich ab. Dafür mag es konzeptionelle Gründe geben und sofern dem so ist, sollte man diese auch offensiv kommunizieren. Denn so wie sich die Situation bislang darstellt, entsteht der Eindruck, RT Deutsch sei ein Schnellschuss und würde durch die Verantwortlichen in Moskau lediglich auf Sparflamme und reduziert auf das Internet betrieben.
Das wäre allerdings kaum nachvollziehbar angesichts der zentralen Bedeutung Deutschlands und seiner Medienlandschaft für die weitere Entwicklung in Europa. Um es mal salopp zu formulieren, wir können uns hier in Deutschland keinen Reim auf dieses Projekt (in dieser Form) machen.
Es mag auch durchaus nachvollziehbare, uns nicht bekannte Gründe dafür geben, dass man auf die angesprochenen informellen Konsultationen verzichtet hat. Denn richtig ist, dass die Gemengelage innerhalb der politischen Opposition in Deutschland mehr als verworren ist. Das strengt an, ich weiss.
Umso unverständlicher ist es dann allerdings, dass sich im Berliner Team von RT Deutsch mehrere Mitarbeiter mit dezidierter politischer Vorgeschichte oder gar aktiver Partei-Funktion finden, darunter bspw. eine Reporterin die sich in ihren Texten der Diktion der Gender-Religion bedient.
Es wird also auf der einen Seite der politischen Vernetzung eine Absage erteilt, die angestrebte Neutralität jedoch nicht konsequent beherzigt.
Auch ist nichts gegen, auf ein jugendliches Publikum zugeschnittene, Formate einzuwenden – solange diese nicht den eigentlichen Markenkern vollständig ersetzen.
Die Kritik wendet sich keineswegs dagegen, RT Deutsch auch als Experimentierfeld für frische Ideen zu nutzen – welch anderer Platz als Berlin könnte schliesslich dafür geeigneter sein! Jedoch sollten Sparten wie Jugendprogramme als solche erkennbar sein und diese nicht durch Dominanz zur Unkenntlichkeit der Marke führen.
Intention und Entwicklungsperspektive des Projekts sind nicht konturiert. Das aus den anderen Sektionen des Hauses bekannte Corporate Design und die damit korrespondierende Professionalität werden nicht geliefert, gleichwohl durch den Medienkonsumenten erwartet, denn schliesslich operiert RT Deutsch ja nicht im luftleeren Raum, sondern RT International ist nur einen Tastendruck entfernt und dies auch über Kabel.
Die Erwartungshaltung der Zielgruppe (wurde diese überhaupt definiert?) und das gelieferte Produkt klaffen derzeit noch zu weit auseinander. Und auch objektiv betrachtet, entspricht die Umsetzung nicht den medienpolitischen Herausforderungen. Eine klare Linie wird nicht kommuniziert, die Corporate Identity gestaltet sich eher amorph.
Liebe Kolleginnen und Kollegen von Rossija Sewodnja, bitte verstehen Sie meine Kritik als konstruktiven Beitrag im gemeinsamen Ringen, Schwachstellen aufzuzeigen und Anregungen in unser aller Interesse zu vermitteln.