N un wurde er also im März der Öffentlichkeit vorgestellt, der lang erwartete “1. Entwurf für ein Programm der Partei DIE LINKE (Entwurf der Programmkommission)”. Offenbar hat es 18 Jahre gedauert, um aus zentralen Aussagen des von mir verfassten → Berliner Manifests der KPD (Initiative) von 1992 ein neues Dokument zu entwickeln.
Zu meinem Bedauern hält sich der Linkspartei-Entwurf in einigen Punkten nicht an die Vorlage, lässt wichtige Themen der Epoche bzw. Aspekte oder konsequente Schlussfolgerungen gleich ganz aus und fügt andere mit zweifelhaftem bis reaktionärem Inhalt hinzu.
Dies mag ein Grund dafür sein, dass man sich zwar seines Werks bedient, den Autor selbst dabei aber geflissentlich unter den Tisch fallen lässt.
Im Ganzen betrachtet, finden sich in diesem neuen Programmentwurf durchaus stärkere Betonungen sozialistischer Forderungen und Potenzial für eine konstruktive Neudefinition grundsätzlicher Positionsbestimmungen der SED/PDS/Linke.
Eine ganz andere Frage ist allerdings, ob und wie diese theoretischen und programmatischen Grundlagen auch tatsächlichen Einfluss auf das reale Handeln der Partei erlangen können und werden, ob eine lebhafte, konstruktive und vor allem freie und transparente Debatte innerhalb der Partei möglich sein, ob diese Debatte auch sozialistischen Sachverstand über die eigene Partei hinaus integrieren und letztlich natürlich, wie das endgültige Programm schliesslich aussehen wird.
Aber schauen wir uns zentrale Inhalte, Aussagen und Forderungen aus dem Entwurf mal im Einzelnen genauer an:
(Anmerkung: Da die SED/PDS/Linke und ihre Publikationen Die Rote Fahne und ihren Herausgeber quasi mit Boykott belegt haben, kann die Debatte aus dieser Schrift nur ausserhalb der Parteistrukturen erfolgen und nur hier publiziert werden.)
Imperium – oder auch „Imperialismus und Krieg“
Keine Angst, dieser Artikel will den Leser nicht durch eine Aufzählung der Analogien zwischen Linkspartei-Entwurf und Berliner Manifest und mit diesem korrespondierender, nachgearbeiteter Schriften aus den letzten Jahren langweilen, vielmehr geht es um richtige oder falsche Analysen und Positionen.
Ich zitiere an dieser Stelle lediglich Auszüge aus beiden Schriften zum Thema „Imperium“, weil hier exemplarisch eine qualitative, positive Entwicklung im gesellschaftlichen, sozialistischen Diskurs sichtbar wird, auf welche wir lange warten mussten, gleichwohl jedoch auch Defizite offenbar werden.
Im Berliner Manifest heisst es u.a.:
„Verstärkt formieren sich die westlichen imperialistischen Staaten zu einen globalen Imperium, dessen militärische Konstituierung im weiteren Ausbau der NATO zum NATO-Imperium zum Ausdruck kommt. Durch die wachsende koordinierte Macht des international organisierten Kapitals, verlieren die Nationalstaaten und deren Parlamente zunehmend an Einfluss auf die internationalen ökonomischen Prozesse. [...]
Das sich neu formierende globale kapitalistische Imperium und seine nationalen Agenturen betreiben verstärkt den Abbau demokratischer und sozialer Grundrechte.
Durch die internationale Entwicklung verändern sich auch die ökonomischen Grundlagen für einen potentiellen künftigen Faschismus. An die Stelle der Kapitalinteressen des nationalen Kapitals als Basis faschistischer Herrschaft und imperialistischer Strategien, tritt tendenziell das international organisierte Kapital mit seinen transnationalen, imperialen Bedürfnissen.
Durch die technologische Entwicklung begünstigt, strebt das Imperium durch immer neue, weitergehende Rechtsnormen die Totalüberwachung aller Bürger an. Diese Entwicklung der schleichenden Faschisierung der Gesellschaft droht in einem künftigen HighTech-Faschismus des 21. Jahrhunderts zu münden. [...]
Durch die einseitige Auflösung des Warschauer Vertrages und die internationale Entwicklung ist die Gefahr neuer Kriege nicht etwa gesunken, sondern vielmehr ist diese gefährlich angewachsen.
Anschauliches Beispiel dafür ist der Golf-Krieg, bei dem es darum ging, den Einfluss des NATO-Imperiums im arabischen Raum mit seinen Rohstoffen aufrecht zu erhalten und auszubauen.
Während die BRD bei diesem Massaker vorerst nur finanzielle und logistische Unterstützung leistete, bereiten die Bonner Imperialisten bereits die Möglichkeit der aktiven Teilnahme an künftigen NATO-Feldzügen vor.“
Und nun der Linkspartei-Entwurf vom März 2010 zum selben Thema:
„Die kapitalistischen Staaten sorgen dafür, dass ihre Unternehmen weltweit Zugriff auf alle Ressourcen haben, dass sie ihr Kapital weltweit investieren und verwerten sowie auf allen Märkten ihre Produkte absetzen können. Dazu nutzen sie ihre ökonomische und militärische Vormachtstellung und ihre beherrschende Rolle in den internationalen Handels- und Finanzinstitutionen. [...]
Nach dem Ende der Systemauseinandersetzung ist in den 1990er Jahren der Krieg auch nach Europa zurückgekehrt.
Deutschland war eine treibende Kraft im Krieg gegen Jugoslawien, unterstützt direkt und indirekt den illegalen Krieg der USA im Irak und beteiligt sich am Krieg in Afghanistan.
Die Gefahr ist gross. Ein neuer Imperialismus in einem entdemokratisierten Raum entsteht. Mächtige Fraktionen der Machteliten der Vereinigten Staaten haben deren globale Vorherrschaft zum Ziel. Auch die EU versucht zunehmend aggressiv, in der weltweiten Auseinandersetzung um Macht, Einfluss und natürliche Ressourcen ihre Stellung auszubauen.
Kriege, einschliesslich präventiver Angriffskriege, gelten führenden Kräften der USA, der NATO und der EU wieder als taugliche Mittel der Politik. Das globale Netz von ausländischen Militärstützpunkten wurde ausgebaut.“
Der Linkspartei-Entwurf nimmt sich hier also mittlerweile des Themenkomplexes „Imperium/Globalisierung“ an, führt dies jedoch keineswegs konsequent zu Ende.
Während es nämlich im Berliner Manifest weiter heisst: „Antifaschistischer Widerstand muss sich heute in erster Linie dieser neuen, veränderten globalen Bedrohungslage stellen.“, führt der neue Programmentwurf unter dem Punkt „Faschismus und Rassismus bekämpfen“ altbekannte Standardfloskeln aus:
„Wir fordern in diesem Sinne die politische und strafrechtliche Bekämpfung von Faschismus, Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus und setzen uns für ein Verbot aller faschistischen Organisationen ein“ und fokussiert – in dieser Diktion auch an anderen Stellen – erneut lediglich auf die nationale Rechte als vermeintliche Hauptbedrohung.
Schlicht ignoriert wird der Umstand, dass es die imperiale Rechte (= die bürgerlichen Parteien der kapitalistischen „Globalisierung“ und der NATO) ist, welche heute im globalen Maßstab, im Zuge des Ausbaus des Imperiums, konsequent humanistische, demokratische, emanzipatorische und soziale Rechte abbaut.
Krieg, Massenmord, Konzentrationslager, Folter, (internationale) Strukturen und Organisationen, die sich demokratischer Kontrolle entziehen, Totalüberwachung, Armutspolitik und soziale Deklassierung sind jene Verbrechen im Klassenkampf, die wir in ihrer Summe dem Faschismus zuschreiben.
Dies alles beschert uns heute aber nicht etwa die nationale Rechte, sondern die imperiale Rechte – was zu begrifflicher Desorientierung bei vielen Zeitgenossen führt, denn dies passt so gar nicht zu Parteien, die sich “christlich”, “sozial”, “demokratisch” oder “grün” nennen.
Linker und bürgerlicher Widerstand gegen Faschismus, mithin antifaschistische Politik, soll auch heute noch die Machtergreifung Adolf Hitlers abwenden, anstatt sich mit der heute realen Bedrohung durch einen neuen, imperialen HighTech-Faschismus des 21. Jahrhunderts zu befassen.
Während man also 1933 als Farce in Wiederaufführung inszeniert, stolziert der neue, imperiale Faschismus ganz ungeniert durchs´ Hauptportal.
Sozialisten hingegen identifizieren heute jenes Imperium, ökonomisch durch das international organisierte Kapital, die imperiale Oligarchie kontrolliert, politisch durch die USA geführt, militärisch im Ausbau der NATO zur globalen Gewalt konstituiert, ideologisch durch den Zionismus geprägt und in Europa über den undemokratischen Zentralismus der Institution EU (Europäische Union) vermittelt.
Dieser Themenkomplex ist nicht zuletzt deshalb von zentraler Bedeutung, weil sich aus diesem das Verhältnis sozialistischer Politik gegenüber dem Nationalstaat als historischem Subjekt und der Republik als emanzipatorischer Errungenschaft, sowie den auf nationaler Ebene agierenden Subjekten, namentlich den bürgerlichen politischen Parteien der imperialen Rechten in Konsequenz ableitet.
Die Präzise Interpretation der Epoche determiniert das Verhältnis von Sozialisten bspw. zur bürgerlichen Sozialdemokratie, wenn es um die Frage von Koalitionen geht.
Evidenter Weise macht es wenig Sinn, vorrangig plakativ einen Gegner zu bekämpfen, dem man unterstellt, er wolle Konzentrationslager einführen (und der weit davon entfernt ist, die Macht dazu zu haben), auf der anderen Seite jedoch mit jenen Parteien kooperieren möchte und gegen Faschismus demonstriert, die für das ganz real existierende Regime bzw. NATO-Bündnis von Guantánamo und anderen Lagern, sowie weiterer imperialistischer und faschistischer Verbrechen verantwortlich zeichnen.
Ein solcher “Antifaschismus” – mag dieser auch noch so redlichen Absichten entsprungen sein – gerät zwangsläufig zur reinen Ablenkungsdebatte.
„Einwanderungsland Deutschland“ - Gehts´ noch?
Diese nicht konsequent ausgearbeitete Kritik am Imperialismus und den heutigen realen globalen Verhältnissen und den antisozialen und antidemokratischen Lebensrealitäten für die Menschen weltweit mag auch verantwortlich sein für eine weitere Kuriosität im Programmentwurf der SED/PDS/Linke, wenn es dort unter „Einwanderungsland Deutschland“ heisst:
„Deutschland ist ein Einwanderungsland. Wir wollen die Rechte und Chancen der Migrantinnen und Migranten stärken. Der Familiennachzug muss sowohl Kindern als auch gleich- und andersgeschlechtlichen Lebenspartnerinnen und -partnern sowie Familienangehörigen zweiten Grades möglich sein. [...]
Alle Kinder, die hier geboren werden und deren Eltern in Deutschland leben, sollen die deutsche Staatsangehörigkeit erhalten. Die Einbürgerung muss wieder erleichtert werden. Doppelte Staatsbürgerschaften sollten grundsätzlich möglich sein.“
Leider verrät uns der Programmentwurf nicht, warum die Autoren dieser Forderung Deutschland zum Einwanderungsland machen und den massiven Zuzug von Ausländern fördern, und vor allem, wie sie diesen gestalten und strukturieren wollen? Insofern ist eine Auseinandersetzung mit der Intention zu diesem Punkt nur schwerlich möglich.
Gleichwohl bedeutet diese politische Konzeption einen der tiefgreifendsten Einschnitte in das gesellschaftliche Selbstverständnis, welche der Programmentwurf enthält und verdient daher besondere Aufmerksamkeit.
Weder die Weimarer Reichsverfassung, noch die Verfassung der DDR oder das Grundgesetz der BRD weisen Deutschland als Einwanderungsland aus, soweit die formale Historie.
Weder existiert eine Willensbekundung des deutschen Volkes, noch eine breite Debatte zu dieser Frage, welche den Wunsch erkennen liesse, Deutschland zum Einwanderungsland machen zu wollen.
Für uns als Sozialisten noch wesentlich entscheidender ist jedoch, dass vor allem aus marxistischer, sozialistischer Perspektive oder wie es im Programmentwurf unter dem Punkt „Woher wir kommen, wer wir sind“ heisst, der Tradition der „sozialistischen, sozialdemokratischen und kommunistischen Arbeiterbewegung und aus anderen emanzipatorischen Bewegungen“, keinerlei Grundlage erwächst, das territoriale und kulturelle Selbstbestimmungsrecht Deutschlands oder anderer Nationen zugunsten einer offenen Einwanderungspolitik und massiven Migrationsbewegung beschneiden zu wollen. Das Gegenteil ist der Fall.
Diese Frage muss selbstverständlich im Kontext der – zu grossen Teilen negativen – Erfahrungen in Deutschland und Europa mit den Einwanderungsströmen der vergangenen Jahrzehnte und diese wiederum im Kontext der imperialen Strategien zur Zerschlagung nationaler Souveränitäten betrachtet werden.
Das Imperium, respektive das international organisierte Kapital verfolgt mit seiner Politik der Migrationsströme nach Deutschland und Europa im Wesentlichen zwei Ziele: Zum Einen sollen billige Arbeitskräfte vor Ort zur Verfügung stehen, die man ansonsten nur in ferneren Regionen des Globus, und somit zu höheren Kosten, für Produktion und Dienstleistungen ausbeuten könnte. Gleichzeitig werden dadurch die hiesigen Löhne gedrückt und tarifliche Vereinbarungen und Standards unterlaufen.
Dieser Strategie ist auch mit sozialistischer und gewerkschaftlicher Gegenwehr, bspw. der Forderung nach einem gesetzlichen Mindestlohn, nur schwer zu begegnen, da grosse Teile dieser ausländischen Arbeitskräfte in Schattenwirtschaften angesiedelt werden, die sich den offiziellen Rechtsnormen entziehen.
Des Weiteren wird durch die Migrationsströme massiv Einfluss auf die Integrität nationaler kultureller Strukturen ausgeübt. Das kulturelle Selbstbestimmungsrecht der angestammten Bevölkerung wird auf regionaler Ebene heute bereits in zahlreichen deutschen und europäischen Zentren zunehmend in Frage gestellt.
Warum durch eine systematische, massive Einwanderungspolitik diese Entwicklung noch eskaliert werden soll, erschliesst sich nur denjenigen, die sich eingehender mit den Strategien des Imperiums und der „Neuen Weltordnung“ beschäftigen.
Nationalstaat als historisches Subjekt und Republik als emanzipatorische Errungenschaft, damit korrespondierend gewachsene kulturelle Strukturen ebenso wie nationale Rechtsnormen, bilden für das Imperium Hemmnisse bei der Durchsetzung des globalen Marktes, geopolitischer und geostrategischer Machtstrukturen – der Realisierung des „One World Capitalism“ unter der imperialen Diktatur.
In diesem Kontext ist dem Imperialismus der „Neuen Weltordnung“ all das von Nutzen, was die bestehenden nationalen Strukturen – Rechtsnormen, Ökonomie und Kultur, letztlich auch territoriale Integrität, – zu schwächen vermag und zu deren Desintegration beiträgt.
Internationalismus
Der Programmentwurf der SED/PDS/Linke geht zwar an mehreren Stellen auf die Frage des Internationalismus ein, bleibt jedoch alles in allem eher vage und verharrt in altbekannten Allgemeinsätzen.
Dies dürfte zum einen – wie geschildert – dem Umstand geschuldet sein, in der Frage der Interpretation der Epoche nicht konsequent zu analysieren und somit auch nicht zu hinreichenden Schlussfolgerungen für eine sozialistische Politik gelangen zu können, als auch der Tatsache, dass der Begriff der „Klasse“ nur drei mal und der „Klassengesellschaft“ im Entwurf nur einmal vorkommen, jeweils eher in Randbemerkungen und ohne den Klassenwiderspruch eingehender als Thema aufzugreifen. Klassenwiderspruch und sozialistischer Internationalismus sind jedoch korrespondierende Themen, die angesichts des globalen Kapitalismus nicht etwa an Relevanz verloren hätten.
Im Manifest der Kommunistischen Partei von Karl Marx und Friedrich Engels von 1848 heisst es u.a.:
„Die Bourgeoisie hebt mehr und mehr die Zersplitterung der Produktionsmittel, des Besitzes und der Bevölkerung auf. Sie hat die Bevölkerung agglomeriert, die Produktionsmittel zentralisiert und das Eigentum in wenigen Händen konzentriert.
Die notwendige Folge hiervon war die politische Zentralisation.
Unabhängige, fast nur verbündete Provinzen mit verschiedenen Interessen, Gesetzen, Regierungen und Zöllen wurden zusammengedrängt in eine Nation, eine Regierung, ein Gesetz, ein nationales Klasseninteresse, eine Douanenlinie.“
Was im Kommunistischen Manifest (entsprechend dem damaligen Entwicklungsstand) die Bildung regionaler „Provinzen“ zu regionalen „Nationen“ analysierte und beschrieb, lässt sich heute quasi 1:1 auf die transnationale, imperiale Ebene übersetzen – man tausche lediglich das Wort „Provinzen“ durch „Nationalstaaten“ aus, denke also einfach eine Ebene höher.
Wir sehen also, wie unsere Analyse der heutigen Entwicklung hier vollständig mit dem Kommunistischen Manifest korrespondiert.
Die „Zentralisierung“ als „notwendige Folge“ kommt heute in Konstituierung und Ausbau imperialer Organe und Rechtsnormen, den Nationalstaaten übergeordneten Institutionen und Instanzen wie G8, EU und NATO zum Ausdruck.
Hierbei geben die Nationalstaaten Stück für Stück nationale Souveränitätsrechte an das Imperium ab.
Es gibt allerdings einen wesentlichen Unterschied zwischen damals und heute, der nicht auf der ökonomischen, sondern der kulturellen Ebene angesiedelt ist; Während das Kapital, respektive nationale Bourgeoisien damals „Bevölkerungen“ des gleichen Sprachraums und gleicher kultureller Wurzeln in grösseren Einheiten, in Nationen zusammenfasste (sehen wir von wenigen Sonderfällen ab), wird dies heute durch die imperiale Rechte die einzelnen Volkskulturen übergreifend, eben global, in Angriff genommen.
Das im Kommunistischen Manifest beschriebene neue „nationale Klasseninteresse“ entspricht heutigem supranationalem Klasseninteresse, dieses kollidiert mitunter jedoch – in ungleich stärkerem Maße als damals – mit den jeweiligen kulturellen Identitäten involvierter Nationen und Völker.
Das supranationale Klasseninteresse determiniert sowohl für die (internationale) Bourgeoisie, als auch die (internationale) Arbeiterklasse das objektive Verhältnis zu den Produktionsmitteln im globalen Kapitalismus.
Aber – und dies bedeutet, verglichen mit dem klassischen Nationalstaat, eine andere Qualität in der Definition der Stellung zur neuen „Nation“, zum Imperium – gesellt sich zu diesem objektiven Verhältnis die subjektive Definition nationaler, kultureller Identität und Selbstbestimmungsrechts.
Die Globalisierung der Ökonomie bewirkt durch kulturübergreifende Synergien zudem eine Nivellierung kultureller Eigenständigkeiten und Wesensmerkmale und stellt somit einen weiteren Frontalangriff auf kulturelles Selbstbestimmungsrecht dar.
Als Beispiel sei hier die Vereinheitlichung des architektonischen Erscheinungsbildes von Städten rund um den Globus und von Konsumgütern aller Art genannt, oder auch die in Schablonen zentralisierte Produktion von Kulturgütern.
Im Ergebnis tritt das Imperium den klassischen Nationalstaaten und ihren Arbeiterklassen nicht lediglich als Klasse der Ausbeuter, sondern ebenfalls als Kulturimperialisten gegenüber, analog dem klassischen Kolonialismus.
Für Imperium und die imperiale Rechte bedeutet dies, dass es sich gleich mit zwei Quellen bzw. Triebfedern potenziellen Widerstandes konfrontiert sieht, der ökonomischen Ebene bzw. der sozialistischen Revolution, als auch des kulturellen Selbstbestimmungswillens der Völker.
Eine der imperialen Strategien den kulturellen Selbstbestimmungswillen zu brechen, besteht in der Propagierung der sog. „multikulturellen Gesellschaft“ als ideologischem Überbau.
Was vermeintlich erstmal gut und emanzipatorisch klingt, nämlich nach Stärkung von Kulturen im gleichberechtigten Nebeneinander, erweist sich in der Praxis als Angriff auf Kultur als solche, als Negierung jeglicher Kultur schlechthin zugunsten einer „Nichtkultur“, einer aller Werte entleerten exzessiven Konsumgesellschaft imperialer Einheitskulturgüter und Konsumprodukte und nicht zuletzt monolithischer Ideologien.
Aus marxistischer Sicht besteht kein Zweifel daran, dass warenproduzierende Gesellschaft und Kapitalverwertung tendenziell und analog der Zuspitzung ökonomischer Widersprüche und Krisen zur Negierung der Geisteswissenschaften ebenso, wie zur Zerstörung kultureller Errungenschaften und Standards führen muss.
Ideologie und Trugbild der sog. „multikulturellen Gesellschaft“ beschleunigen diesen Prozess noch, indem bestehende soziale und kulturelle Strukturen aufgebrochen und in Frage gestellt werden sollen.
Im realen Alltag der Menschen haben die „multikulturellen“ Migrationsströme zur Verdrängung aus angestammten Quartieren geführt und statt zu einem Pluralismus kulturellen Miteinanders stetig wachsende Parallelgesellschaften generiert, welche die angestammte Bevölkerung ihrer originären Regionen und Kulturräume berauben.
Es passt als Randbemerkung in dieses Bild, dass die „multikulturelle Gesellschaft“ in Deutschland ausgerechnet von jenen Kräften als Konzept eingeführt wurde, die für das Imperium, respektive die NATO, Deutschland wieder als aktive Kriegsnation auf die Weltbühne zurückholten und in Kriegen bspw. gegen Jugoslawien und Afghanistan ganze Städte und Dörfer in Schutt und Asche legen und sich des fortgesetzten Massenmordes schuldig machen. Soviel zu „multi kulti“.
Um Missverständnissen vorzubeugen; Dies soll kein Plädoyer für eine abgeschottete Gesellschaft ohne jegliche Ausländer sein. Kultureller Austausch ist für die Prosperation von Gesellschaften seit je her unverzichtbarer Bestandteil ihrer Entwicklungen. Ein kontrollierter Anteil an Ausländern, im gleichberechtigten interkulturellen Austausch mit anderen Völkern, auch fremder Kulturen, begründet auf emanzipatorischen Werten wie territorialer Souveränität und kulturellem Selbstbestimmungsrecht und dem freien Willen der Menschen, gehört zum Selbstverständnis aufgeklärter Gesellschaften und Nationen.
Es gilt jedoch zu begreifen, dass die heutige Migrationsproblematik in Deutschland und Europa etwas völlig anderes ist, Ergebnis einer imperialen Strategie zur Schwächung und perspektivischen Zerschlagung traditioneller Kulturnationen, wobei sowohl die einheimischen Bevölkerungen, als auch die Migranten selbst zu Opfern werden.
Hierbei führt die Imperiale Rechte ihren Klassenkampf stets sowohl auf ökonomischer und rechtsnormativer, als auch auf kultureller Ebene, die miteinander korrespondieren.
Stärker als je zuvor ist heute daher ein solidarischer Internationalismus gefordert, der geeignet ist, der imperialen Bedrohungslage entgegen zu wirken.
Die revolutionären Subjekte der jeweiligen Nationen, die Arbeiterklassen ihrer Länder, sind aufgerufen, in solidarischer, internationalistischer Kooperation einen antikolonialen Abwehrkampf gegen die imperiale Aggression zu führen und ihre Nationalstaaten als historische Subjekte und Republiken als emanzipatorische Errungenschaften gegen die imperialistischen Angriffe auf ihre Souveränitätsrechte zu verteidigen.
Erinnern wir nochmal an das Kommunistische Manifest:
„Von Zeit zu Zeit siegen die Arbeiter, aber nur vorübergehend. Das eigentliche Resultat ihrer Kämpfe ist nicht der unmittelbare Erfolg, sondern die immer weiter um sich greifende Vereinigung der Arbeiter.
Sie wird befördert durch die wachsenden Kommunikationsmittel, die von der grossen Industrie erzeugt werden und die Arbeiter der verschiedenen Lokalitäten miteinander in Verbindung setzen.
Es bedarf aber bloß der Verbindung, um die vielen Lokalkämpfe von überall gleichem Charakter zu einem nationalen, zu einem Klassenkampfe zu zentralisieren. Jeder Klassenkampf ist aber ein politischer Kampf. Und die Vereinigung, zu der die Bürger des Mittelalters mit ihren Vizinalwegen Jahrhunderte bedurften, bringen die modernen Proletarier mit den Eisenbahnen in wenigen Jahren zustande. [...]Die Kommunisten unterscheiden sich von den übrigen proletarischen Parteien nur dadurch, dass sie einerseits in den verschiedenen nationalen Kämpfen der Proletarier die gemeinsamen, von der Nationalität unabhängigen Interessen des gesamten Proletariats hervorheben und zur Geltung bringen, andererseits dadurch, dass sie in den verschiedenen Entwicklungsstufen, welche der Kampf zwischen Proletariat und Bourgeoisie durchläuft, stets das Interesse der Gesamtbewegung vertreten.“
Ein linkes Parteiprogramm ist angesichts der geschilderten globalen Entwicklung also gehalten, Internationalismus zu einem zentralen Bestandteil in der Definition der politischen Identität heraus zu arbeiten.
Dies sollte anhand konkreter Projekte deutlich werden – und nicht auf wohlfeil formulierte Grundsatzaussagen beschränkt bleiben.
So ist es bspw. unerklärlich, wieso die SED/PDS/Linke sich nicht an der durch Hugo Chávez angestossenen Debatte um die Bildung einer „5. Internationale“ beteiligt?
Zumindest müsste man erklären, warum man diese Gelegenheit auslassen will und welches andere, geeignetere konkrete Projekt man stattdessen realisieren möchte?
Denn der Widerstand gegen Imperium und „Neue Weltordnung“ muss einerseits in Abwehrkämpfen vor Ort, an den lokalen Frontlinien geführt, diese nationalen Widerstände jedoch auch international zu einer revolutionären Strategie und Bewegung koordiniert werden.