D ie deutsche Sektion der IPPNW hat in einem Brief an die Weltgesundheitsorganisation appelliert, die medizinische Forschung über die Gesundheitsfolgen der atomaren Katastrophe von Fukushima erheblich auszuweiten.
Die von United Nations Scientific Committee on the Effects of Atomic Radiation (UNSCEAR) für 2013 geplante Studie soll ausschliesslich grobe Abschätzungen verschiedener japanischer und internationaler Experten berücksichtigen, aus denen dann die zu erwartenden Gesundheitseffekte theoretisch abgeleitet werden.
Dringend notwendig seien jedoch unabhängige epidemiologische Studien sowie die baldige Einrichtung eines umfassenden Registers, in dem alle Menschen erfasst werden, die aufgrund der Katastrophe von Fukushima vermutlich mehr als 1 mSv Strahlung durch unterschiedliche Quellen ausgesetzt waren.
„Diese Studien dürfen nicht auf das Schilddrüsen-Screening der Kinder begrenzt werden, sondern müssen umfangreiche Untersuchungsdaten auch für andere mögliche Erkrankungen wie sie nach der Tschernobylkatastrophe beobachtet wurden, umfassen“, heisst es in dem Brief.
Insbesondere sollte systematisch nach Fehlbildungen, Totgeburten, Fehlgeburten und nach dem Phänomen der “verlorenen Mädchen” geforscht werden, da sich diese Auswirkungen auf die reproduktive Gesundheit in den verstrahlten Gebieten von vielen europäischen Ländern gefunden hätten.
Die deutsche Sektion der IPPNW kritisiert zudem, dass Prof. Shunichi Yamashita, oberster Gesundheitsberater der Präfektur Fukushima, die Ergebnisse aus seiner Forschungsgruppe vom April 2011, dass 35 Prozent der mit Ultraschall untersuchten Kinder aus der Fukushimaregion Schilddrüsenknoten und Schilddrüsenzysten aufweisen, verharmlost.
Die Kinder sollen erst wieder in zweieinhalb Jahren zur Routinekontrolle kommen. Mehrere Mütter aus der Präfektur Fukushima, die sich mit der Bitte um eine Zweitmeinung an andere Ärzte gewandt haben, wurden abgewiesen.
Im September 2012 veröffentlichte Prof. Yamashita eine zweite Studie mit den Ergebnissen von weiteren 42.060 mit Ultraschall untersuchten Kindern aus der Stadt Fukushima. Erneut wiesen 43,1 % der kindlichen Schilddrüsen Knoten und Zysten auf.
Die deutsche Sektion der IPPNW befürchtet eine Zunahme von Schilddrüsenkrebs bei Kindern in der Präfektur Fukushima. Ein erster Fall von Schilddrüsenkrebs wurde am 11. September 2012 bekannt.
Bestätigt sehen die IPPNW-Ärzte diese Sorge durch die Untersuchungen von Dr. Matsuzaki Hiromichi, Leiter der Abteilung für Innere Medizin im Allgemeinen Städtischen Klinikum der Stadt Fukagawa. Er verglich die Befunde der Gesundheitsstudie von Fukushima mit früheren Studien. So ergab eine Studie aus dem Jahr 2000 an 250 sieben- bis 14-jährigen Kindern aus der Präfektur Nagasaki, dass lediglich 0,8 Prozent Schilddrüsenzysten hatten.
In einer Arbeit von Mazzaferri et. al. aus dem Jahr 1993 wurde festgestellt wurde, dass US-amerikanische Kleinkinder praktisch keine Schilddrüsendeformationen aufwiesen. Knoten und Verhärtungen nahmen erst mit einem höheren Lebensalter zu.
Analyse des WHO-Berichts zur Katastrophe von Fukushima von Dr. Alex Rosen (PDF):
→ fukushima-disaster.de
Vollständiger Brief an die WHO (PDF):
→ ippnw.de
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