D ie Auseinandersetzungen und Irritationen um die im Januar von Jürgen Elsässer, Peter Feist und Jochen Scholz ins Leben gerufene → “Volksinitiative gegen das Finanzkapital” haben u.a. auch zu einer Belebung der kontroversen Debatte um Begriffe wie Imperium, Imperialismus, Faschismus und anderer damit korrespondierender Themen beigetragen.
Weite Teile der subjektiven Linken versuchen fortgesetzt die Interpretation heutiger Realitäten in tradierte Begriffsschemata zu pressen, anstatt Begriffe ihrer originären Essenz nach auf die Realität anzuwenden.
Für einen sinnvollen gesellschaftlichen Diskurs ist es jedoch unabdingbar, sich der heutigen Realitäten bewusst zu werden und diese auch entsprechend präzise zu formulieren und begrifflich zu fassen. Genau hieran mangelt es oftmals, so dass Fehlbeurteilungen und Missverständnisse konstruktive Diskussionen erschweren.
Imperium
Bereits Anfang der 90er Jahre hatten wir im → Berliner Manifest u.a. ausgeführt:
„Verstärkt formieren sich die westlichen imperialistischen Staaten zu einen globalen Imperium, dessen militärische Konstituierung im weiteren Ausbau der NATO zum NATO-Imperium zum Ausdruck kommt. Durch die wachsende koordinierte Macht des international organisierten Kapitals, verlieren die Nationalstaaten und deren Parlamente zunehmend an Einfluß auf die internationalen ökonomischen Prozesse“ [1]. [...]
„Das sich neu formierende globale kapitalistische Imperium und seine nationalen Agenturen betreiben verstärkt den Abbau demokratischer und sozialer Grundrechte.
Durch die internationale Entwicklung verändern sich auch die ökonomischen Grundlagen für einen potentiellen künftigen Faschismus. An die Stelle der Kapitalinteressen des nationalen Kapitals als Basis faschistischer Herrschaft und imperialistischer Strategien, tritt tendenziell das international organisierte Kapital mit seinen transnationalen, imperialen Bedürfnissen.
Durch die technologische Entwicklung begünstigt, strebt das Imperium durch immer neue, weitergehende Rechtsnormen die Totalüberwachung aller Bürger an. Diese Entwicklung der schleichenden Faschisierung der Gesellschaft droht in einem künftigen HighTech-Faschismus des 21. Jahrhunderts zu münden. [...]
Antifaschistischer Widerstand muß sich heute in erster Linie dieser neuen, veränderten globalen Bedrohungslage stellen.“ [2]
Diese Einschätzung wurde in den 90er Jahren noch von weiten Teilen der Linken abgelehnt. Stattdessen gingen sog. “Antideutsche” und andere subjektive Linke weiterhin von einer klassischen Rolle der Nationalstaaten und deren nationalen Kapitalien aus.
“Deutsches Kapital” würde ein “Viertes (deutsches) Reich” anstreben, und dieses deutsche Kapital würde auch, analog zur historischen Situation in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, die ökonomische Basis für eine potenzielle faschistische Entwicklung bzw. Bedrohung bilden.
Da die Konstituierung des (modernen, globalen) Imperiums in keiner historischen Blaupause der meisten Linken, zumindest nicht in der jetzigen Epoche, vorgesehen war, postulierten diese das Fortbestehen der Epoche konkurrierender imperialistischer Nationalstaaten.
Die internationale ökonomische und damit korrespondierend strategische Entwicklung nach Ende des zweiten Weltkriegs wurde durch viele Linke nicht erkannt und reflektiert und noch heute tun sich einige damit schwer, weil sie immer noch in Bildern und Mustern der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts denken und nicht in der Lage sind, das eigentliche, immanente Wesen ökonomischer und historischer Realitäten und Entwicklungen zu erfassen, namentlich u.a. die Internationalisierung kapitalistischer Strukturen, Netzwerke und Märkte.
17 Jahre später, Ende März 2009, berichtet die Süddeutsche Zeitung unter der Überschrift ”Merkel lehnt globale NATO ab”:
„Bundeskanzlerin Angela Merkel erwartet von einer neuen Strategie der NATO unter anderem eine bessere Koordination des nordatlantischen Bündnisses mit anderen internationalen Organisationen. “Das hört sich einfach an, ist aber vergleichsweise revolutionär”, sagte Merkel am Donnerstag im Bundestag. Am Beispiel des Einsatzes in Afghanistan werde klar, dass “die NATO mit ihren militärischen Mitteln Teil eines umfassenden und kohärenten Ansatzes” sein müsse, zu dem auch eine Vielfalt an zivilen Aktionen gehöre. “Dieses Grundverständnis, das wir jetzt in Afghanistan entwickelt haben, wird aber in Zukunft nicht der Einzelfall sein, sondern muss zum strategischen Allgemeingut der NATO werden”, sagte Merkel in einer Regierungserklärung zum bevorstehenden NATO-Gipfel in Deutschland und Frankreich.
Die Kanzlerin erinnerte daran, dass das aktuelle strategische Konzept der NATO aus dem Jahr 1999 stammt. Das Bündnis brauche “eine Anpassung seiner Strategie an die neuen Herausforderungen”. Dazu gehören aus der Sicht Merkels neben dem Prinzip der vernetzten Sicherheit und mehr Bemühungen um die Prävention von Krisen ein deutliches Nein zu einer Rolle der NATO als globale Sicherheitsinstanz. Das neue Konzept müsse “klar die Grenzen des Wirkungskreises der Allianz aufzeigen”, sagte die Kanzlerin. “Ich sehe keine globale NATO.“ [3]
Die Einschätzungen aus dem Berliner Manifest lassen sich demnach heute, weil zunehmend augenscheinlicher, nicht mehr ernsthaft in Frage stellen, diese bilden mittlerweile die Grundlage für einen breiter werdenden Diskurs zum Thema.
Gleichwohl ist es immer noch Gegenstand dieses Diskurses, zu einer präzisen Interpretation der Topographie struktureller Realitäten zu gelangen und inhaltliche und politische Konsequenzen daraus zu ziehen.
Was ist die “Imperiale Rechte”, was die “nationale Rechte”, wo liegen Unterschiede und wo Gemeinsamkeiten, wie ist dieser Komplex politisch einzuordnen?
Faschismus
Auch der Publizist Jürgen Elsässer ist zwischenzeitlich zu einer Neubewertung der historischen Entwicklung gelangt und schreibt in einem Artikel:
„Müßten die Linke angesichts dessen nicht einen ganz klaren Trennungsstrich ziehen und sagen: Genauso wenig, wie wir mit alten und neuen Nazis eine gemeine Veranstaltung oder Demonstration veranstalten wollen, lehnen wir auch jedes Bündnis mit den Neokonservativen und ihrem deutschen Ableger, den Antideutschen, ab?
Das klingt nach einem taktischen Problem, ist aber ein strategisches. Denn der Grund für diese Ungleichbehandlung ist ganz offensichtlich die Überlegung, daß der Widerspruch etwa zu den Antideutschen weniger fundamental sei als der etwa zu den alten und neuen Nazis.
Der Antifaschismus wird als Hauptachse linker Politik definiert, und zwar nicht nur aus Gründen der Vergangenheit, sondern auch, weil man bei einer Verschärfung der kapitalistischen Krise eine Wiederkehr des Faschismus befürchtet.Dieser Gedanke ist absolut richtig, das Problem ist nur, daß Faschismus in der Regel in der Linken falsch definiert wird. Man mißversteht ihn als im Kern ideologische Erscheinung, als entfesselten Nationalismus mit dem Antisemitismus als Hauptmoment. Das traf phänomenologisch auf den deutschen Nazismus zu, aber – um einmal die Rede von der Singularität ernst zu nehmen – in dieser Form wird er nicht zurückkommen. Denn der Nationalismus ist für das Kapital dysfunktional geworden in einer Welt, in der der Profit nur noch von jenem Nationalkapital realisiert werden kann, das sich dem globalen Kommando des US-Imperialismus unterordnet. [...]
Deshalb ist es treffender, Faschismus nicht primär phänomenologisch, sondern ökonomisch zu definieren, also zu der Kennzeichnung zurückzukehren, die die Komintern auf ihrem 7. Weltkongreß 1935 unter Federführung von Georgi Dimitroff vorgenommen hat – als die “Diktatur der am meisten reaktionären, chauvinistischen und imperialistischen Elemente des Finanzkapitals“. [4]
Was uns hingegen bürgerliche Propagandisten zwischen ZDF-Historie und Hollywood seit Jahrzehnten weiss machen wollen ist, Faschismus wäre braune Uniformen, Ledermäntel und Judenfeindlichkeit, eine rein ideologisch motivierte Monströsität, welche vor allem mit Kapitalismus nichts zu tun hätte.
Die Fokussierung auf die ideologischen Prägungen der NSDAP sollen davon ablenken, dass es das deutsche Kapital war, welches die Nazis erst massiv finanziell unterstützte und somit erst auf die politische Bühne hob und später die faschistische Machtergreifung ermöglichte, mit dem Ziel eine drohende sozialistische Revolution in Deutschland abzuwenden.
Rückblick
Das Kapital von 1933 war vorwiegend noch national (strukturiert). Nationalstaat und nationales Kapital standen mit anderen Ländern in Konkurrenz um Einflussgebiete, Ressourcen und Märkte. Jedoch hatte mit dem 20. Jahrhundert bereits eine Entwicklung an Schwung gewonnen, die eine internationale Vernetzung und gegenseitige Abhängigkeit ehemals nationalen Kapitals bedeutete. Lenin schrieb dazu:
„Die Monopolverbände der Kapitalisten – die Kartelle, Syndikate und Trusts – teilen vor allem den ganzen Binnenmarkt unter sich auf, indem sie die Produktion des betreffenden Landes mehr oder weniger vollständig an sich reißen. Aber der Binnenmarkt hängt unter dem Kapitalismus untrennbar mit dem Außenmarkt zusammen. Der Kapitalismus hat längst den Weltmarkt geschaffen. Und in dem Maße, wie der Kapitalexport wuchs und die ausländischen und kolonialen Verbindungen und “Einflußsphären” der riesigen Monopolverbände sich in jeder Weise erweiterten, kam es “natürlicherweise” unter ihnen zu Abmachungen im Weltmaßstab, zur Bildung von internationalen Kartellen.
Das ist eine neue Stufe der Weltkonzentration des Kapitals und der Produktion, eine unvergleichlich höhere Stufe als die vorangegangenen.“ [5] [...]„Wir verweisen auf den Historiker Driault, der in seinem Buch “Die politischen und sozialen Probleme Ende des 19. Jahrhunderts” in dem Kapitel “Die Großmächte und die Aufteilung der Welt” folgendes schrieb: “In diesen letzten Jahren wurden alle unbesetzten Gebiete des Erdballs, außer China, von den Mächten Europas und Nordamerikas erobert; es kam zu einigen Konflikten und Einflußverschiebungen, die Vorboten noch furchtbarerer Erschütterungen in der nahen Zukunft sind. Denn man muß sich beeilen: die Nationen, die nicht versorgt sind, riskieren, es niemals zu werden und nicht an der ungeheuren Ausbeutung der Erde teilnehmen zu können, die eine der wesentlichsten Tatsachen des kommenden” (d.h. des 20.) Jahrhunderts sein wird.“ [6]
Wir haben es also mit einer Entwicklung zu tun, die über die Zäsur des zweiten Weltkriegs hin zu dem führte, was das heute international aufgestellte (Gross-)Kapital als “Globalisierung” bezeichnet.
Hervorzuheben ist hierbei, dass die internationalen Strukturen des Kapitals den politischen bzw. staatlichen Strukturen bereits weit voraus geeilt sind.
Während die Schaffung des klassischen Nationalstaats den Bedürfnissen des nationalen Kapitals diente, indem einheitliche Rechtsnormen im jeweiligen Staatsgebiet geschaffen wurden, um Produktion und Markt in einem weiteren Gebiet als den mittelalterlichen Fürstentümern und Splitterreiche erschliessen und kontrollieren zu können, hat hingegen heute die kapitalistische “Globalisierung”, respektive das international organisierte Kapital strukturell die ordnungspolitische Enge des Nationalstaates verlassen. Zwar unterliegen Produktion und Handel noch weitestgehend nationalen Rechtsnormen, auf den wachsenden Bereich des Finanzkapitals – der von Produktion und Handel nicht getrennt ist, sondern vielmehr deren Überbau bildet – trifft dies jedoch bereits nicht mehr zu.
Damit einher geht der Verlust des Nationalstaates und seiner mehr oder weniger demokratischen Institutionen auf nationale wie internationale ökonomische Prozesse, im Ergebnis die Diktatur des international organisierten Finanzkapitals.
Rolle und Funktion des klassischen Nationalstaats haben sich demnach für das international organisierte Kapital gewandelt. Auf der einen Seite vermag das Finanzkapital heute zwar weitestgehend losgelöst von nationalen Rechtsnormen zu agieren, auf der anderen Seite jedoch wurde auch die Notwendigkeit über den Nationalstaat hinaus weisender Ordnungsstrukturen dinglich.
Denn analog wie der klassische bürgerliche Nationalstaat dazu diente, nationales Kapital politisch, juristisch und militärisch zu beschirmen, wurde dies nunmehr in einem globaleren Maßstab notwendig.
Instrumente hierfür sind Schaffung und Ausbau von Institutionen wie G8, EU (respektive die kapitalistische EU-Verfassung) und NATO. Versucht wird hierbei, diese Institutionen der direkten demokratischen Kontrolle durch die Menschen in ihrem Einflussgebiet – mithin also der Bürger der involvierten Nationalstaaten – zu entziehen.
Imperiale Rechte vs. nationale Rechte
Wir bilanzieren also eine ökonomische Epoche vor und eine nach dem zweiten Weltkrieg. Der Imperialismus der (westlichen) klassischen Nationalstaaten gegeneinander wird tendenziell abgelöst durch die Bildung eines Imperiums, welches transnationale Strukturen konstituiert.
Geschichte wird durch Menschen gemacht. Und folgerichtig haben sich Bourgeoisie und Funktionärskaste des Imperiums, des international organisierten Kapitals politisch zu dem konstituiert, was wir die “Imperiale Rechte” nennen. Bezogen auf Deutschland also die im Bundestag vertretenen bürgerlichen Parteien. Sie sind es, denen die Aufgabe zukommt, imperiale Strategien, Politik und Rechtsnormen im Nationalstaat Bundesrepublik Deutschland durchzusetzen – dies haben sie zumindest in den vergangenen Jahrzehnten konsequent betrieben.
Dem gegenüber kennen wir die “nationale Rechte” (die natürlich auch in unterschiedliche Fraktionen mit unterschiedlichen ideologischen Ausprägungen daher kommt), namentlich die bekannteste Vertreterin ihrer Art, die NPD.
Die zentrale Gemeinsamkeit dieser beiden, miteinander konkurrierenden kapitalistischen Lager, besteht in der Negierung des Klassenwiderspruchs.
Was bei der imperialen Rechten “Sozialpartnerschaft” heisst, firmiert bei der nationalen Rechten unter “Volksgemeinschaft”.
Gemeint ist jeweils das Gleiche, nämlich dass sich Kapital und Arbeit im Interesse des Gemeinwohls rational ergänzen und somit kollektiv zum Wohle aller beitragen. Dieser voluntaristische Ansatz negiert – wie wir alle wissen – völlig die ökonomischen Bewegungsgesetze der kapitalistischen Produktionsweise und deren zwangsläufige ökonomische, politische, ökologische und kulturelle Konsequenzen.
Das Kapital kennt weder Ideologie, Religion, noch Moral oder Kultur. Es kennt nationales Selbstbestimmungsrecht ebensowenig, wie jüdisches, christliches oder islamisches Kapital.
Karl Marx schrieb:
„Das Kapital hat aber einen einzigen Lebenstrieb, den Trieb sich zu verwerten, Mehrwert zu schaffen, mit seinem konstanten Teil, den Produktionsmitteln die grösstmögliche Masse Mehrarbeit einzusaugen.“ [7]
Der Grund warum imperiale Rechte und nationale Rechte dennoch in verschiedenen, gegensätzlichen Lagern stehen, ist ideologisch motiviert.
Während die imperiale Rechte weitestgehend ideologiebefreit ist, allein der Kapitalverwertung verpflichtet, stellt die nationale Rechte das ideologisch/kulturelle Moment ihren historischen und gesellschaftlichen Realitätsinterpretationen und damit korrespondierend ihrem Selbstverständnis voran. Bei der NPD liesst sich das u.a. so:
„Klasse, Klassenkampf: Der Marxismus verkennt die Geschichtsmächtigkeit biologischer Gruppen (Stamm, Volk, Nation) und überschätzt die „Klassensolidarität” bei weitem. Die Bedeutung von Volkstreue, selbstloser Weltanschauung sowie von nichtmaterialistischer Bindung vieler Menschen verkennt der Marxismus genauso wie den Stellenwert der biologischen, geschichtlichen, kulturellen und seelischen Einbindung der Menschen aller „Klassen” in die Volksgemeinschaft.
Sozialismus: Der Sozialismus erstrebt eine gerechte Teilhaberschaft am Ganzen, durch Umgliederung von Eigentumsverhältnissen und Vermögensbildung. Die Vorherrschaft der Politik verhindert wirtschaftliche Sonderrechte und Ungleichgewichte und schafft Leistungsgerechtigkeit. [...] Nationaler Sozialismus sucht den Ausgleich zwischen Markt und Plan, und entspringt nicht dem materialistischen Denken der Linken.
Volksgemeinschaft: Volksgemeinschaft soll vorrangig das Gemeinwohl sichern, u.a. Schutz der Einzelnen vor den Einzelanliegen anderer, Ausbeutung und Entfremdung von ihrer nationalen Identität. Die Volksgemeinschaft schafft die Verpflichtung für die Mitwirkung aller im Volk. Sie wird stets eine klare soziale Unterscheidung zeigen, als Folge der Verschiedenheit der Menschen. [8]
Abgesehen davon, dass die nationale Rechte marxistische Terminologie meist falsch versteht oder in falschen Kontext setzt, lesen wir also, wie hier auf komplexe Wissenschaft, respektive historischen Materialismus völlig verzichtet wird, zugunsten eines durch und durch voluntaristischen Weltbildes. Die Kernaussage der nationalen Rechten lässt sich wie folgt destillieren: In der Volksgemeinschaft nehmen deren einzelne Mitglieder aufgrund biologischer und kultureller Disposition in einer natürlichen Hierarchie ihre jeweiligen Plätze ein und wirken motiviert durch “Volkstreue” zum Wohle aller (nationaler Sozialismus). Die “Vorherrschaft der Politik” (gemeint ist vermutlich die Diktatur) wacht dann über die angemessene “Volkstreue”.
Bürgerlicher “Antifaschismus” vermeidet tunlichst die nationale Rechte in ihren ideologischen Kernaussagen anzugreifen. Stattdessen wird vorzugsweise auf Spektakel und ordinäre Kriminalisierung ausgewichen.
Der Grund hierfür ist klar: Da imperiale Rechte und nationale Rechte letztlich das gleiche ökonomische und soziale Denkmodell postulieren (Sozialpartnerschaft / Volksgemeinschaft), ist imperialer Rechter und bürgerlichem “Antifaschismus” eine inhaltliche Auseinandersetzung nicht möglich, welche allein die marxistische Kritik zu leisten imstande ist.
Noch gravierender ist der Umstand, dass es die imperiale Rechte ist, welche heute im globalen Maßstab, im Zuge des Ausbaus des Imperiums, konsequent humanistische, demokratische, emanzipatorische und soziale Rechte abbaut. Krieg, Massenmord, Konzentrationslager, Folter, (internationale) Strukturen und Organisationen, die sich demokratischer Kontrolle entziehen, Totalüberwachung, Armutspolitik und soziale Deklassierung sind jene Verbrechen im Klassenkampf, die wir in ihrer Summe dem Faschismus zuschreiben.
Dies alles beschert uns heute aber nicht etwa die nationale Rechte, sondern die imperiale Rechte – was zu begrifflicher Desorientierung bei vielen Zeitgenossen führt. Denn, wie geschildert, ist Faschismus à la ZDF-Historie und Hollywood ja “braune Uniformen, Ledermäntel und Judenfeindlichkeit” und dies passt so gar nicht zu Parteien, die sich “christlich”, “sozial”, “demokratisch” oder “grün” nennen.
Vollends absurd wird es dann, wenn Organisationen das “Verbot aller Faschistischen Parteien und Organisationen” fordern, die selbst einen positiven Bezug zu Stalinismus und/oder “Realsozialismus” vertreten, oder aber als “Linke” die Zusammenarbeit und Koalitionen mit den bürgerlichen Parteien der imperialen Rechten anstreben.
Halten wir fest: Für die Linke gilt es, traditionelle und neue Begriffe auf Grundlage präziser Beschreibung der historischen Entwicklung auf die heutige Realität anzuwenden und begriffliche Konventionen zu formulieren.
Die begrifflichen, sprachlichen und dadurch Meinungsbildenden Manipulationen des imperialen Mainstream sind zu entlarven und einer wissenschaftlichen, demokratischen Rhetorik gegenüber zu stellen. Eine Herausforderung, die in der modernen Mediengesellschaft mit ihren schnellen Kommunikations- Informations- und Desinformationswegen noch an besonderem Gewicht gewonnen hat.
Volksinitiative
Besagte “Volksinitiative gegen das Finanzkapital” hat durch ihre bisherigen Erklärungen nicht nur bei mir mehr Fragen aufgeworfen, als beantwortet. In erster Linie ist mir unklar, was für eine Art Organisation überhaupt angestrebt wird?
In der ”Grundsatzerklärung der Volksinitiative” vom 17.02.2009 wird dazu u.a. ausgeführt:
„Der Name “Volksinitiative” wurde bewußt gewählt, weil wir die breite Masse der Bevölkerung ansprechen und uns nicht auf gesellschaftliche Nischen beschränken wollen. [...] Die Volksinitiative will zum Entstehen eines breiten gesellschaftlichen Bündnisses beitragen, das neben den unteren Klassen auch die Mittelschichten umfassen sollte und darüber hinaus auch die Teile des Kapitals ansprechen will, die sich dem spekulativen Angriff des internationalen Finanzkapitals entgegenstellen.“
Dies lässt offen, ob es sich um eine theoretische Debattierrunde Intellektueller, einen Verein, eine Gewerkschaft, eine Partei oder ein Bündnis aus Parteien und/oder anderen Organisationen handeln soll? Auf welcher gesellschaftlichen Ebene (Strasse, Betriebe, Parlamente etc. …) sollen die formulierte Politik organisiert und durch welches organisatorische Subjekt anvisierten Ziele umgesetzt werden?
Eine globalisierungskritische Organisation als Bündnis zwischen bürgerlichen Positionen bis links gibt es ja bereits: attac.
attac beschreibt sich selbst wie folgt:
„Wir (attac) befassen uns inzwischen mit der gesamten Bandbreite der Probleme neoliberaler Globalisierung. Als Bildungsbewegung mit Aktionscharakter und Expertise bieten wir dazu fundierte Analysen sowie klare und vermittelbare Forderungen.“
attac begreift sich also als Verein, der versucht Aufklärung in ein breiteres politisches Spektrum der Gesellschaft zu tragen.
Worin will sich die Volksinitiative in Bezug auf Organisationsform und politischen Anspruch und ggf. Aktion von attac unterscheiden?
Oder ist aber einer “Volksfront” ähnlich ein Bündnis bestehender Parteien und Organisationen geplant? In diesem Falle wäre es sicher problematisch, dass die sozialistische Linke gar nicht über eine entsprechende Partei verfügt, welche sie in eine Volksfront, wie auch immer man eine solche definieren wollte, einbringen könnte.
Unter “Unsere Einschätzung der Lage” heisst es bei der Volksinitiative:
„In allen Staaten, auch in Deutschland, entwickelt sich ein zunehmender Widerspruch zwischen großen Teilen des Finanz- und des Industriekapitals. Ersteres, eng mit den besonders aggressiven Finanzplätzen New York und London verbunden, erdrosselt letzteres in einer Kreditklemme.“
Dieser Einschätzung möchte ich widersprechen. Es gibt keinen Widerspruch zwischen grossen Teilen des Finanz- und des Industriekapitals. Im Gegenteil sind beide lediglich zwei Seiten der selben Medaille. Das Industriekapital ist mit dem Finanzkapital eng verwoben, tatsächlich bilden die grossen, international aufgestellten Industriekonzerne zentrale Subjekte des internationalen Finanzkapitals. Seit langem ist es kein Geheimnis, dass Firmen des grossen Industriekapitals mitunter erhebliche Gewinne aus Kapitalgeschäften, denn aus industrieller Produktion bilanzieren.
Exemplarisch sei hier die Firma Porsche genannt, die für das Jahr 2008 einen höheren Gewinn als Umsatz (mit der Produktion von PKW) bilanzierte.
„Geschichtsträchtiger Augenblick für Porsche: Erstmals liegt der Gewinn vor Steuern höher als der Umsatz des Stuttgarter Sportwagen-Herstellers. Dessen Produktion trägt nur den kleineren Teil zum Plus bei.“ [9]
„Als erstes Unternehmen hat es Porsche geschafft, mehr Gewinn (vor Steuer: 8,5 Milliarden Euro) als Umsatz (7,4 Milliarden) auszuweisen.“ [10]
Selbstverständlich sprechen wir hier über jene Teile des Industriekapitals, die dem international (imperial) aufgestellten Kapital zuzurechnen sind, also nicht über den nationalen industriellen Mittelstand, welcher sich in der Regel in Abhängigkeit zum Finanzkapital befindet. Diese Unterscheidung sollte aber klar benannt werden.
Zu hinterfragen ist in diesem Zusammenhang auch die Intention der Volksinitiative, wenn es in der Erklärung heisst:
„Um diesen Angriff abzuwehren, muß der Nationalstaat aktiv werden. [...] und darüber hinaus auch die Teile des Kapitals ansprechen will, die sich dem spekulativen Angriff des internationalen Finanzkapitals entgegenstellen.“
Hier werden also zwei Subjekte benannt: Zum einen der Staat, zum anderen, wenn ich das richtig interpretiere, jene Teile des (nationalen) Kapitals, welche nicht Teil der imperialen Globalisierungsgewinnler sind, also vornehmlich der bereits erwähnte Mittelstand. (Gibt es auch nationales Grosskapital jenseits des international organisierten Kapitals?, wir gehen im Weiteren nicht davon aus. Diese Frage wäre zu untersuchen und ggf. zu quantifizieren.)
Problematisch hieran ist, dass ausgerechnet jener (National-)Staat, der als nationale Verwaltungsagentur zum Herrschaftsarsenal des Imperiums gehört, “aktiv werden” soll. Dies wäre doch allenfalls denkbar, nach Sturz und Entmachtung der imperialen Rechten, also jener Kräfte, welche diesen Staat und seine Institutionen beherrschen, nebst Herauslösung und Nationalisierung aller mit dem internationalen Finanzkapital verwobenen Produktivkräfte.
In diesem Falle müssten wir jedoch von einer revolutionären Situation ausgehen, was uns zu der weiteren Frage führt, welche Rolle dann das “alliierte” nationale Kapital in diesem Prozess spielen soll und kann?
Letztlich würden wir doch nur wieder beim kapitalistischen Konzept von “Sozialpartnerschaft” oder “Volksgemeinschaft” landen.
In der Erklärung der Volksinitiative wird dazu weiter ausgeführt:
„Hauptaufgabe dieses breiten gesellschaftlichen Bündnisses ist die entschädigungslose Nationalisierung des Finanzsektors und die Entmachtung des internationalen Finanzkapitals zunächst im eigenen Land. Dabei entstünde ein Mischsystem mit sowohl privatem wie genossenschaftlichem als auch staatlichem Eigentum an Produktionsmitteln. Der Finanzsektor wäre unter strenger Kontrolle des Staates, der seinerseits umfassend demokratisiert werden müsste.“
Also soll ”dieses breite gesellschaftliche Bündnis” die Macht im Staate übernehmen. Wie soll das konkret vor sich gehen?
Wir hätten dann also die Volksinitiative, die mittlerweile als Partei konstituiert bei Wahlen eine regierungsfähige Mehrheit erlangt. Oder aber eine Koalition aus bestehenden Parteien, welche die politischen Forderungen der Volksinitiative umsetzt(?)
Aus meiner Sicht ergibt sich kein schlüssiges Bild, oder man möge es bitte ausführlicher erläutern.
Eine sozialistische Revolution wird nicht gefordert, gleichwohl jedoch nichts Geringeres, als die Enthauptung des Kapitals.
Was wird am Ende eigentlich gewonnen? Das international organisierte Kapital, aka internationale Finanzkapital, wird entmachtet und nationalisiert und das nationale Kapital beginnt das Spielchen von vorne, Ausbeutung der Ware Arbeitskraft, Akkumulation des Kapitals, Kampf um Ressourcen und neue Märkte et cetera pp.
Nun, vielleicht vermag die Debatte rund um die Volksinitiative als Impuls ja einen breiten, gemeinsamen linken Diskurs zu beflügeln, dann wäre schon einiges erreicht.
- Berliner Manifest, Seite 14, Stephan Steins, 1992 ↩
- Berliner Manifest, Seite 27, Stephan Steins, 1992 ↩
- Merkel lehnt globale NATO ab, Sueddeutsche.de, Nico Fried, 27.03.2009 ↩
- Fragen an die antifa – Neocons und Antideutsche – die neuen Faschos?, Jürgen Elsässer Blog, 27.03.2009 ↩
- Der Imperialismus als höchstes Stadium des Kapitalismus / V. Die Aufteilung der Welt unter die Kapitalistenverbände, Lenin 1916 ↩
- Der Imperialismus als höchstes Stadium des Kapitalismus / VI. Die Aufteilung der Welt unter die Großmächte, Lenin 1916 ↩
- Das Kapital, Erster Band 8. Kapitel, Karl Marx, 1867 ↩
- Politisches Lexikon, NPD.de, Stand 13.04.2006 ↩
- Rekordgewinn macht Porsche-Chef noch reicher, Welt.de, 07.11.2008 ↩
- Porsche Wiedeking zieht Bilanz – Aus Freude am Verdienen, Sueddeutsche.de, Melanie Ahlemeier, 26.11.2008 ↩