D ie deutsche Sektion der IPPNW (International Physicians for the Prevention of Nuclear War – Deutsche Sektion der Internationalen Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges / Ärzte in sozialer Verantwortung) befürchtet eine Zunahme von Schilddrüsenkrebs bei Kindern in der Präfektur Fukushima.
Bestätigt sehen die IPPNW-Ärzte diese Befürchtung aufgrund einer Untersuchung der Gesundheitsbehörde der Präfektur Fukushima an 38.114 Kindern im Alter von 0-18 Jahren, die Ende April 2012 veröffentlicht wurde.
Dr. Matsuzaki Hiroyuki, Leiter der Abteilung für Innere Medizin im Allgemeinen Städtischen Klinikum der Stadt Fukugawa, verglich die Befunde der Gesundheitsstudie von Fukushima mit früheren Studien. Eine Zusammenfassung seiner Arbeit liegt jetzt auch auf Deutsch vor.
Bei 35 Prozent der untersuchten Kinder fanden sich Schilddrüsenzysten, bei einem Prozent Schilddrüsenknoten.
Diese Veränderungen sind laut Matsuzaki ein Hinweis darauf, dass sich in der Schilddrüse „etwas Ausserordentliches abspielt“.
Die Gesundheitsbehörde hält 99,5 Prozent der Fälle für problemlos und will diese Kinder in den nächsten zweieinhalb Jahren nicht weiter untersuchen. Die genauen Ergebnisse, Ultraschall- Bilder und Kommentare der Ärzte werden den Patienten und ihren Familien vorenthalten.
Einer der Hauptverantwortlichen für diese Untersuchung, Prof. Dr. Shunichi Yamashita, Vizepräsident der Fukushima Medical University und oberster Gesundheitsberater der Präfektur Fukushima, empfiehlt seinen Kollegen und Schilddrüsenfachärzten in ganz Japan, Eltern zu beruhigen und weitere Untersuchungen für unnötig zu erklären.
Yamashita gilt als “Verharmloser der Strahlengefahren”, nachdem er im vorigen Jahr in unverantwortlicher Weise verkündet hat, 100 mSv/Jahr seien unbedenklich, sogar für Schwangere und Kleinkinder.
Hierzulande gilt 1 mSv/Jahr als Grenzwert für die Normalbevölkerung, während Atomarbeiter mit maximal 20 mSv/Jahr belastet werden dürfen.
Dagegen verweist Matsuzaki auf eine Studie aus dem Jahr 2000 an 250 sieben- bis 14-jährigen Kindern aus der Präfektur Nagasaki, von denen lediglich 0,8 Prozent Schilddrüsenzysten hatten. Ausserdem beruft er sich auf eine Arbeit von Mazzaferri et.al. aus dem Jahr 1993, in der festgestellt wurde, dass US-amerikanische Kleinkinder praktisch keine Schilddrüsendeformationen aufwiesen, Knoten und Verhärtungen jedoch mit dem Lebensalter zunahmen.
Bei 20jährigen US-Amerikanern hat einer von zehn Knoten und/oder Zysten.
Die bekannte australische Kinderärztin und Kinderchirurgin Helen Caldicott sagte zu den aktuellen Ergebnissen, Kinder hätten normalerweise keine Schilddrüsenknoten oder -zysten. Falls solche festgestellt würden, müsse umgehend eine Biopsie durchgeführt werden, um ein beginnendes Karzinom auszuschliessen.
Die grosse Zahl von Schilddrüsenveränderungen seien der Beweis dafür, dass die Kinder in der Präfektur Fukushima hohen Dosen von Jod-131 ausgesetzt waren.
Die Veränderungen müssten als Vorboten von Schilddrüsenkrebs angesehen werden. Mindestens seien engmaschige Kontrollen unabdingbar; die betroffenen Kinder erst nach 2 ½ Jahren erneut untersuchen zu wollen, sei ein grosser Fehler.
Die Befunde von Dr. Matsuzaki widerlegen auch die Einschätzung der Autoren des WHO-Reports mit dem Titel Vorläufige Dosiseinschätzung vom Juni dieses Jahres. Dort wird behauptet, der radioaktive Fallout von Fukushima werde kaum jemanden krank machen.
Weitere Informationen finden Sie im aktuellen Strahlentelex 612-613 vom 05. Juli 2012 unter
→ strahlentelex.de (PDF)
und unter
→ fukushimavoice-eng.blogspot.de
Im Rahmen des IPPNW-Weltkongress vom 24. – 26. August 2012 in Hiroshima wird eine IPPNW-Ärzte-Delegation nach Japan reisen und dort auch Gesundheitseinrichtungen in der Präfektur Fukushima besuchen.
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