A nlässlich der Forderung nach einem Einfrieren der Kosten des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) empfiehlt die atomkritische Ärzteorganisation IPPNW den Parteien CDU, CSU und SPD, die langfristigen volkswirtschaftlichen Kosten als Beurteilungsmaßstab für Entscheidungen heranzuziehen.
„Wenn Strom produziert wird, so entstehen Kosten, die natürlich über den Strompreis bezahlt werden müssen. Nichts anderes regelt im Kern das EEG. Wenn Erneuerbare Energien eingesetzt werden sollen anstelle von Kohle, Erdgas und Atom, dann erhöhen sich selbstverständlich auf der einen Seite die Kosten, während sie auf der anderen Seite sinken“, so IPPNW-Energieexperte Henrik Paulitz.
Zu berücksichtigen ist ferner, dass die Erneuerbare Energien in den 27 EU-Ländern im Jahr 2011 mit 30 Milliarden Euro gefördert wurden. Nuklearanlagen wurden im selben Jahr mit 35 Milliarden Euro und konventionelle Kraftwerke mit 26 Milliarden Euro subventioniert.
Nach Auffassung von Paulitz sollten bei der Bewertung der Kosten und Preise der Energiewende einige gesamtwirtschaftliche Effekte in den Mittelpunkt der Betrachtung rücken:
1. Seit jeher besteht der Kraftwerkspark aus einem Mix aus älteren und jüngeren Kraftwerken sowie aus unterschiedlichen Kraftwerkstypen. Die Stromgestehungskosten beispielsweise eines alten, abgeschriebenen Kraftwerks waren schon immer weitaus niedriger als die eines neuen Kraftwerks.
Es wurde nie ein Problem daraus gemacht, dass man im Mix unterschiedliche Gestehungskosten je Kilowattstunde hat. Der Strompreis wurde vernünftigerweise an den Kosten des Kraftwerks-Mixes orientiert.
2. Neu eingeführte Technologien verursachten während ihrer Markteinführung schon immer ungleich höhere Kosten, die aber über den Mix mit alten Technologien und mit abgeschriebenen Kraftwerken aufgefangen werden konnten. Nie wäre man vor Jahrzehnten auf die Idee gekommen, deswegen auf Modernisierungs-Investitionen zu verzichten.
Bemerkenswert ist allerdings, dass für den Neubau von konventionellen Kraftwerken selbst jetzt wieder der Ruf nach Subventionen laut wird.
Demgegenüber löst die Solarenergie “ihr altes Versprechen” auf bemerkenswerte Weise ein: Sie wurde von Jahr zu Jahr immer billiger.
3. Die Strompreise bzw. Energiepreise generell “entwickeln” sich völlig losgelöst von den Kosten. Vor Jahren waren die meisten Atomkraftwerke und der Kraftwerkspark insgesamt überwiegend abgeschrieben und dennoch hoben die Energiekonzerne beständig die Strompreise willkürlich an, statt sie kostenorientiert zu senken.
Mit den Erneuerbaren Energien hatte das überhaupt nichts zu tun. Es hatte allein damit zu tun, dass sich beispielsweise die E.On Kernkraftwerk GmbH vor Jahren Eigenkapitalrenditen im dreistelligen Bereich gönnte (2006: 280%).
Auf der anderen Seite bekämpfen die Energiekonzerne Bürger, die mit ihren Solaranlagen – wenn es gut läuft – geringfügige Einnahmen knapp über der Verzinsung auf dem Sparbuch erzielen.
4. Die Erneuerbaren Energien führten vor Jahren deswegen zu einem enormen Beschäftigungsboom, gerade weil die Produktionskosten relativ hoch waren. Das zeigt, dass relativ hohe Stromgestehungskosten bei geringen Renditen volkswirtschaftlich positiv sein können, da sie an anderer Stelle die Kosten für die Arbeitslosigkeit sparen.
Im Falle der Rüstungsindustrie bemühen manche gerne genau dieses Argument, sie verursache zwar Kosten, schaffe aber doch Arbeitsplätze.
Das Modell der konventionellen Energiewirtschaft funktioniert anders: Die teilweise niedrigeren Stromgestehungskosten in Verbindung mit exorbitant hohen Renditen führen zu vergleichbar hohen Strompreisen, aber zu weniger Beschäftigung – und somit zu hohen Kosten an anderer Stelle der Volkswirtschaft.
5. Die dezentrale Nutzung Erneuerbarer Energien ist auch deswegen von Vorteil, weil milliardenschwere Kaufkraftabflüsse für den Import von Kohle, Erdgas und Uran vermieden werden.
Die Bundesregierung hob in einem Bericht positiv hervor, dass 2010 „dank der Erneuerbaren Energien fossile Energieimporte im Wert von insgesamt rund 6 Milliarden Euro vermieden“ wurden.
6. Selbst wenn durch die dezentrale Energiewende bei sinkenden Renditen die Kosten moderat steigen sollten, beispielsweise durch Investitionen in die Speicherinfrastruktur, so muss das volkswirtschaftlich nicht nachteilig sein.
Zum einen sind jährlich weitere 90 Milliarden Euro durch den schrittweisen Verzicht auf Energieimporte mobilisierbar. Zum anderen darf die Energiebranche auch zulegen, wenn dies für die Gewährleistung der Versorgungssicherheit erforderlich ist, während etwa eine rückläufige Rüstungs- und Finanzbranche den Steuerzahler im Gegenzug jede Menge Kosten ersparen könnten.