I m Januar 1992 fand, ausgehend vom Leninplatz (später umbenannt in Platz der Vereinten Nationen), der erste Gedenkzug zur jährlichen Liebknecht-Luxemburg-Ehrung statt, zusätzlich zur, von der SED/PDS organisierten, Kranzniederlegung an der Gedenkstätte der Sozialisten in Berlin-Friedrichsfelde.
Ich selbst gehörte damals zum kleinen Kreis der Organisatoren und es war unsere Organisation, die KPD (Initiative) und ab dem Folgejahr Die Rote Fahne, die mit diesem eigenen stillen Marsch das Gedenken an die Gründer unserer Partei und unserer Zeitung würdigten. Hintergrund war, dass wir in der Entwicklung der SED/PDS eine Sozialdemokratisierung und Abkehr vom politischen Erbe der traditionellen KPD sahen.
Das eigenständige Liebknecht-Luxemburg-Gedenken korrespondierte mit unserem Vorhaben, die Sozialisten/Kommunisten in Deutschland strömungsübergreifend in einer durch ihren 16. Parteitag rekonstituierten KPD zu vereinen.
Wir waren im ersten Jahr eine relativ kleine Gruppe von rund 100 Teilnehmern, die in – stillem – Gedenken und ohne tagespolitische Losungen ihre politische Identität medial kommunizierten.
Undenkbar wäre es für uns gewesen, diese traditionelle Liebknecht-Luxemburg-Ehrung zum Schauplatz politischer Auseinandersetzungen zu machen – dafür gibt es an den übrigen 364 Tagen im Jahr genug Gelegenheiten.
Ebenso undenkbar war es damals und ist es heute, gemeinsam mit Leuten zusammen zu gehen, die sich positiv auf Stalin berufen, auf jenes historische Regime des Stalinismus, das im Jahre 1937 (neben zahlreichen anderen Sozialisten/Kommunisten in den 30er Jahren) unseren vormaligen Chefredakteur Heinz Neumann ermordete.
Im Verlauf des Jahres 1994 spaltete sich die, noch 1990 in der DDR gegründete, Ost-KPD. Die Partei, die Anfang der 1990er Jahre noch mehrere tausend Mitglieder zählte, streng antistalinistisch ausgerichtet und eine der Mitgliedsorganisationen der KPD (Initiative) war, wurde durch Stalinisten aufgerieben und verschwand in der Folge dieser Auseinandersetzungen von der politischen Bühne.
In den späteren Jahren verkam die Liebknecht-Luxemburg-Ehrung zunehmend zu einem Jahrmarkt politischer Eitelkeiten, bei dem unterschiedliche politische Gruppen bestrebt waren, organisationseigene Losungen unterzubringen. Das Gedenken mutierte zu einer Art “Ersatz-1. Mai”.
Die Rote Fahne hat sich seit dem Auftreten von Stalinisten – die wir ausdrücklich nicht als Teil des sozialistischen Spektrums betrachten – und anderer Sektierer nicht mehr an diesem, das ursprüngliche Gedenken entwürdigendem, Firlefanz beteiligt.
So nimmt es denn auch nicht Wunder, dass mittlerweile der imperiale Mainstream, in Form von Sozialdemokraten und Zionisten, sich nunmehr ebenfalls berufen fühlt, das Liebknecht-Luxemburg-Gedenken als Bühne für eigene Propaganda, auf Jugendliche zugeschnittene NATO-Desinformationsstrategien und Provokationen zu nutzen.
Auch dieser Intention erteilen wir eine klare Absage.
Was die Fragestellung der politischen Organisation von Sozialisten in Deutschland betrifft, so ist die Herausforderung heute im Grunde immer noch die selbe, wie bereits Anfang der 1990er Jahre.
Wir werden als Rote Fahne und unsere Unterstützer überlegen, ob es für die Zukunft Sinn macht und ausreichend Interesse besteht, wieder eine Liebknecht-Luxemburg-Ehrung zu organisieren, die dem ursprünglichen Gedanken gerecht wird. Zu dieser Debatte und Entscheidungsfindung sind alle Sozialistinnen und Sozialisten eingeladen.