A utismus ist eine tief greifende Entwicklungsstörung, die in Europa rund einen von einhundert Menschen betrifft. Bemerkbar machen sich die Symptome im sozialen Umgang mit anderen, in der Kommunikation und in sich wiederholenden stereotypischen Verhaltensweisen.
Autismus Spektrumstörungen, kurz ASS, lautet die aktuelle psychiatrische Definition. Was das konkret bedeutet, erläutert der Vater eines autistischen Kindes. „Meine Tochter Rosalie nenne ich mein grosses Geheimnis, seit sie klein ist. Sie ist einerseits sie selbst, und dann ist da ihre Behinderung. Bei uns zu Hause verfügt sie über rund 30 Sekunden Autonomie. Das ist auf lange Sicht nur schwer zu meistern.“
Die Zahl der Autismus-Diagnosen ist seit den 80er Jahren sprunghaft angestiegen, ein Medikament gibt es bislang nicht. Wohl aber ist die Erforschung der Vorgänge im Gehirn deutlich vorangekommen, unter anderem im Rahmen des europäischen Projekts EU-AIMS in Zusammenarbeit mit Partnern aus der Pharmaindustrie.
Als Autorität in diesem Bereich gilt der französische Genforscher Thomas Bergeron am Institut Pasteur in Paris.
„Am Anfang steht die Diagnose des Psychiaters auf Autismus, das ist der erste wichtige Schritt. Als Nächstes wird anhand einer Blutprobe die DNA des Patienten analysiert. Hier sehen Sie das gesamte Chromosom 11 eines Menschen. Wir können das Genom durchstöbern und stoßen dabei mitunter auf dieses Phänomen: ein abnehmendes Signal, was bedeutet, dass der Patient an dieser Stelle 1,2,3,4 oder 5 Millionen Buchstaben verloren hat.
Das bedeutet dementsprechend auch, dass er sämtliche Gene verloren hat. Die Aufgabe des Labors ist, zu verstehen, welche dieser Gene für den Autismus des Patienten verantwortlich sind.“
Als Risikofaktor für die Entstehung von Autismus gelten diverse Mutationen in über 300 Genen. Eines dieser Gene ist Neuroligin-3, welches zur Bildung von Synapsen beiträgt.
In diesem Forschungslabor werden Versuche mit Mäusen durchgeführt, die infolge einer Genmanipulation autistische Verhaltensmuster aufweisen.
Besonders interessant für die Forschung ist die Erkenntnis, dass diese bei der Maus künstlich herbeigeführte gestörte Entwicklung der neuronalen Schaltkreise im Gehirn reversibel ist.
Somit ergibt sich ein pharmakologischer Angriffspunkt, um in bestimmten Fällen die Entwicklungsstörung aufzuhalten oder sogar rückgängig zu machen.
Erkenntnisse über die Gehirnstrukturen autistischer Patienten liefern von Declan Murphy am Londoner King’s College durchgeführten MRT-Studien. „Wir versuchen, die dreidimensionale Aussagekraft der Gehirnaufnahmen nutzbar zu machen“, erklärt Murphy.
„Dabei muss man sich die Oberfläche des Gehirns als eine Gebirgslandschaft vorstellen. Wir vereinen alle verfügbaren 3D-Informationen und fragen uns, wie sieht das Gehirn eines Menschen mit Autismus aus? Können wir anhand dieses Bildes Menschen mit Autismus identifizieren?“
Ziel all dieser Forschungen und Experimente ist, Autismus schnell und frühzeitig zu diagnostizieren, verbunden mit der Hoffnung, auf eine Behandlung zu stoßen, die der Entwicklungsstörung entgegenwirkt, betont Richard Bergström vom Europäischen Pharmaverband EFPIA.
„Dieses Projekt hat uns klar gemacht, dass wir all die neuen Technologien kombinieren müssen. Dank bildgebender Verfahren sehen wir, was im Gehirn geschieht. Wir verstehen die genetischen Vorgänge und auch die im Bereich der Proteine.
Indem wir das alles vereinen, können wir sogenannte Biomarker entwickeln, messbare Anhaltspunkte. Denn um Medikamente zu dosieren, brauchen wir Messeinheiten. Anhand dieser Kriterien können wir einschätzen, ob ein Medikament wirksam ist, oder nicht.“