G regor Gysi und Sahra Wagenknecht versuchen derzeit wieder unter Antifaschisten und Sozialisten zu punkten; ihre Erklärungen zu den Vorgängen in der Ukraine und der Krim sparen nicht mit scharfen Angriffen auf die anderen Bundestagsparteien.
Die Kritik der Pseudolinken ist – so scheint es auf den ersten Blick – aus friedenspolitischer Sicht kraftvoll und konsequent.
Aber Vorsicht: Das Entscheidende ist, was Gysi und Wagenknecht nicht sagen.
Die sozialistische Presse treibt die Pseudolinken vor sich her
Die beiden derzeit populärsten Linkspartei-Ikonen äusserten sich relativ spät. Vergessen wir nicht, dass die pseudolinke sog. Linkspartei sich grundsätzlich zur imperialen Institution EU (Europäische Union) bekennt – das ist ein entscheidender Faktor. Sie will diese Institution, ganz in sozialdemokratischer Manier, lediglich “sozialer” und “demokratischer” gestalten, streut dem linksorientierten Wählerpotenzial ergo Sand in die Augen, um Widerstand für das System kanalisieren zu können.
So erklärt sich denn auch, warum sich die Linkspartei über Wochen hinweg eher verhalten positionierte. Auch bleibt bis heute, trotz der jüngsten markigen Statements, gesellschaftliche Mobilisierung völlig aus. Die Pseudolinken sind vornehme Presseerklärungs-Aktivisten.
Die Linkspartei verfügt über keine nennenswerte Medien-reichweite aus eigener Kraft heraus. Ihre Publikationen werden, wenn überhaupt, lediglich innerhalb der eigenen Mitgliedschaft konsumiert.
Ihre mediale Existenz auf der gesellschaftlich wahrnehmbaren Bühne (und damit auch die Sicherstellung der bundesweiten Überwindung der 5-Prozent-Hürde) verdankt die Partei ausschliesslich den NATO-treuen Mainstreammedien, allen voran den berühmt-berüchtigten TV-Talkshows.
Dieser Umstand eröffnet allerdings andererseits der sozialistischen Presse die Möglichkeit, jene linke potenzielle Wählerschaft zu erreichen, die sich zunehmend aus der imperialen Hegemonie ausklingt, nicht mehr bei ARD, Spiegel, taz und Co. in deren Foren die notorische Desinformation beklagt, sondern konsequenter Weise lieber gleich zu anständiger Lektüre wechselt.
Nicht immer, aber immer öfter finden sich daher die Pseudolinken in der Position von durch die sozialistische Presse getriebenen wieder – und werden durch den gesellschaftlichen Diskurs gezwungen, entsprechend zu reagieren.
So auch beim Thema Ukraine. Hier ist der Linkspartei in den vergangenen Wochen und Monaten die politische und mediale Vorhand vollends entglitten. Und das zu einem Zeitpunkt, als sich die pseudolinke Partei gerade auf ihrem sog. “Europaparteitag 2014″ vergangenen Monat einmal mehr mit Nachdruck zur imperialen Institution EU bekannt und somit den Parteien von Krieg und Hartz IV, SPD und Grüne, als Koalitionspartner empfohlen hat.
Als Pro-EU-Partei ist die Pseudolinke jetzt natürlich in einem Dilemma. Denn als Parteigängerin der imperialen Hegemonie, als Fraktion innerhalb der imperialen Rechten (= Kartell der bürgerlichen Parteien pro imperiale NATO/USA/EU) steht ihre, nicht zuletzt durch wirtschaftliche Interessen motivierte, Treue zur herrschenden Ordnung in eklatantem Widerspruch zur philosophischen und politischen Prägung ihrer Corporate Identity und der Befindlichkeit ihrer Wählerschaft.
Sozialdemokraten und Pseudolinke popularisieren NATO-Desinformation
In seiner heutigen Bundestagsrede, als Antwort auf BRD-Kanzlerin Angela Merkels (CDU) Regierungserklärung, wiederholte Gregor Gysi wie bereits zuvor:
„Die Lage in Bezug auf die Ukraine und Russland ist ernst, aber nicht hoffnungslos. Die Krim soll unter Bruch des Völkerrechts Bestandteil Russlands werden. Aus dem Bruch von Völkerrecht kann irgendwann im Völkerrecht Gewohnheitsrecht entstehen. Das ist nicht ungefährlich.“
Und Sahra Wagenknecht, an der zunehmend nur noch ihr Kostüm rot leuchtet, erklärte dem Sender n-tv vergangene Woche auf die Frage „War es ein Bruch des Völkerrechts, dass Putin auf der Krim einmarschiert ist?“
Wagenknecht: „Natürlich war das völkerrechtswidrig. Nur: Es reiht sich ein in die Serie der Völkerrechtsbrüche, die in den letzten Jahren vor allem die USA und Europa begangen haben.“
Diese Äusserungen korrespondieren mit der Erklärung des Parteivorstands der “Linken” vom Freitag zur Lage in der Ukraine. Unter der Überschrift “Machtspiele beenden – Kriegsgefahr stoppen” erklären die beiden Parteivorsitzenden Katja Kipping und Bernd Riexinger: „Wir verfolgen mit Besorgnis die Entwicklungen in der Ukraine und auf der Krim. Wir verurteilen die militärischen Drohgebärden der Russischen Föderation. (…)
Die Antwort auf das völkerrechtswidrige Vorgehen der Russischen Föderation auf der Krim, welches wir verurteilen, muss in der Diplomatie liegen – Krieg kann keine Probleme lösen und darf kein Mittel der Politik sein. (…) Diese Kriegsgefahr wird durch die russische Truppenmobilisierung an der Grenze zur Ukraine noch weiter verschärft. (…) Russland muss seinen Konfrontationskurs einstellen.“
Weder Gysi noch Wagenknecht erläutern allerdings konkret, worin denn nun genau der angebliche Bruch des Völkerrechts durch Russland bestehen soll?
Hier bleibt die Öffentlichkeit ratlos zurück bzw. soll sich vermutlich auf entsprechende Statements von USA/NATO/EU verlassen.
Die Behauptung, Russlands Vorgehen sei völkerrechtswidrig und verfolge einen Konfrontationskurs, stellt die Tatsachen auf den Kopf und vertauscht Ursache und Wirkung.
Fakt ist: Russland ist nicht auf der Halbinsel Krim einmarschiert. Entsprechende Meldungen entspringen lediglich der imperialen Desinformation, um von der eigenen Verantwortung für den faschistischen Putsch in der ukrainischen Hauptstadt Kiew abzulenken.
Dieser Putsch gegen die demokratisch gewählten Institutionen des Landes, organisiert und finanziert durch USA/NATO/EU, ist es, der gegen das internationale Völkerrecht verstößt.
Auf letzteren Umstand weisen zwar auch die Pseudolinken mitunter hin – allerdings, und das ist hier der Punkt, kolportieren sie die Desinformation der imperialen NATO in Bezug auf das Selbstbestimmungsrecht in Sachen Krim und bedienen somit zu diesem zentralen Thema einmal mehr die imperiale Hegemonie.
Die ursprünglich russische Halbinsel Krim war in der Regie-rungszeit von Nikita Sergejewitsch Chruschtschow 1954 innerhalb der UdSSR symbolisch an die Sowjetrepublik Ukraine übergeben worden. Sewastopol ist Hauptstützpunkt der russischen Schwarzmeerflotte.
Auf der Krim gab es laut Kreml-Sprecher Dmitri Peskow keine russischen Truppen ausser der Schwarzmeerflotte und den zu dieser gehörende Sicherheitskräfte.
„Gibt es russische Truppen auf der Krim? Dort ist die russische Schwarzmeerflotte entsprechend den bilateralen Vereinbarungen stationiert“, sagte Peskow am 08. März im russischen Fernsehen. Hinzu käme das Sicherheitspersonal der russischen Militärobjekte, „das nach den beunruhigenden Ereignissen in der Ukraine verstärkt wurde“.
Der Beweis des Gegenteils wurde auch durch die NATO nie erbracht. Hingegen bezeichneten die NATO-treuen Medien auch die örtlichen Selbstverteidigungskräfte als “russische Soldaten”, was sich bereits als Desinformation entlarvt hat.
Einen Befehl zum russischen Truppeneinsatz gab es nicht. Russlands UNO-Botschafter Vitali Tschurkin erklärte vor der Wiedervereinigung mit Russland, dass auf der Krim weniger russische Militärs präsent sind, als dies das Abkommen über die Schwarzmeerflotte gestattet.
2010 hatten die damaligen Präsidenten Russlands und der Ukraine, Dmitri Medwedew und Viktor Janukowitsch, einen völkerrechtlich gültigen Vertrag zwischen der Ukraine und Russland erneuert, der besagt, dass die russische Schwarz-meerflotte und dazugehörige Truppenteile auf der Krim bis 2042 präsent sind.
Dafür bezahlte Russland die Ukraine mit einem Rabatt von 100 US-Dollar für je 1.000 Kubikmeter Erdgas.
Und das Wichtigste: Was ist eigentlich mit der NATO?
Nun ist also, nachdem das Thema virulent im gesellschaftlichen Diskurs kreist, auch bei den Pseudolinken angekommen, dass USA/NATO/EU in Kiew einen faschistischen Putsch durchführen. Entsprechend empört sprechen sich Gysi, Wagenknecht und Co. gegen diese Entwicklung aus. So weit, so gut.
Aber die eigentliche Frage lautet doch: Welche Konsequenzen ziehen Antifaschisten, Demokraten und Sozialisten daraus?
Zur den dreistesten Täuschungen der Öffentlichkeit gehört vor allem die NATO-Politik der Linkspartei, wie sich auch jetzt einmal mehr bestätigt.
Denn die Forderungen von Linken müssten angesichts dieser internationalen Entwicklung doch mindestens lauten:
1. Austritt aus der NATO und 2. Auflösung der Institution EU und Neuordnung Europas auf der Grundlage des Internationalen Völkerrechts.
Aber zu diesem wichtigsten aller Themen, nämlich der imperialen Entwicklung und der NATO-Expansion nach Osten, hören wir von der sog. Linkspartei nichts Konkretes.
Solange Gysi und Wagenknecht nicht zumindest ganz klar und unmissverständlich den Austritt aus der NATO fordern, ist alles andere nur Schall und Rauch.
Nimmt diese Irreführung der Öffentlichkeit und vor allem des Wählerpotenzials wirklich Wunder? Was will man von einer Partei erwarten, die auf Teufel komm raus im kommerziellen Polit-Betrieb der BRD mitmischen will.
Es geht der Linkspartei darum, sicherzustellen, dass sie für die imperiale Rechte auch auf Bundesebene koalitionsfähig wird. Mit ernsthafter Kritik und Opposition gegen die herrschenden Verhältnisse ist dieses zentrale Ziel der Pseudolinken evidenter Weise nicht erreichbar.
Also gibt man die linken Poser – mehr ist es nicht.