M it ihren “bolschewistischen Methoden” bei der sog. Zypern-Rettung hätten sich die EU-Behörden keinen Gefallen getan, schreibt heute die russische Zeitung Nesawissimaja Gaseta (Deutsch: Unabhängige Zeitung), die ein privates Unternehmen im Besitz russischer Oligarchen ist.
„Was hat die EU nur dabei geritten, als sie mit der Besteuerung der Bankeinlagen Millionen Bankkunden aus aller Welt einen grossen Schrecken eingejagt hat?“, fragt die in Moskau erscheinende Tageszeitung.
Statt dieser Frage auf den Grund zu gehen, so moniert das Blatt, spekulieren die westlichen Medien lieber über das „russische Mafia-Geld“ in Zypern. So schrieb die britische Financial Times:
„Zypern muss sich zwischen zwei Alternativen entscheiden: Entweder bunkert es weiterhin die russischen Gangster-Gelder oder es schliesst sich komplett Europa an, schliesst den grössten Teil seines im Schatten befindlichen Bankensektors und stabilisiert seine Wirtschaft“.
„Die Insel Zypern ist ein wichtiges Drehkreuz für Moskaus illegales Kapital“, schrieb die deutsche Tageszeitung Die Welt.
„Zypern ist eine Waschmaschine für schmutziges russisches Geld.“
Auf illegale Geschäfte in Russland seien in den vergangenen Jahren nach Angaben der Zeitung rund 46 Prozent der Wirtschaftsleistung entfallen.
Die wahren Ursachen der Wirtschaftskrise würden jedoch verschwiegen. Damit wird ein ernstzunehmendes Argument angeführt: Denn wie kann man erklären, dass der Geldzufluss in die Banken der Insel deren Insolvenz verursacht habe?
Auch die fragwürdige Herkunft der russischen Gelder sei nicht für die Zypern-Krise verantwortlich, weil dies eher ein Thema für den russischen Fiskus ist.
Vielmehr liesse sich die Zypern-Krise auf den Schuldenschnitt für Griechenland zurückführen. Zyprische Banken hatten sich am griechischen sog. “Rettungsprogramm” mit 4,7 Milliarden Euro beteiligt. Dass sie bei solchen Verlusten vor der Zahlungsunfähigkeit stehen, war absehbar.
Wenn die EU-Behörden wirklich eine Zuspitzung der Krise verhindern hätten wollen, dann hätten sie das vor einem Jahr viel leichter und günstiger machen können. Denn im Vergleich zur Griechenland-Rettung (130 Milliarden Euro) sind die weniger als 20 Milliarden Euro für Zypern ein Pappenstiel.
Offenbar haben die EU-Behörden kein echtes Interesse an der Rettung Zyperns, spekuliert die russische Zeitung. Einige russische Banker glauben, dass die Zwangsabgabe auf zyprische Bankeinlagen keine wirtschaftlichen, sondern eher geopolitische Gründe habe.
„Russland wird in den Mittelpunkt gestellt, damit die europäischen Behörden sich nicht die Vorwürfe anhören müssen, sie hätten die Krise provoziert“, sagte Iwan Kibardin von der Interkommerzbank.
„Schuld an der Zypern-Krise haben die Länder, die es bei der Gründung der Eurozone verabsäumt haben, viele Konstruktionsfehler zu beheben, die jetzt die Krise verursacht haben“, so Michail Koroljuk vom Investmenthaus Solid.
„Wenn in den zyprischen Banken nicht nahezu 40 Prozent aller griechischen Schuldenaktiva konzentriert gewesen wären, dann wäre die aktuelle Situation nicht so verheerend. Es stellt sich die naheliegende Frage, ob die Top-Manager der zyprischen Banken wirklich uneigennützig gehandelt haben, als sie ihre Investitionsentscheidungen trafen.“
„In Zypern wurden günstige Finanzbedingungen geschaffen, und das Kapital floss in dieses Land… Wenn die EU-Behörden von der Gefahr für die zyprische Wirtschaft wussten, warum haben sie keine Einschränkungen beschlossen?“, so der Analyst Leonid Matwejew. „Jetzt schieben sie einfach ihre Schuld anderen in die Schuhe.“
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