H aben britische Politiker und andere hochgestellte Personen sich in den achtziger Jahren an Kindern vergangen? Und wurde das später vertuscht, wurden Hinweise nicht weiter verfolgt?
Eine unabhängige Kommission soll diese Fragen jetzt untersuchen. An ihrer Spitze steht der Leiter einer grossen Kinderschutzorganisation. Diese Kommission soll die Ergebnisse einer anderen Untersuchung überprüfen, die das Innenministerium letztes Jahr angestellt hatte.
Das Thema kocht unter den Briten seit einiger Zeit hoch – spätestens seit das Fernsehmoderatoren-Denkmal Jimmy Savile von seinem Sockel gestürzt wurde. Savile hatte Kinder und Jugendliche massenweise missbraucht; bekannt wurde das aber erst nach seinem Tod vor drei Jahren. Er nutzte dazu auch seine wohltätige Arbeit in Kinderkrankenhäusern.
Dazu wurde letzte Woche Rolf Harris als Kinderschänder verurteilt, ebenfalls ein berühmter Fernsehmoderator, vor allem von Kindersendungen.
Für die jetzige Untersuchung ist besonders brisant, dass Unterlagen über mögliche Kinderschänder in höchsten Kreisen damals in den Achtzigern einfach beseitigt wurden. Ein konservativer Abgeordneter hatte Informationen gesammelt, mit Vorwürfen und Namen, und sie dem befreundeten Innenminister Leon Brittan ausgehändigt.
Daraufhin passierte – nichts.
Das Ministerium gab jetzt zu, dass mehr als hundert Papiere aus der Akte von damals verschwunden sind.
Die eigene Untersuchung vom letzten Jahr hatte allerdings keine Fehler im Umgang mit den Hinweisen oder mit den Akten entdeckt. Den Informationen sei ordnungsgemäß nachgegangen worden.
Eine zweite Kommission wird es ebenfalls geben: Sie soll untersuchen, wie gut oder schlecht öffentliche Einrichtungen in der Vergangenheit Kinder geschützt haben. Dieser Schwerpunkt hat wiederum unter anderem mit Savile zu tun: So wird sein Arbeitgeber untersucht, die BBC.
Ausserdem geht es um Krankenhäuser wie die, in denen Savile sein Unwesen trieb.
In der Akte aus den achtziger Jahren spielte ausserdem ein Kinderheim eine Rolle. In dessen Nähe sollten sich die in den Papieren genannten Politiker getroffen haben, ihre Vergnügungen mit den Kindern von nebenan konnten ihren Lauf nehmen.
Dass eine Vertuschung solcher Vorwürfe in der damaligen Zeit durchaus denkbar gewesen wäre, weil man in der Politik eben so dachte, ist seit einem Interview vom Sonntag klar.
Dort wurde Norman Tebbit befragt, einer der bekanntesten konservativen Politiker der Zeit. Er gab zu, dass die meisten in so einem Fall wohl zuerst versucht hätten, das Establishment, das System zu schützen.
Auch wenn einmal hier oder da etwas schiefgegangen sein sollte, so habe es doch die Sichtweise gegeben, dass es wichtiger sei, das System zu schützen, als den Vorwürfen allzu tief nachzuforschen.