D ie → Innu im Nordosten Kanadas feiern am Mittwoch ein bedeutendes Ereignis: Ein junger Angehöriger der Indigenen, Michael Andrew – auch “Giant” genannt – hat seinen 4.000 Kilometer langen Fussmarsch durch Nitassinan, das traditionelle Gebiet der Innu, erfolgreich beendet.
Mit der aussergewöhnlichen Initiative möchte der Innu die Öffentlichkeit auf die dramatische Diabetes-Epidemie aufmerksam machen, unter der die Innu leiden.
Die Wanderung soll zudem unter den jungen Innu wieder einen Sinn für Nutshimit (das Land) wecken: Die Taiga, die Tundra und das felsige Ödland bilden seit Jahrtausenden die Lebensgrundlage der Indigenen.
Giant brach im Winter 2009 zunächst alleine zu dem Marsch auf. Mit einer Axt, einem Schlitten, einem Kocher und einem Zelt ausgerüstet, verliess er seine Heimatgemeinde Sheshatshiu. Bis zur letzten Etappe hatten sich Giant bereits rund 40 weitere Innu angeschlossen.
Die Gruppe durchquerte gemeinsam das gefrorene Landesinnere im subarktischen Québec und Labrador und ernährte sich von Karibus, Rebhühnern und Stachelschweinen, die sie auf ihrem Weg jagten.
Michael Andrews Marsch dürfte die erste Durchquerung des traditionellen Landes Nitassinan gewesen sein, seit die einst nomadisch lebenden Innu in den 1950er und 60er Jahren von Regierung und katholischer Kirche dazu gezwungen wurden, sich in Gemeinden anzusiedeln.
Am Mittwoch, dem 18. April, werden in Sheshatshiu in Labrador Feierlichkeiten abgehalten. Es dürfte hierbei zu einer der grössten Versammlungen von Innu in den vergangenen Jahren kommen.
„Früher gab es in unserem Volk keinen einzigen Fall von Diabetes – zu der Zeit, als unsere Grosseltern das Land bewohnten, auf die Jagd gingen und gesunde Nahrung zu sich nahmen“, erklärte Giant zum Anlass seines Marsches.
„Heute aber gehen nur wenige Familien aus meiner Gemeinde über Nutshimit. Stattdessen essen sie die Kost der Weissen aus der Konserve und trinken Alkohol.
Es schmerzt mich, wenn ich daran denke. Mit meinem Marsch will ich unserem Volk zeigen, dass unsere Lebensweise auf dem Land eine gesunde ist. Andernfalls, was wäre denn in zehn Jahren?
Dann könnte die ganze Gemeinde an Diabetes leiden. Jeder könnte Gliedmaßen verlieren.“
Survival-Direktor Stephen Corry betonte heute: „Der Marsch hat Selbstwertgefühl erzeugt und einen kollektiven Stolz darauf, Innu zu sein – das, was Regierung und Kirche beharrlich zu untergraben versuchten.
Dies zeigt, dass trotz aller Ungerechtigkeiten und Tragödien der vergangenen Jahre der einzigartige Geist der Innu noch immer stark ist.“
7.500 Jahre lang lebten die Innu als halbnomadische Jäger. Sie durchquerten Nitassinan auf der Suche nach riesigen Karibu-Herden, die ihr traditionelles Land durchwandern. Nachdem das Land der Innu beschlagnahmt und die Indigenen zur Sesshaftigkeit gezwungen wurden, sind → Diabetes, Alkoholismus und Selbstmorde in die Höhe geschossen.
Die Ansiedlung der Innu begleitete eine Reihe von Industrie-Projekten auf Innu-Land, zum Beispiel in den Bereichen Bergbau, Wasserkraft, Holzwirtschaft und Strassenbau.
Aktuell beträgt der Anteil von Diabetes-Erkrankten in Sheshatshiu 15 Prozent (235 Fälle bei einer Bevölkerung von 1.500 Menschen) und in Natuashish 9 Prozent (55 Fälle bei einer Bevölkerung von 600 Menschen).
Im April 1999 beschrieb der Menschenrechtsausschuss der Vereinten Nationen die Lage der indigenen Völker Kanadas als das dringlichste Problem des Landes. Kanada wurde dafür verurteilt, die Rechte der indigenen Völker „auszulöschen“.
Der Marsch von Giant ist inzwischen auch bekannt als The Young Innu Cultural Health Walk.
Die Anführer oder deren Stellvertreter von sechs Innu-Völkern werden bei den Feierlichkeiten in Sheshatshiu anwesend sein.
Das Buch Giant’s Dream – a healing journey through Nitassinan, geschrieben von Nikashant Antane (Alex Andrew), kann auf → creativebookpublishing.ca bestellt werden.
Das Buch We are One – a celebration of tribal peoples von Joanna Eede kann auf → survivalinternational.org bestellt werden.
Es ist den indigenen Völkern der Welt gewidmet.