A ls bereits Anfang Mai der Parteivorstand der sog. Linkspartei seine Erklärung zu “Antisemitismus” und “Rechtsextremismus” veröffentlichte, schrieb Die Rote Fahne: „Nun mag man über Sinn und Zweck von Warenboykott streiten. Der eigentliche Skandal an der Erklärung ist ein anderer.
Mit dieser skandalösen Erklärung ist die Partei “DIE LINKE” jetzt auch offiziell eine andere. Es gab eine Partei vor dieser Erklärung und jetzt eine neue Zeitrechnung danach.
Die Gleichsetzung von Kritik an Israel mit “Antisemitismus” ist eine ungeheuerliche Demagogie in der Propaganda des Zionismus und des NATO-Imperiums.“ [1]
Der neuerliche Beschluss von Teilen der Bundestagsfraktion der “Linken” knüpft nahtlos an die erste Erklärung an, fällt in seiner Diktion sogar noch schärfer aus.
Aber worum geht es den Initiatoren dabei eigentlich wirklich?
Die mit diesem Vorgang verbundene politische Zäsur besteht nicht nur im für Sozialisten völlig inakzeptablen Inhalt der Erklärung, sondern darüber hinaus auch in der Art und Weise ihres Zustandekommens. Erstmals seit 1989/90, seit den Tagen des Neuaufbruchs der Partei, inszenieren prominente Parteifunktionäre zur Durchsetzung ihrer Forderungen die Drohkulisse einer möglichen Spaltung der Partei.
Diese neue Qualität in der politischen Auseinandersetzung hat nun Wunden geschlagen und Gräben vertieft, von welchen sich die Partei kaum wieder erholen dürfte. Das Desaster ist komplett, die Auswirkungen werden künftig erst so richtig zum tragen kommen.
Erhält dann noch der rechtslastige Berliner Landesverband, dessen Landesvorsitzender Klaus Lederer ein bekennender Zionist ist [2], bei den Wahlen zum Berliner Abgeordnetenhaus im September einen weiteren Denkzettel, wird der Parteivorstand wohl verstärkt versuchen, die innerparteiliche Debatte zum Thema zu unterdrücken.
Während bereits in der Vergangenheit versucht wurde den Themenkomplex Zionismus/Israel und den Freiheitskampf Palästinas unter dem Teppich zu halten – trotz pro-zionistischer Äusserungen und Aktivitäten aus den eigenen Reihen, bspw. BAK-Shalom etc. – formiert sich diesmal innerparteilicher Widerstand gegen die jüngste antisozialistische und nicht zuletzt diffamierende Erklärung. [3]
Kommen wir auf die Begriffe “Antisemitismus” und “Rechtsextremismus” zu sprechen, die ja in der Debatte zentrale Rollen spielen und in einem “antifaschistischen” Bezugsrahmen Anwendung finden.
Diese Begriffe werden (wie viele andere auch) von teilweise diametral sich entgegen stehenden politischen Lagern und Ideologien in völlig unterschiedlicher Weise in Stellung gebracht.
Führt nicht das US-geführte Imperium Kriege im Namen der Demokratie und der Menschenrechte? Diese vermeintlichen “Demokraten” wenden den Begriff “Rechtsextremismus” natürlich nicht auf sich selbst an – “Rechtsextremisten” oder “Extremisten” generell sind grundsätzlich immer nur die Anderen.
Seien es Despoten in anderen Ländern, die es im Namen der “Freiheit” zu eliminieren (und dabei diese Länder zu besetzen) gilt oder auch “Extremisten” im eigenen Lande, die das herrschende System in Frage stellen und somit “Feinde” der “westlichen Werte” oder wahlweise auch der “freiheitlich demokratischen Grundordnung” und dergleichen mehr sind.
Nach Lesart der Herrschenden sind Guantánamo und andere Folterlager, Kriege, die Bombardierung von Dörfern und Städten, Massaker, Massenmord und gezielte Tötungen, Waffenexporte, Apartheidspolitik, die Ausplünderung fremder Rohstoffe und sonstige imperialistische Verbrechen natürlich nicht “rechtsextrem”.
Kann ja auch gar nicht, wenn diese Verbrechen gegen Humanismus und Völkerrecht von Parteien zu verantworten sind, die sich “demokratisch”, “sozial”, “grün” oder sonstwie an den Werten der Aufklärung orientiert nennen.
Das sagen ja schon die Parteinahmen, dass das keine Rechtsextremisten sein können. Oder?
Wir sehen also, dass der Begriff “Rechtsextremismus” als auch dessen Negation uns solange keinerlei Auskunft über den tatsächlichen politischen Gehalt von Subjekten gibt, bis wir uns die konkreten Taten der entsprechenden Akteure genauer ansehen und werten.
Die Begriffe “Antisemit” und “Antisemitismus” – die synonym für Judenfeindlichkeit stehen – bilden so etwas wie die 44er Magnum im politischen Diskurs. Wer diese als erster zieht und abfeuert hat gewonnen. Getroffene stehen danach kaum wieder auf.
Diese Waffe ist so durchschlagsstark, dass man mit ihr sogar echte Semiten, strenggläubige, religiöse Juden und jüdischstämmige Intellektuelle anstandslos umnieten kann. Dieses Prädikat macht sie zum bevorzugten Kampfgerät der nationalistischen und rassistischen Ideologie des Zionismus.
Rufen wir uns etwas in Erinnerung: Im Juli 2010 erklärte Gregor Gysi im ARD-Sommerinterview, dass “Die Linke” keinen Austritt Deutschlands aus der NATO anstrebe.
Und laut Wikileaks-Dokumenten sagte Gysi bereits in 2009 gegenüber dem US-Botschafter Philip Murphy,
die Forderung der Linken nach Abschaffung der NATO sei in Wirklichkeit ein Weg, den gefährlicheren Ruf nach einem Rückzug Deutschlands aus dem Bündnis zu verhindern.
Denn für eine Auflösung der NATO sei ja die Zustimmung der USA, Frankreichs und Grossbritanniens nötig. Und das sei unrealistisch.
Nun schliesst sich der Kreis, macht besagte Erklärung Sinn. Denn um welchen “Antisemitismus” und “Rechtsextremismus” geht es hier?
Die Erklärung führt ja zu einem konkreten politischen Ergebnis. Diese diskreditiert nämlich jeden politischen Ansatz in der Nahostfrage (und versucht darüber hinaus sogar solche zu verbieten), welche jenseits der offiziellen NATO-Linie, also des US-”Friedensprozesses” und jener “Zwei-Staaten-Lösung” liegen, von denen wir ja aus jahrzehntelanger Erfahrung wissen, dass diese allein dem Hinhalten der Palästinenser und der Weltöffentlichkeit dienen.
Die Erklärung bewegt sich deckungsgleich auf jener Propaganda eines US-Präsidenten Obama und seiner Vorgänger, ebenso wie des zionistischen Regimes in Palästina, die, während sie von “Frieden” sprechen, im selben Atemzug mit ethnischen Säuberungen, mit Massenmord, Vertreibung und Landraub fortfahren.
Alles, was dieser Propaganda, Strategie und Politik nicht folgt, Widerstand und neue Ansätze formuliert, ist in der Logik der NATO, des Zionismus und eben auch der von Gysi und seiner Truppe durchgedrückten Erklärung “Antisemitismus” und “Rechtsextremismus”.
Die Intention wird deutlich; der Prozess, die Partei auf NATO-Linie zu bringen, soll in seine finale Phase eintreten. Schafft es die Gysi-Truppe, einen mehrheitlichen Konsens in der Partei für diese politischen Positionen zu formieren, kann die Transformation zu einer weiteren Partei der imperialen Rechten (= Kartell der bürgerlichen Parteien pro imperiale NATO/USA/EU) als weitestgehend abgeschlossen betrachtet werden.
Denn wer die NATO-Logik bzw. NATO-Begriffsdefinition von “Antisemitismus” und “Rechtsextremismus” bedient, wird in letzter Konsequenz im vermeintlichen “antifaschistischen Widerstand” gegen eben jenen “Antisemitismus” und “Rechtsextremismus” früher oder später auch dem Einsatz militärischer Gewalt, also von Krieg zustimmen müssen.
Ich kann nur eindringlich an die verschiedenen Strömungen mit linkem, sozialistischem Selbstverständnis appellieren, nunmehr die Zeichen der Zeit zu erkennen und jenseits aller nachrangigen Differenzen um neue Geschlossenheit zu ringen.
In dem Maße, wie künftig der Diskurs eskalieren wird, werden die rechten Kreise in der Partei versuchen, sich der Sozialisten zu entledigen und somit die Partei (inklusive aller Ressourcen und Vermögenswerte) vollends zu übernehmen.
Gleichwohl ist ein offensives – politisches, argumentatives – Auftreten gegen die rechten Bestrebungen angezeigt. Diese Auseinandersetzung kann aber nur gewonnen werden, wenn dies koordiniert und ebenso professionell geschieht, wie der politische Gegner zu operieren in der Lage ist.
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