A m heutigen Samstag sprach auf einer Veranstaltung in Berlin der niederländische Rechtspolitiker Geert Wilders, Gründer der niederländischen “Partei für die Freiheit” (PVV) und bei der Parlamentswahl im Juni zur drittstärksten Kraft in den Niederlanden aufgestiegen.
Eingeladen hatte ihn der frühere Berliner CDU-Politiker René Stadtkewitz. Dieser war u.a. wegen seiner Kontakte zu Wilders aus der Berliner CDU-Fraktion ausgeschlossen worden und kündigte daraufhin die Gründung seiner eigenen Partei “Die Freiheit” an. Zu deren erklärten Zielen gehört, ebenso wie auf der politischen Agenda Geert Wilders, der Kampf gegen die Ausbreitung der islamischen Religion.
Sowohl bei dieser, als auch ähnlich gelagerten neuen Rechtsparteien bzw. -Projekten ist allerdings nicht ganz ersichtlich, inwieweit sich der Kampf gegen den Islam mit der deutschen und europäischen Migrations- bzw. Überfremdungsproblematik, die ja übrigens keineswegs auf Einwanderer aus Ländern islamischer Kulturkreise beschränkt ist, vermengt oder überlagert. In Ermangelung politischer Ratio bei dieser neuen Rechten vermischen sich verschiedene Ebenen und Aspekte der internationalen Entwicklung, so dass sich im Ergebnis ein höchst widersprüchlicher Diskurs offenbart.
Bei genauerem Hinsehen im Falle der rechten Strömung um Geert Wilders wird deutlich, dass hier zwar vorgeblich und plakativ das Migrationsproblem aufgegriffen wird, dabei jedoch globale Zusammenhänge vernebelt werden sollen.
Der Veranstaltungsort, das “Hotel Berlin” im Stadtteil Tiergarten, war aus Sicherheitsgründen erst am Morgen bekannt gegeben worden. Das “Bündnis Rechtspopulismus stoppen” protestierte in der Nähe des Hotels gegen Wilders’ Auftritt. Allerdings fiel die Beteiligung mit Rund 60 Personen eher mager aus, wohingegen Widers vor ausverkauftem Haus sprach.
Auf Transparenten der Demonstranten war unter anderem zu lesen „Sofortige Auflösung aller faschistischen und rassistischen Organisationen“ sowie „Berlin gegen Nazis – Blockieren ist unser Recht“.
Gegen Nazis? Da sagt doch jeder gerne “da simma dabei”. Aber schauen wir uns dies einmal genauer an.
Das “Bündnis Rechtspopulismus stoppen” wird maßgeblich organisiert durch SPD, Grüne und SED/PDS/Linke. Also jenen Parteien, die (neben den übrigen bürgerlichen Parteien) imperiale Mythen und Politik repräsentieren.
siehe auch:
→ Imperiale Mythen und die Erneuerung sozialistischer Politik
Bereits hier sollte man stutzig werden; Denn Geert Wilders und ähnlich verortete Rechte teilen in zentralen Punkten Positionen der imperialen Rechten (= die bürgerlichen Parteien der NATO/Imperium). Es sind dies vor allem:
Pro- kapitalistische Wirtschaftsordnung, imperiale „Globalisierung“, NATO, Zionismus und Israel, Demokratie- und Sozialabbau, Umverteilung von unten nach oben etc.
Allein in dem Punkt Islam / Islamisierung Europas nimmt Wilders und diese Abteilung einer neuen Rechten eine deutlich andere Haltung ein – so scheint es jedenfalls. Von diesem Punkt abgesehen, handelt es sich um nichts anderes, als eine Fraktion innerhalb der imperialen Rechten.
Der Publizist Jürgen Elsässer schrieb gestern auf seinem Blog:
„Doch die Richtung, für die Wilders steht, würde Deutschland aus der indirekten Unterordnung unter die USA, die über das Subsystem Europäische Union vermittelt wird, in eine direkte Unterordnung führen. Wilders will eine „weltweite Allianz gegen den Islam“ bilden – das ist dasselbe, was die US-Neocons wollen. Stadtkewitz Adjutant Aaron König wurde aus der Piratenpartei ausgeschlossen, weil er für eine Bombardierung des Iran eintrat – das ist ebenfalls dasselbe, was die US-Neocons wollen. Um das Maß voll zu machen, wird auf der morgigen Wilders-Veranstaltung in Berlin auch ein Sprecher der Likud-Jugend aufzutreten – Likud ist die mächtigste rechtsradikalste Kraft in Israel, die im Zusammenspiel mit den Neocons den Krieg gegen die islamische Welt vorantreibt. Würden diese Kräfte eine Partei bilden können, wäre dies nichts weiter als eine 5. Kolonne der aggressivsten Kräfte des globalen Finanzkapitals.“
Es ist also höchst verwunderlich, warum der Mainstream ausgerechnet in Bezug auf diese, seine eigene Fraktion, mit der propagandistischen Nazi-Keule reagiert und sogar die Einschränkung demokratischer Freiheiten bis hin zum Betätigungs- und Parteiverbot durch ein inszeniertes, pseudolinkes Bündnis fordern lässt.
Unter den Bedingungen der heutigen imperialen Entwicklung kommt den bürgerlichen Parteien und Parlamenten nur noch die Aufgabe zu, den Nationalstaat als regionale Sektion des Imperiums zu verwalten und dessen normative Funktion innerhalb des imperialen Gefüges sicher zu stellen.
Hierbei funktionieren die bürgerlichen Parteien als Dienstleister, als Unternehmen, die sich um die Ausbildung der Kaste der staatlichen Funktionäre kümmern und entsprechende Infrastrukturen aufbauen und zur Verfügung stellen.
Ganz im kapitalistischen Sinne wird diese Dienstleistung als Ware angeboten. Und als Produzenten und Makler dieser Dienstleistung treten die bürgerlichen Parteien in marktgerechte Konkurrenz zueinander.
Diese Konkurrenz bezieht sich wohl gemerkt nicht auf grundsätzliche philosophische Orientierungen und politische Inhalte jenseits der Systemvorgaben, sondern lediglich auf die Arbeitsqualität in Bezug auf die Verwaltung des ehemals souveränen Staates.
Das Kapital und seine Medien unterstützen im Hinblick auf Wahlen verstärkt stets jene dieser Dienstleister, die in der jeweiligen historischen Situation am geeignetsten erscheinen, gesellschaftlichen Unmut und Widerstandspotenzial zu kanalisieren.
Oder auch um tiefgreifende Paradigmenwechsel im gesellschaftlichen Bewusstsein herbeizuführen; Die Einbindung der BRD in die neue imperiale NATO-Strategie mit deutscher militärischer Teilnahme an Kriegen bspw. konnte ab Ende der 1990er Jahre nur durchgesetzt werden, indem dies durch eine Koalition aus Sozialdemokraten und “Grünen” präsentiert und umgesetzt wurde. Unter einer “konservativen” Regierung unter Kanzler Helmut Kohl (CDU) wäre dies noch undenkbar gewesen, weil hier das Assoziationsmuster – der Gegen-Mythos – rechtskonservativ = Kriegstreiber als Reflex der gesellschaftlichen Rezeption gegriffen hätte.
Diese neue Rechte, Marke Geert Wilders, stellt lediglich einen neuen Mitbewerber im bürgerlichen Parteien-Dienstleistungsmarkt dar. Das marketingtechnische Alleinstellungsmerkmal bildet der „Kampf gegen den Islam“. Hierbei werden jedoch nicht die Migrationsströme nach Europa als imperiale Strategie zur Destabilisierung traditioneller Kulturnationen und republikanischer Nationalstaaten problematisiert, sondern ein trivialer Kultur- bzw. Religionskampf – eine reine Ablenkungsdebatte jenseits der realen Ursachen und Verhältnisse – inszeniert.
Aufhorchen lassen sollte auch, dass die imperiale Rechte wiederholt offen die Einschränkung freier politischer Betätigung propagieren lässt. Losungen wie „Blockieren ist unser Recht“ sind keine demokratischen und sozialistischen. Demokratie bedeutet unzensierte politische Meinungsäusserung und Betätigung – auch und gerade des politischen Gegners.
Was wir heute erneut beobachten konnten ist, wie die imperiale Rechte auf perfide Weise versucht, demokratische Parameter unter Missbrauch eines antifaschistischen Bezugsrahmens zu verändern. Ein Mob, der politische Gegner an der Ausübung demokratischer Grundrechte zu hindern sucht, erinnert an dunkle historische Kapitel.
Dass die imperiale Rechte eine konkurrierende Fraktion denunziert und im gleichen Atemzug die Gelegenheit nutzt, imperiale Repression salonfähig zu machen, macht ihrer inneren Logik entsprechend noch in gewisser Weise Sinn.
Eher schon absurd ist es jedoch, wenn Protagonisten mit sozialistischem Selbstverständnis die „sofortige Auflösung aller faschistischen und rassistischen Organisationen“ fordern. Denn – mal ganz abgesehen davon, wer darüber entscheiden soll, was faschistisch und rassistisch ist – diese Forderung richten sie ja an die Staatsmacht des Klassengegners, dem sie somit die Autorität und Instrumentarien politischer Repression an die Hand geben wollen.
Als Sozialisten bekämpfen wir politisch sowohl die imperiale, als auch die nationale Rechte. Aber wir ringen dabei auf demokratischem Wege um Mehrheiten. Hugo Chávez und das ihn tragende sozialistische Bündnis in Venezuela wären schon lange nicht mehr an der Macht, würden sie nicht Grundwerte sozialistischer Demokratie einhalten und sich regelmäßig freien Wahlen stellen.
Aber kommen wir zurück zur rechten Strömung um Geert Wilders und zentrale ihrer politischen Positionen. Dazu war von Wilders heute einiges zu erfahren, Auszüge aus seiner Berliner Rede:
„Heute geht ein anderes Gespenst in Europa um. Es ist das Gespenst des Islam. Diese Gefahr ist ebenfalls politisch. Der Islam ist nicht bloß eine Religion, wie viele zu glauben scheinen: Der Islam ist vor allem eine politische Ideologie. [...]
Bevor ich fortfahre und um jedes Missverständnis zu vermeiden, möchte ich betonen, dass ich über den Islam spreche, nicht über Muslime. Ich mache immer einen klaren Unterschied zwischen den Menschen und der Ideologie, zwischen Muslimen und dem Islam. Es gibt viele moderate Muslime, aber die politische Ideologie des Islam ist nicht moderat und hat globale Ambitionen. Sie beabsichtigt, der ganzen Welt das islamische Gesetz, die Scharia, aufzuzwingen. Dies soll durch den Dschihad erreicht werden. Die gute Nachricht ist, dass Millionen von Moslems auf der Welt – darunter viele in Deutschland und den Niederlanden – den Vorgaben der Scharia nicht folgen, geschweige denn, sich im Dschihad engagieren. Die schlechte Nachricht ist jedoch, dass diejenigen, die das tun, bereit sind, alle verfügbaren Mittel zur Erreichung ihres ideologischen, revolutionären Zieles einzusetzen.“
Über die politischen Dimensionen des Islam mag man streiten, Wilders versucht hier jedoch den Islam als zentral gesteuerte ideologische und imperialistische Bewegung zu charakterisieren. Der Demagoge negiert völlig die unterschiedlichen Kulturen und Strukturen, sowie divergierende konfessionelle Interpretationen und soziale Verhältnisse in den verschiedenen Ländern Asiens. Wilders projiziert somit einen Popanz auf die Weltbühne, der in dieser monolithischen Form keineswegs existent ist.
In anderen Passagen lässt Geert Wilders die eigentliche Katze aus dem Sack:
„Sie (Linke allgemein) pflegten zu behaupten, westlicher „Imperialismus“ wäre genauso übel wie sowjetischer Imperialismus; heute nun behaupten sie, westlicher „Imperialismus“ sei genauso übel wie islamischer Terrorismus. [...]
In meiner Rede nahe Ground Zero in New York am 11. September habe ich betont, dass wir dem Spielchen der Schuldzuweisung an den Westen, an Amerika, das die islamischen Sprecher mit uns spielen, Einhalt gebieten müssen.
Zunächst einmal ist die westliche Zivilisation die freieste und die florierendste auf Erden. [...] In dieser Beziehung können wir von Amerika, der freiesten Nation der Erde, etwas lernen. [...]
Es liegt in Ihrer (der deutschen) Verantwortung, an der Seite derer zu stehen, die durch den Islam bedroht sind, wie der Staat Israel und Ihre jüdischen Landsleute.“
Diese Äusserungen sind Ideologie des NATO-Imperiums in Reinkultur. Spätestens jetzt also wissen wir, mit wem wir es bei dieser rechten Strömung zu tun haben.
Ganz nebenbei ist Wilders auch die Gleichsetzung von Judentum und Zionismus – zwei Dinge, die sich kategorisch ausschliessen – offenbar ein Anliegen.
siehe zum Thema Zionismus:
→ DOSSIER: Palästina / Zionismus
Und weiter führt der Niederländer aus und rundet das Bild somit ab:
„Wir sind nicht wie Frau Merkel. Wir akzeptieren die Islamisierung nicht als unabwendbar. Wir müssen die Freiheit erhalten. Und, soweit wir diese schon eingebüsst haben, müssen wir sie im Rahmen unserer demokratischen Wahlen zurückerlangen. Deshalb brauchen wir neue politische Parteien, die die Freiheit verteidigen. Um solche Parteien zu unterstützen, habe ich die International Freedom Alliance gegründet.“
Bilanzieren wir:
Es gibt in Deutschland und Europa einen wachsenden Widerstand, zumindest einen wachsenden Diskurs um die internationale Entwicklung der vergangenen Jahrzehnte. Dieser Diskurs thematisiert namentlich die Entwicklung des westlichen Imperiums unter Führung der USA und die fatalen Folgen der kapitalistischen sog. “Globalisierung” in Bezug auf demokratische und soziale Rechte weltweit.
Teil der gesellschaftlichen Debatte ist hierbei auch, vor allem in den Ländern Europas, die Problematik von Zuwanderung und Überfremdung, von kulturellem Selbstbestimmungsrecht und nationaler Souveränität.
Das Imperium, respektive das international organisierte Kapital, die imperiale Oligarchie verfolgt mit ihrer Politik der Migrationsströme nach Deutschland und Europa im Wesentlichen zwei Ziele: Zum Einen sollen billige Arbeitskräfte vor Ort zur Verfügung stehen, die man ansonsten nur in ferneren Regionen des Globus, und somit zu höheren Kosten, für Produktion und Dienstleistungen ausbeuten könnte. Gleichzeitig werden dadurch die hiesigen Löhne gedrückt und tarifliche Vereinbarungen und Standards unterlaufen.
Dieser Strategie ist auch mit sozialistischer und gewerkschaftlicher Gegenwehr, bspw. der Forderung nach einem gesetzlichen Mindestlohn, nur schwer zu begegnen, da grosse Teile dieser ausländischen Arbeitskräfte in Schattenwirtschaften angesiedelt werden, die sich den offiziellen Rechtsnormen entziehen.
Des Weiteren wird durch die Migrationsströme und Zuwanderungsproblematik massiv Einfluss auf die Integrität nationaler kultureller Strukturen ausgeübt. Das kulturelle Selbstbestimmungsrecht der angestammten Bevölkerung wird auf regionaler Ebene heute bereits in zahlreichen deutschen und europäischen Zentren zunehmend in Frage gestellt.
Warum durch eine systematische, massive Einwanderungspolitik, wie dies die Mainstream-Parteien der imperialen Rechten forcieren, diese Entwicklung noch eskaliert werden soll, erschliesst sich nur denjenigen, die sich eingehender mit den Strategien des Imperiums und der “Neuen Weltordnung” (NWO – New World Order) beschäftigen.
Nationalstaat als historisches Subjekt und Republik als emanzipatorische Errungenschaft, damit korrespondierend gewachsene kulturelle Strukturen ebenso wie nationale Rechtsnormen, bilden für das Imperium Hemmnisse bei der Durchsetzung des globalen Marktes, geopolitischer und geostrategischer Machtstrukturen – der Realisierung des “One World Capitalism” unter der imperialen Diktatur.
In diesem Kontext ist dem Imperialismus der “Neuen Weltordnung” all das von Nutzen, was die bestehenden nationalen Strukturen – Rechtsnormen, Ökonomie und Kultur, letztlich auch territoriale Integrität, – zu schwächen vermag und zu deren Desintegration beiträgt.
Geert Wilders behauptet nun, „wir sind nicht wie Frau Merkel“. Das einzige jedoch, was ihn von Merkel unterscheidet, ist seine vorgebliche Haltung zur Migrationspolitik.
Wilders und seine rechte Strömung tritt genau just auf den Plan, als sich der gesellschaftliche Diskurs zu entwickeln beginnt. Dabei wirkt er jedoch als Placebo, indem er von Ursachen, von Verantwortlichen und der imperialen Entwicklung, vom der durch ihn so skizzierten vermeintlichen „Amerika, der freiesten Nation der Erde“ ablenkt. Man mag spekulieren, ob Wilders eher ein ideologisch motivierter Überzeugungstäter ist, der sich lediglich seinen Platz auf dem bürgerlichen Parteien-Dienstleistungsmarkt sucht, oder aber eher ein bewusst agierender imperialer Desinformant – das Ergebnis bleibt sich gleich.
Wir haben es mit einer spektakulären wie ausgefeilten Inszenierung zu tun: Eine rechte Strömung, die vorgibt zum Mainstream in Opposition zu stehen, letztlich jedoch zielsicher in den Schoß des Imperiums führt – und auf der anderen Seite – es lebe das klassische Drama! – eine ebenfalls inszenierte Pseudolinke als Konterpart.
Applaus! Der Vorhang hebt sich. The show must go on …