V on Susann Witt-Stahl (hg) - „Wir wollen niemals vergessen, dass der Islam nicht nur Israel bedroht; der Islam bedroht die gesamte Welt. Ohne Judäa und Samaria kann Israel Jerusalem nicht schützen. Die Zukunft der Welt hängt an Jerusalem. Wenn Jerusalem fällt, dann werden Athen, Rom – und Paris, London und Washington – die nächsten sein.“ (Geert Wilders, 05. Dezember 2010, Tel Aviv)
Viele Christen glauben, der in der Bibel prophezeite Endkampf zwischen Gut und Böse habe bereits begonnen. Schauplatz ist Israel. Entschieden wird er zwischen „wahren Juden“ und „teuflischen Arabern“ – durch einen Atomkrieg. Der hat (noch) nicht stattgefunden.
Aber ein Propagandakrieg ist in vollem Gange: Neue Rechte, Rechtskonservative, “antideutsche” und andere Neokonservative eröffnen mithilfe einiger Noch-Linker eine neue politische Front: „Für die Verteidigung Israels und der Juden“, schallt der Schlachtruf aus der FPÖ, von der Achse des Guten und sogar vom rechten Rand der Linkspartei. „Umma-Sozialisten“ (Islamisten) und Antiimperialisten sind für sie die Nazis von heute.
Daher verlaufe die Grenze nicht mehr zwischen rechts und links, oben und unten, sondern zwischen „zivilisiertem Westen“ und „barbarischem Islam“. Muslime, Antikapitalisten, linke Israel-Kritiker, besonders jüdische, und die Friedensbewegung sind die neuen Feinde; Antisemitismus-Vorwürfe die neuen Waffen.
Die kommen mittlerweile so massiv und willkürlich zum Einsatz, dass die französischen Philosophen Alain Badiou und Eric Hazan in ihrer Streitschrift „L’antisémitisme partout“ von einer „neuen Inquisition“ sprechen.
Die politischen Koordinaten sind mittlerweile völlig durcheinandergeraten. Badiou und Hazan erwarten sogar, dass „linke Intellektuelle demnächst vom Front National als Antisemiten behandelt werden“.
Eine „neue Front – quer zu den Schlachtordnungen“ müsse sich formieren, forderte der Junge-Freiheit-Kolumnist Rolf Stolz vor drei Jahren. Nur sie könne Deutschland als „Land der Menschenrechte, der europäischen Kultur, sozialer Gerechtigkeit und geistiger Freiheit“ erhalten. Zu dieser Zeit hatte sich diese Front längst, wenn zunächst auch nur schemenhaft, abgezeichnet.
Nach und nach nimmt sie nun aber politische Konturen an: Die Frontlinie, die Neokonservative, christliche Rechtskonservative, Neue Rechte, “antideutsche” Ex-Linke unterstützt von zum Absprung bereiten Noch-Linken bilden, reicht von Alaska bis Wien – und sie verläuft durch Gummersbach.
Denn sogar in die intellektuelle Provinz der Partei Die Linke im Oberbergischen Land ist die Botschaft vorgedrungen: „,Linke Politik’ heißt nicht ,Säbel¬rasseln’ und gegen alles, was nach ,rechts’ riecht bzw. aussieht, zu opponieren“, lautet der Leitsatz der Gummersbacher Linken, der auf der Startseite ihrer Homepage prangt. [[(1) Schon gar nicht, wenn es vereint gegen Muslime und Kritiker des grassierenden antiislamischen Rassismus, wie den Kabarettisten Hagen Rether („Schlag den Islam!“), geht.
So fühlte sich der Linken-Stadtfraktionsgeschäftsführer Reinhold Spisla – er hatte vorher schon einen offenen Protestbrief gegen einen Aufruf von Pro Asyl „Rassisten sind eine Gefahr, nicht Muslime“ unterschrieben – berufen, in einem Schreiben an die Stadt gegen einen Auftritt des linken Künstlers zu protestieren. Dieser „argumentiere antisemitisch“, zitiert die örtliche Presse Spisla, der keine Beweise für seine Anschuldigungen vorgelegt hat. [[(2)
Das ist auch nicht nötig: Der Antisemitismus-Vorwurf ist die schärfste Multifunktionswaffe der “neuen Front”. Und er bedarf in der Regel keiner Begründung. „Den Antisemiten erkennt man daran, dass er leugnet, einer zu sein“, sagte 2005 ein Referent des “antideutschen” Bündnisses gegen antisemitische Lehrveranstaltungen an der Universität Hamburg, nachdem er sich als „hauptamtlicher Antisemitenjäger“ vorgestellt hatte.
“Antisemiten” sind nicht nur Kritiker von Israels Besatzungspolitik, sondern auch Gegner des “War on Terror”, von Rassismus und Kolonialismus, sowieso alle antikapitalistischen Linken – besonders wenn sie der eigenen Partei angehören: Laut dem Publizisten Henryk M. Broder sagt Dietmar Bartsch, führender Vertreter des rechten Flügels von Die Linke, „ein großer Teil der Partei sei antisemitisch kontaminiert. Aber würde er die alle rausschmeißen, bliebe nur noch ein Gerippe“. [[(3)
Auch Fußballfans von der linken “Kiezmiliz”, die den FC Bayern nicht mögen, sind “Antisemiten”: „Inwiefern der Hass auf den FC Bayern – bereits von den Nazis als ‚Judenklub’ bezeichnet – heute immer noch antisemitische Züge trägt, warum der FCB gewissermaßen die USA der Fußball-Bundesliga ist (und sich auch klassisch antiamerikanische Ressentiments gegen ihn entladen)“, erläuterte der Jungle-World-Autor und, laut Palästina-Portal, Betreiber des neokonservativen Blogs Lizas Welt, Alexander Feuerherdt auf Einladung des Hannah Arendt Bildungswerkes. [[(4)
Sein Kollege Daniel Kilpert überführte die globalisierungskritische Organisation Attac in einer von der Bundeszentrale für politische Bildung herausgegebenen Publikation unter dem Titel Antisemitismus von links der Judenfeindlichkeit, weil Attac den „Kampf gegen die neoliberale Globalisierung“ als untrennbar mit dem Kampf „für das politische Selbstbestimmungsrecht der Palästinenserinnen und Palästinenser“ verbunden habe. [[(5)
In einer demagogischen Überdehnung des Antisemitismusbegriffs übten sich vor einigen Monaten auch rund 170 Realos von der Linkspartei, die gegen die internationale Kampagne “Boykott, Divestment and Sanctions” (BDS) vorgingen. BDS fordert von der israelischen Regierung die Anerkennung und Exekutierung Internationalen Rechts und universeller Menschenrechte für die Palästinenser.
Der Aufruf zum wirtschaftlichen Boykott Israels schüre „antisemitische Vorurteile“ und „knüpft an die NS-Parole ,Kauft nicht bei Juden’ an“ – so werden in einem Begleittext einer von “antideutschen” und anderen Mitgliedern des rechten Flügels der Linken initiierten Unterschriftenaktion gegen BDS gleichzeitig Nazi-Verbrechen verharmlost und Judentum mit Israel gleichgesetzt. [[(6)
Signifikant für die größtenteils objektiv entstandene, teils aktiv geschmiedete “neue Front” ist nicht allein eine antiaufklärerische, die politische Realität vernebelnde Vergleichs- und Gleichsetzungspraxis (der sich ab und zu auch linke Israelkritiker bedienen). Ihr ideologischer Kitt sind auch Begriffsassoziationen, deren Quintessenz ein manichäisches Gleichungspaar bilden:
Judentum = Israel = westliche Zivilisation = Kapitalismus = War on Terror = das Gute und Islam = arabische Welt = Barbarei = Antikapitalismus = linke Friedensbewegung = das Böse.
Seine Anwender stehen in ständigem Wettstreit, wenn es um die originellste Wort- und Phrasenschöpfung geht, durch die Nazis mit Linken oder Linke mit Muslimen oder Nazis mit Muslimen identifiziert – oder alle drei in einen Topf geworfen werden. Politically Incorrect (PI), ein antiislamisches Internet-Portal, das den Republikanern und der Partei Bibeltreuer Christen nahesteht, spricht von einer „bolschewistischen Pest samt ihren Helfern und Muselkolonnen“.
Auf “israelsolidarischen” Blogs werden Traditionslinke als „Nationalbolschewisten“ oder „Internationalsozialisten“ bezeichnet, der Islam als „Umma-Sozialismus“ und Muslime als „Islamnazis“.
Der Herausgeber der “antideutschen” Zeitschrift konkret, Hermann Gremliza, findet, dass „guter und böser Islam keine Unterscheidung, sondern eine Unterstellung“ sei und die „islamistische Internationale die größte Gefahr ist, die den Siegern aller bisherigen Geschichte droht“. [[(7)
Hauptsache Holocaust
Ob es um die Apologie von Rassismus, Folter oder Kriegen geht – ein zentrales Ideologem der Allianz für die Zivilisationswahrung ist die moralische Rückbindung an Auschwitz. Der Zweierlei Holocaust-Autor Moshe Zuckermann betont, dass den vorwiegend jüdischen Opfern die welthistorische Mission des Agnus historiae mundi (lat.: Opferlamm der Weltgeschichte, in Anlehnung an Agnus Dei) objektiv zukäme. [[(8)
Dieser nicht zuletzt durch die Gigantomanie des Verbrechens wahrhaft begründete Status werde aber nicht nur aufklärerisch-emanzipativ rezipiert. Die Shoah werde auch hemmungslos vereinnahmt und instrumentalisiert. [[(9)
„Wer sich mit ihrer Legitimationsmacht und Rhetorik ausrüstet, dem ist nicht zu widerstehen“, bringt der Historiker Stefan Mächler das Problem auf den Punkt.
So sind Advokaten der „bedingungslosen Israelsolidarität“ stets bemüht, die Palästinenser als historische Nachfolger der SS darzustellen. PI bezeichnete die Palestinians in Europe Conference 2010 als „Wannseekonferenz 2.0“. Die Tatsache ignorierend, dass Auschwitz ohne einen Eroberungskrieg und militärische Besatzung nicht möglich gewesen wäre, zieht die “neue Front” mit Parolen wie „Pazifisten sind Mörder!“ oder „IDF in Ramallah – das ist die wahre Antifa!“ in die Propagandaschlacht.
Während des Irak-Krieges brachten die Antideutschen Kommunisten Berlin deutschlandweit Aufkleber in Umlauf, auf denen zu lesen war: „Sir Arthur Harris did the right thing. Mister Rumsfeld, proceed with his antifascist mission! Fight the axis of evil: Berlin – Bagdad” – genau wie die Urheber des “War on Terror” es vorgegeben hatten: George W. Bush ist nie müde geworden, sich mit Winston Churchill und die Kritiker seiner Kriege mit dem “Appeaser” Arthur Chamberlain zu vergleichen. Im Krieg gegen die “Achse des Bösen” und Islamisten gebe es nur eine Wahl: „Sieg oder Holocaust“, schrieben Richard Perle und David Frum 2003 in ihrem programmatischem Werk An End to Evil: How to Win the War on Terror. [[(10)
Ganz ihrer Meinung ist der Politikwissenschaftler Matthias Küntzel, ehemaliges Mitglied des Kommunistischen Bundes, heute “antideutscher” Neocon. Er durfte seine steilen Thesen über „Islamismus und Nationalsozialismus“ ebenso bei der Friedrich-Ebert-Stiftung vortragen wie beim American Enterprise Institute – einem 1943 von US-amerikanischen Unternehmern zum Zweck der Kommunismusbekämpfung und Abwehr staatlicher Regulierung der Wirtschaft gegründeten Think Tank.
Küntzel fand es nicht nur „richtig, den Iran und den Irak als ,Achse des Bösen’ zu denunzieren“. [[(11) Er meint auch, „etwas mit Auschwitz Vergleichbares“ könne sich wiederholen, wenn der „islamistischen Barbarei“ nicht Einhalt geboten werde, wie er in seinem Buch über den „neuen antijüdischen Krieg“ schreibt.
Brandgefährlich sei auch die internationale Linke und ihr „Nazi-kompatibler Anti-Imperialismus“, weiß Küntzel:
„Gut meinende und Völker romantisierende Antikapitalisten können Israel und der Sache der Emanzipation weitaus mehr schaden als bösartige, aber isolierte Faschisten.“ (…)
Neusprech – das Wort „Kapitalismus“ durch das Wort „Jude“ ersetzen
Einer “neuen Front” antiemanzipativer Kräfte, alter und Neuer Rechter, “antideutscher” und anderer Neokonservativer, ist es in Teilen gelungen, die Definitionsmacht über wesentlich die Matrix der politischen Kultur der westlichen Gesellschaften bildende Begriffe – wie Freiheit, Zivilisation, Frieden – in den öffentlichen Debatten zu erlangen. Das ist nur durch die dramatischen ökonomischen und geopolitischen Umwälzungen seit dem Zusammenbruch des real existierenden Sozialismus möglich.
Die totalitären Züge, die der Kapitalismus angenommen hat, zeitigen totalitäre Ideologien, zu deren Werkzeugen ein totalitäres Neusprech gehört. Eines seiner hervorstechendsten Merkmale ist die Verkehrung der Bedeutung von Begriffen in ihr Gegenteil:
Die „Hegemonie ultrarechter Neocons“ strebe nach einem politischen Diskurs, der die Gesellschaft dazu nötige, „das Wort ‚Demokratie’ zum Schlagwort für Terror, Folter und massive Beschneidung individueller und kollektiver Rechte verkommen zu lassen“, sagt die US-amerikanische Marxistin und Bürgerrechtlerin Angela Davis.
Um dieses rechte Neusprech wirklich zu verstehen, müsse das Wort „Demokratie“ durch „Kapitalismus“ ersetzt werden, meint Davis. „Dann ergibt es viel mehr Sinn“. [[(31)
Noch mehr Sinn ergibt es anders herum aus der Perspektive der neokonservativen Ideologieproduzenten, das Wort „Kapitalismus“ durch das Wort „Jude“ zu ersetzen. Antisemitismus-Vorwürfe werden immer häufiger erhoben, wenn die vermeintlichen Opfer des Judenhasses gar keine Juden sind – bevorzugt, wenn es sich um ökonomisch Privilegierte handelt, die von antikapitalistischen Linken oder auch nur von Gewerkschaftern wegen Lohndumpings oder unseriösen Finanzmarktgebarens kritisiert werden.
Der an der Bundeswehr-Universität in München lehrende Historiker Michael Wolffsohn, wie viele andere Neocons Angehöriger der Kriegs- und Folter-Lobby, kann keinen nennenswerten Unterschied erkennen zwischen Sozialdemokraten, die Kapitalisten als „Heuschrecken“ schmähen, und Nazis, die „Judenschweine“ rufen. [[(32) Stephan Grigat, Politikwissenschaftler, wirft der Antiglobalisierungsbewegung „Ressentiments gegen Spekulanten – Hass auf Israel“ vor. [[(33)
Der Welt-Journalist Frank Keil geißelte den Gebrauch des geflügelten Wortes, jemand würde „wie die Made im Speck leben“, durch Linke als „antisemitisches Ressentiment“. [[(34) Für die Redaktion der Zeitung Straßen aus Zucker, an der sich Lightversionen des Antideutschtums vertretende Gruppen wie Junge Linke beteiligen, ist der Beweis für „Antisemitismus in der Linken“ bereits erbracht, wenn die „negativen Auswirkungen der Globalisierung z.B. (nicht nur da) als eine Verschwörung von ,bösen Kapitalisten’ und ,imperialistischen Politikern’ gesehen“ werden. [[(35)
Derart stattliche Projektionsleistungen werfen die Frage auf, welche Klischees von Juden sich in der Vorstellungswelt der Urheber solcher Antisemitismus-Vorwürfe verfestigt haben und welche Absichten sie verfolgen: Denn sie greifen nicht etwa ein antisemitisches Vorurteil auf, um es zu entlarven und unschädlich zu machen – sie greifen es auf, um es zu pflegen und als Instrument der Legitimation des Kapitalismus einzusetzen:
Sie unterstellen der im Vorurteil enthaltenen falschen Behauptung „Juden = Kapitalisten“ in ihren “Analysen” einen Wahrheitsgehalt.
Danach neutralisieren diese Kritiker des „Antisemitismus in der Linken“ aber den pejorativen Gehalt des Ressentiments, indem sie auf die tatsächlich existierenden kriminellen Potenziale des Antisemitismus verweisen und an seine eliminatorische Kulmination erinnern. Beides interpretieren “antideutsche” und andere Ideologen als Auswuchs der “antikapitalistischen Revolte” der subalternen Klassen (genau wie es sich damals die NS-Propagandisten gewünscht hatten, in deren Neusprech das Wort „Faschismus“ durch das Wort „Sozialismus“ ersetzt worden war).
Durch das Festhalten am faulen Kern des antisemitischen Ressentiments, der Gleichsetzung „Juden = Kapitalisten“ in ihrer Argumentation, versuchen sie, jegliche Kritik an der herrschenden Produktionsweise zu diskreditieren. Um ihren Doktrinen politische Wirkmacht zu verleihen, perpetuieren sie ihr um- und wiederaufgerüstetes Vorurteil.
Ausgestattet mit der neuen Triebkraft kann es nicht nur als Waffe gegen Kommunisten und andere Kapitalismuskritiker, sondern auch wieder gegen seine ursprünglichen Objekte gerichtet werden.
Der Autor Ulrich Enderwitz spricht von einem „entscheidenden Tabubruch“, den diese vermeintlichen Antiantisemiten begehen:
Indem sie „das Spiel des Antisemitismus mitspielen, ihm die Wahl der Waffen überlassen, auf seinem eigenen Grund und Boden gegen ihn antreten, dem bösen Juden, den er als Popanz, hinter dem sich die wirklichen Konflikte verbergen lassen, hochhält, den guten Juden, der den Popanz aus dem Feld schlagen soll, entgegensetzen, verstricken sie sich in das antisemitische Wahnsystem und verraten zugleich die Opfer des faschistischen Antisemitismus.“ [[(36)
Kritische Juden zum Schweigen bringen
Für diesen Verrat steht die “neue Front” in Europa. Wo Juden nicht als Individuen (an)erkannt, sondern nur noch Chiffre, Abstraktion – „Kapitalist“, „Zionist“ – sind, ist das Armageddon der Christian Rights mit ihren „wahren Juden“ und „jüdischen Lügnern“ nicht weit.
Juden, die sich nicht ins Prokrustesbett der „bedingungslosen Solidarität mit Israel und seiner Schutzmacht USA“ pressen lassen wollen und sich einer Konversion zum Zionismus verweigern, hintertreiben nicht nur die Ideologieproduktion für westlichen Neoimperialismus.
Da Juden mit ihrer Verfolgungsgeschichte mittlerweile als ein Hauptargument für den Kapitalismus herhalten müssen, verfügen jene, die durch abweichendes, gar oppositionelles Verhalten auffallen, über Potenziale, das gesamte Ideologiegebäude der “neuen Front” zum Einsturz zu bringen. Folglich müssen jüdische Linke zumindest mit Diffamierungen, manchmal auch Drohungen rechnen – allemal mit Antisemitismus-Vorwürfen.
Damit werde versucht, „kritische Juden zu disziplinieren und zum Schweigen zu bringen“, sagt der Soziologe Michal Bodemann. Heute „wird unter jedem Stein nach Antisemiten gesucht wie einst in den USA der Fünfzigerjahre unter McCarthy nach Kommunisten“. [[(37) Zu den gründlichsten Suchern gehören zweifellos die deutschen: Hermann Gremliza, der den Begriff “Shoah” (hebr.: Katastrophe) gern verwendet – offenbar ohne seine Bedeutung zu kennen –, lässt die Redaktion seiner Zeitschrift konkret Moshe Zuckermann, Gegner von Israels Besatzungspolitik, beschuldigen, dieser habe „Auschwitz relativiert“, indem er es als „Katastrophe“ bezeichnet habe. [[(38)
Nicht nur das: Zuckermann „nimmt den Antisemiten die Arbeit ab“, so konkret. [[(39) Wer sonst sollte verantwortlich sein für den Antisemitismus, wenn nicht israelische Juden, die ihre Regierung kritisieren?
Auch für den Politikwissenschaftler und Jungle-World-Autor Jörg Rensmann ist diese Frage längst geklärt. Denn er hat ermittelt, dass nach jedem Auftritt von linken Juden wie Zuckermann, Felicia Langer, Uri Avnery „ein signifikantes Ansteigen von antisemitischen Droh- und Hetzbriefen an jüdische Gemeinden in Deutschland festzustellen ist“. [[(40)
Von dem Denunzianten-Netzwerk Israel-Academia-Monitor wurde Anfang des Jahres ein Schreiben an den Dekan von Zuckermanns Fakultät veröffentlicht, das von Clemens Heni verfasst wurde – dem pflichteifrigsten Melder von jüdischen Verstößen gegen die Gebote der Israel-Solidarität:
„Zuckermann hat den deutschen Antisemitismus sehr unterstützt“, indem er für die junge Welt, eine „ehemalige Tageszeitung der DDR“ schreibe, die nicht nur ein „Feind des jüdischen Staates“, sondern auch für den „Jihad“ und „antiwestlich“ sei, berichtete der „Experte für deutschen Antisemitismus und Antizionismus, inklusive der Arbeit von Prof. Moshe Zuckermann“, wie Heni sich nennt. [[(41)
Henis ausgeprägter Jagdtrieb hat sogar potenzielle Verbündete aus dem proisraelischen Lager nachdenklich gestimmt: Mit Freunden wie Heni bräuchten all diejenigen, die den real existierenden Antisemitismus bekämpften, keine Feinde mehr, schrieb der Journalist Alan Posener auf der Achse des Guten, bevor Henryk M. Broder ihn geschasst hat. „Was der Arier mit dem übergroßen Antisemitenriecher da überkompensiert, will man gar nicht erst wissen.“ [[(42)
ganzen Artikel lesen:
→ „Sieg oder Holocaust“, Hintergrund 12.07.2011
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