T unis (AIK/PCOT) – Mehrere Tausend Menschen haben am ersten Parteitag der Kommunistischen Arbeiterpartei Tunesiens (PCOT) im grossen Sportpalast von Tunis nach Jahrzehnten im Untergrund teilgenommen. Der Kongress sollte vor allem Stärke zeigen und der Gesellschaft signalisieren, dass die PCOT eine relevante politische Wahl ist – und das Zeichen fiel deutlich erfolgreich aus.
Es stellt sich jedoch auch die Frage, ob der Geist der Einheit, der sich zeigte, nicht auch zu einem Problem werden könnte, wenn es darum geht, breite Zustimmung zu gewinnen.
Dass die Revolution sich einer überwältigenden Unterstützung in der Bevölkerung erfreut und dass es eine deutliche Mehrheit für die Einberufung einer verfassungsgebenden Versammlung gibt, ist unbestreitbar; das gilt jedoch nicht für den Kommunismus oder gar für die Version des Kommunismus, welche die PCOT vertritt. Es ist kein Zufall, dass einige Mitglieder vorschlugen, den Namen der PCOT in „Arbeiterpartei“ zu ändern.
Nach einem Kulturprogramm, das nicht nur das kommunistische Erbe betonte, sondern u.a. die Unterstützung für die palästinensische Sache bekräftigte, hielt der bekannte Parteivorsitzende Hamma Hammami, der unter der Diktatur von Ben Ali im Gefängnis gesessen hatte, das Hauptreferat über die wichtigsten Brennpunkte in Tunesien heute:
Er betonte, dass die Forderungen der demokratischen Revolution nicht ohne eine soziale, antizionistische und antiimperialistische Revolution erfüllt werden können. Die Bewegung hätte sich tatsächlich in diese Richtung bewegt und es sei kein Zufall, dass die Bergarbeiter den Anstoß für den Sturz von Ben Ali gaben.
Hammami erinnerte jedoch auch daran, dass die alten Eliten noch immer das Regime kontrollieren und dass sich das alte System kaum verändert hat, was seine gesellschaftliche Struktur betrifft. Die Armen sind weiter arm.
Das Regime sei in Wirklichkeit konterrevolutionär, so Hammami; es versuche, die Revolution mit allen Mitteln aufzuhalten.
Die provisorische Regierung zögere beispielsweise, Wahlen für die verfassungsgebende Versammlung vorzubereiten und hintertreibe die Vorbereitungen insgeheim. Hammami rief die Mitgliedschaft und die Anhänger der Partei an dieser Stelle auf, sich in die Wählerverzeichnisse eintragen zu lassen und mitzuhelfen, die Versammlung in eine revolutionäre zu verwandeln.
Das wirft einige Fragen auf: Die Eintragungsfrist soll Anfang August enden, doch bisher hat sich nur ein kleiner Teil der Bevölkerung einschreiben lassen. Natürlich wird man bei Vorlage eines Ausweises auch ohne Eintragung wählen können, so wie dies sowohl die PCOT als auch Ennahda fordern, doch das Regime wird die geringe Zahl der eingetragenen Wähler dazu benutzen, die verfassungsgebende Versammlung zu delegitimieren.
Manche glauben, dass das Regime sogar versuchen wird, die Wahlen auszusetzen. In dieser Lage ist es schon ein Akt zur Fortsetzung der Revolution, wenn die Wahlen stattfinden und die Beteiligung hoch ist.
Um dies zu erreichen, scheint eine Zusammenarbeit mit den islamischen Kräften nötig, die ebenfalls die Versammlung befürworten.
Hammami verteidigte in seiner Rede zwar Ennahda gegen die Anschuldigungen des Regimes, dass sie für gewalttätige Zwischenfälle verantwortlich wären, doch gleichzeitig griff er sie in der Frage des islamischen Staates und der Scharia scharf an.
Angesichts der Tatsache, dass Ennahda einen demokratischen Staat und damit die Souveränität des Volkes bei der Gesetzgebung akzeptiert, erscheint dieser Angriff als Widerspiegelung antireligiöser Vorstellungen, die offenbar auch an der Basis der PCOT sehr stark sind, heute allerdings dem alten Regime in die Hände spielen, das sich nach wie vor als Hüter eines nicht-religiösen Staatswesen gebärdet.
Die grösste Gefahr für die verfassungsgebende Versammlung und für die Revolution ist aber gerade dieser anti-religiöse Block, der womöglich die Wahlen aussetzen könnte – man denke an das Beispiel Algerien.
Hammami schloss mit einer Verurteilung der NATO-Intervention in Libyen und mit der grundsätzlichen Ablehnung eines imperialistischen Eingreifens, auch wenn es durch arabische Regimes gedeckt sei, und er wiederholte die Unterstützung für die Befreiung Palästinas vom Zionismus.