„Ich rufe die Mitglieder der PDS auf … der Linken in Deutschland neue Perspektiven zu eröffnen … Sie wissen, ich habe mich immer dafür engagiert, dass sich die Linke in Deutschland um drei, vier Kernpunkte in der gesellschaftlichen Auseinandersetzung zusammenfindet, um überhaupt Einfluss realisieren zu können. Eine solche Entwicklung wird in der Folge durchaus auch zu einer Veränderung in der linken Parteienlandschaft führen … Ich kann sagen, dass dafür die ersten Schritte zu einer strategischen Neuaufstellung der Linken in Deutschland viel Interesse geweckt haben … Auch wenn die eigentliche Arbeit am Projekt einer neuen Linken in Deutschland erst nach der Bundestagswahl beginnt, sollte doch schon im Namen der sich zur Wahl stellenden Partei ein Zeichen gesetzt werden, dass wir etwas Neues beginnen wollen“.[[ [1]
„Liebe Genossinnen und Genossen, verehrte Gäste, … zeigen wir, die wir die Welt verändern wollen, dass wir selbst zur Veränderung fähig sind und ein Symbol für ein erweitertes linkes Projekt für wichtig halten! Ich bitte zudem alle Mitglieder, Sympathisantinnen und Sympathisanten unserer Partei, in den nächsten Wochen dafür zu sorgen, dass “Die Linkspartei” als starke Kraft in den Deutschen Bundestag einzieht … Ich denke auch, dass die Doppelmitgliedschaft Einzelner ein Weg sein könnte, Vorbehalte gegenüber dem gemeinsamen Projekt auf ganz praktische Weise – durch das Angebot der Mitarbeit – abzubauen … An die neue Linkspartei sind bereits heute viele Hoffnungen gebunden, die wir nicht enttäuschen dürfen. Die bange Frage vieler Menschen, die uns nahe stehen: Werden die Linken es diesmal schaffen, in den wichtigen Fragen zusammenzustehen und zu einer starken politischen Kraft zu werden – oder werden sie erneut in rivalisierenden Grüppchen von Besserwissern zerfallen? Meine Meinung: Wir sind zum Erfolg verurteilt, und wir haben keine andere Chance, als zunächst gemeinsam einen erfolgreichen Bundestagswahlkampf zu führen und dann die Vereinigung gründlich und nicht unter beständigem Zeitdruck voranzutreiben. Die PDS wird ihre Identität in der erweiterten Identität der neuen Linkspartei aufgehoben wieder finden – aufgehoben im Hegelschen Sinne, das meint angeeignet und weiter entwickelt“. [2]
„Andererseits muss sich aber auch die PDS in ihrer Identität erweitern, d. h. die Probleme ganz Deutschlands glaubwürdiger und wirksamer artikulieren. Das geht nur, wenn Linke aus den alten Bundesländern in viel grösserer Zahl als bisher eine Nähe zu diesem Bündnis (dem neuen Linksbündnis, Anm.) suchen, es intellektuell und organisatorisch unterstützen. … Ein solcher Prozess ist immer schmerzhaft, denn man muss sich selbst verändern, und wer sich eingerichtet hat, will sich nicht unbedingt verändern“. [3]
Diese Aussagen der PDS-Spitzenpolitiker Lothar Bisky und Gregor Gysi geben die neue offizielle politisch-strategische Linie der PDS wieder, wie diese von leitenden Funktionären und der Partei in der Öffentlichkeit kommuniziert wird. Eine gesamtdeutsche sozialistische Partei als Partei aller demokratischen Linken soll dem Widerstand gegen die kapitalistische “Globalisierung” und der damit korrespondierenden Politik im Lande eine parlamentarische und gesellschaftlich relevante Kraft entgegen setzen können. Ziel ist eine starke Linke aus Ost und West, demokratisch und strömungsübergreifend organisiert, eine wirkliche sozialistische Partei. Die PDS hat sich somit einer politischen Strategie zugewendet, welche bereits seit 15 Jahren in der Linken, u.a. auch in der Roten Fahne, diskutiert wird.
Ihre guten Absichten und die qualitative Veränderung im politischen Denken und Handeln will die PDS u.a. dadurch dokumentieren, dass sich die Partei in “Die Linkspartei/PDS” umbenannt und ein Bündnis mit der westdeutschen Gruppierung WASG in die Wege geleitet hat. Es geht, so wird betont, um einen historischen Neuanfang, um eine politische Reorganisation der Linken, für welche auch Die Rote Fahne stets gewirkt hat.
Die demokratische Linke, die Öffentlichkeit, die von Hartz IV und anderen kapitalistischen Verbrechen Betroffenen und nicht zuletzt der Wähler, setzen in diese neue Politik grosse Erwartungen. Die Hoffnungen der Menschen gelten hierbei dem verkündeten Projekt einer neuen Linken, der Bildung einer neuen Partei, die eben nicht die alte PDS mit ihrer SED-Geschichte ist, einer sozialistischen Partei, in welcher sich Linke verschiedener politischer Ansätze demokratisch organisieren und gemeinsam politische Konzepte und Strategien diskutieren und entwickeln können.
Der jetzt durch verschiedene Umfragen prognostizierte relativ starke Zuspruch für das neue Linksbündnis in der Wählergunst basiert allein auf dem Vertrauen der Menschen in die Ernsthaftigkeit der propagierten neuen Politik, wie diese auch durch die Kandidatur von Oskar Lafontaine zum Ausdruck kommt. Die alte PDS alleine hätte kaum das Potenzial die 5%-Hürde bei den Bundestagswahlen überspringen zu können, ihr Abwärtstrend, da ist sich der Grossteil der politischen Beobachter aus verschiedenen Lagern mit prominenten Vertretern der PDS selbst einig, hätte sich fortgesetzt. Juristisch handelt es sich, so ist es dem Wahlrecht geschuldet, bei der Linkspartei immer noch um die PDS, jetzt unter neuem Namen. Die neue gesamtdeutsche sozialistische Partei soll dann in den kommenden zwei Jahren nach den Wahlen gebildet werden.
In der breiten Öffentlichkeit allerdings wird “Die Linkspartei” bereits jetzt als das Ergebnis der Zusammenarbeit ALLER demokratischen Linken wahrgenommen, deren TEIL die PDS ist. Der Erfolg der “Linkspartei” geht also auf den Einsatz aller an der Politik der neuen Linken Beteiligten zurück.
Bei der PDS alles nur Lug und Trug?
Wie ich in den vergangenen Wochen feststellen musste, hat die aktuelle ganz konkrete Politik und Handlungsweise der PDS rein gar nichts mit der oben geschilderten und öffentlich propagierten Politik einer neuen Linken zu tun. Statements von Bisky und Gysi, wie oben zitiert, entbehren im Konkreten jeder Grundlage. Ich musste feststellen, dass es bei der PDS einen eklatanten Unterschied zwischen propagandistischer Inszenierung und dem realen Handeln gibt. „Wenn Linke aus den alten Bundesländern in viel grösserer Zahl als bisher eine Nähe zu diesem Bündnis suchen, es intellektuell und organisatorisch unterstützen“ ist eine PDS-Ansage, welche ich als Herausgeber der Roten Fahne ernst nehme, ja ernst zu nehmen habe.
So adressierte ich mich in den vergangenen Wochen und Monaten mehrmals schriftlich an die PDS, an den Parteivorstand und auch direkt an Lothar Bisky und Gregor Gysi, um die Möglichkeiten einer Kooperation in der Medienarbeit zu diskutieren, insbesondere auch die Rolle der Roten Fahne bei der Unterstützung im Wahlkampf für die Linkspartei. Schliesslich gehören eine neue Linkspartei und die Zeitung Rosa Luxemburgs, zumindest nach meinem Verständnis, zusammen, und wenn der Aufruf Gregor Gysis nicht auch Die Rote Fahne respektive deren Herausgeber adressieren sollte, ja für wen sollten diese Worte dann eigentlich bestimmt sein?
Die Rote Fahne ist der traditionsreichste Medientitel der Linken und seit Wiederherausgabe 1992 wirkt sie für die jetzt von verschiedenen Strömungen der Linken aufgegriffene politische Neuorientierung. Eine neue Linke ohne Die Rote Fahne zu konzipieren ist geradezu absurd und stellt die Ernsthaftigkeit solcher Bestrebungen deutlich in Frage. Korrespondierend mit der Bildung einer neuen sozialistischen Partei der demokratischen Linken, gilt es jetzt auch den Bereich Medien für die Linke zeitgemäss und unter den Bedingungen der modernen Mediengesellschaft neu zu gestalten. „Gesellschaftliche Wahrnehmbarkeit wird immer stärker abhängig von der Berücksichtigung durch den herrschenden Medien-Mainstream, was dort nicht medial reproduziert wird, findet im Ereignishorizont der Masse nicht mehr statt. Somit haben es die Medienmonopole in der Hand, gesellschaftliche Bewegungen und Entwicklungen weitestgehend zu steuern und zu kontrollieren, zumindest jedoch erheblich zu beeinflussen. Diese gesellschaftliche Realität erzwingt strategische Konzepte an der Medienfront in der Konkurrenz um die Kommunikationskanäle und Kommunikationsgewohnheiten der Menschen, will man Zugang zu deren Realitätsinterpretationen erlangen“. [4]
Die Rote Fahne ist aufgrund ihrer Geschichte und antifaschistischen Tradition nicht nur der wertvollste Medientitel der Linken, sondern auch als strömungsübergreifendes Medium wie kein anderes geeignet die Kommunikation und Diskussion der Linken zu fördern und als Nachrichtenmedium, über die Grenzen eigener (Partei-)Strukturen und Sozialisationen hinweg, in breite Teile der Öffentlichkeit hinein wirken zu können.
Dabei geht es nicht darum bestehende Medienprojekte ersetzen zu wollen, sondern um eine Erweiterung und den Ausbau der Medienstrategien und -Konzepte der Linken. Trotz wiederholter Nachfragen erhielt ich von den Genannten keine Antwort. Auch meine weiteren Nachfragen, ob es denn politische Vorbehalte gegen Die Rote Fahne und / oder meine Person als Herausgeber gäbe und man diese doch fairerweise nennen sollte und solidarisch diskutieren könne, blieben ohne Antwort. Soviel also zum Thema Projekt demokratische Linke und PDS. Abgespeist wurde ich mit kurzen Antworten mir unbekannter Sekretäre (Sehr geehrter Herr Steins…), die zudem noch an der Sache vorbeigingen und ansonsten grundlegende Ablehnung signalisierten. Offizielle Antworten des Parteivorstandes, die sich mit meinen Angeboten und Vorschlägen beschäftigt hätten, blieben aus.
Ein für die Linkspartei positives Wahlergebnis um 12% würde vor allem der Kandidatur Oskar Lafontaines geschuldet sein. Das Potenzial der Linken liegt aber durchaus bei 20%. Der Unterschied zwischen 12% und 20% wird durch die Qualität der eigenen Medienarbeit determiniert werden, diese wird sich ganz konkret in Prozentpunkten, und damit auch in finanziellen Einnahmen und der Gewinnung neuer Mitglieder, niederschlagen und verdeutlichen.
Die Marke von 20% muss man sich erarbeiten, aber möglich ist es, das Potenzial ist vorhanden. Dazu wäre es aber erforderlich die Medienarbeit, Fragen der Corporate Identity, Marketing und Kommunikation weiter zu professionalisieren und erweiterte Medienkonzepte korrespondierend mit dem neuen Linksbündnis auf den Weg zu bringen. Dass ein Grossteil der Wählerschaft bspw. das neue linke Projekt als “Das Linksdings” identifiziert, spricht Bände über die Qualität der bisherigen Medienarbeit und Corporate Identity. Firmierungen, Logos und Plakate mit unterschiedlichen Bezeichnungen, mal mit, mal ohne PDS, mal als Linkspartei, mal als Linke, dazu das unaussprechliche WASG, das alles kostet am Wahltag ganz konkret einige Prozentpunkte.
Die PDS-Zeitung “Neues Deutschland” bspw. hat ihre Berechtigung und angestammte Leserschaft. Aber als Medienformat gilt für sie das gleiche, wie für die PDS als Partei; Sie ist nicht in der Lage über ihre eigene Sozialisation hinaus Akzeptanz zu finden, das ND teilt insofern das Schicksal der PDS.
Im Falle der Partei hat man mit dem neuen linken Projekt und der Umbenennung richtigerweise die Konsequenzen gezogen (wenn auch die Umsetzung zu wünschen übrig lässt), im Medienbereich hat sich hingegen gar nichts getan.
Dr. André Brie, Mitarbeiter der Rosa-Luxemburg-Stiftung, intellektueller Vordenker der PDS und für die PDS seit 1999 Mitglied des Europäischen Parlaments, äusserte sich dieser Tage in Sachen neue Linke u.a. wie folgt:
„Damit sind aber auch erste Probleme und Herausforderungen offenkundig, die sich einer nachhaltigen Perspektive der Linkspartei entgegenstellen. Die Linkspartei hat, wenn sie keine grossen Fehler macht, eine beträchtliche Sicherheit auf den Wahlerfolg am 18. September. Sie hat jedoch ganz und gar keine Sicherheit auf eine dauerhafte Perspektive und darauf, die mögliche und notwendige parteipolitische Plattform einer modernen, neuen Linken in Deutschland zu werden. … Dabei geht es, wie in allen anderen politischen und programmatischen Fragen, aber nicht um – die ebenfalls erforderlichen – Antworten, die in Parteistuben oder Parlamenten ausgearbeitet werden, so überzeugend sie im einzelnen auch sein mögen. Es geht um die gesellschaftliche Resonanz, die Veränderung des geistigen und politischen Klimas, ohne das die perfektesten Konzepte politisch irrelevant bleiben. Es geht um Gegenhegemonie, die den Neoliberalismus im gesellschaftlichen Protest und in parlamentarischer Arbeit grundlegend in Frage stellt und ihn – da liegen die derzeit grössten Defizite – mit modernen, realistischen Alternativen herausfordert. Dazu bedarf es sicherlich grösster intellektueller, kommunikativer und politischer Anstrengungen, von denen ohnehin nicht übermässig viel zu sehen ist“. [5]
Damit knüpft Brie im Wesentlichen an das an, was ich bereits in der Roten Fahne schrieb: „Ohne den Aufbau eigener Medienmacht wird auch die beste Philosophie ungehört bleiben, die beste Politik zum Scheitern verurteilt sein. Erfolg an der Medienfront ist eine der Schlüsselvoraussetzungen zur Erlangung breiter gesellschaftlicher Wahrnehmbarkeit, welche wiederum Voraussetzung ist, politisch überhaupt etwas zu bewegen. Fehlenden ökonomischen Mitteln in der Auseinandersetzung mit dem Mainstream kann nur durch Konzentration und Professionalisierung und das Erzielen von Synergien begegnet werden. Die Linke ist also gehalten Medienarbeit, die Entwicklung eigener Medien-, Corporate Identity- und Marketing- Strategien zu einer zentralen Hauptaufgabe zu machen. Es macht wenig Sinn Inhalte zu entwickeln, ohne zu wissen, wie man diese im Ereignishorizont der Masse platzieren kann. Der zentralen Hauptaufgabe Medienarbeit muss in der Strukturierung einer neuen Partei eine ungleich stärkere Gewichtung zukommen, als dies traditionell der Fall war. Es gilt mittelfristig eigene Medien und Medienkonzepte zu entwickeln, um die kulturelle und politische Hegemonie der Medienmonopole zu durchbrechen“. [6]
Halten wir fest; Wenn es konkret wird, tut die PDS nicht das, was sie nach aussen propagiert, den Menschen und dem Wähler verspricht. So wie sie sich momentan darstellt, ist nicht zu erkennen, welche Ziele die PDS eigentlich wirklich verfolgt. Das gesamte Projekt einer neuen Linken wird dadurch nachhaltig diskreditiert.
In dieses Bild passen auch die Vorgänge um die Bildung der Kandidatenlisten zur Bundestagswahl, bei welchen die “Partner” von der WASG über massive Benachteiligungen und Vertrauensbruch klagen.
„Am Wochenende spielte die Berliner PDS auf ihrem Landesparteitag ihre Macht aus und gestattete der WASG lediglich einen “sicheren” Listenplatz sechs. Alle derzeit prognostizierten Prozentpunkte darüber verdankt die Linkspartei Oskar Lafontaine, der WASG und der damit verbundenen zunehmenden Akzeptanz im Westen. Dort, und nur dort, sind die Stimmen zu holen, um aus den Sozialisten und linken Sozialdemokraten im Bundestag mehr als eine Randerscheinung zu machen. Nur von dort können die Impulse kommen, aus einer zukünftig vereinten Linkspartei mehr zu machen als eine regionale Reservetruppe für die SPD in den Ostländern. Denn etwas anderes war die PDS bisher nicht, und viele ihrer Spitzenkader hatten es sich in dieser Nische bequem gemacht. Die Linkspartei wird auf Dauer ihre Existenzberechtigung nicht über eine Handvoll Ministersessel auf Landesebene definieren können. Ein paar Dutzend Parlamentsmandate hier, die scheinbar gesicherte Finanzierung von Stiftung und Parteizeitung da, bringen weder Leben noch Dynamik in den Laden. Da verblüfft es schon, dass viele Funktionsträger die WASG eher als Konkurrenten denn als Partner betrachten“. [7]
„So kann man an den Prozess der Bildung einer gemeinsamen linken Partei nicht herangehen. Wenn dieser erfolgreich sein soll, müssen die beiden Kräfte gleichberechtigt miteinander umgehen – unabhängig von der Mitgliederzahl.
Auf Ebene der Wählerinnen und Wähler ist die Dominanz der PDS zudem bei weitem nicht so gross“. [8]
In ihrer derzeitigen Verfassung generiert sich die PDS eher wie ein ordinäres Wirtschaftsunternehmen, denn wie eine Partei mit sozialistischem Anspruch. Der Eindruck muss sich aufdrängen, dass WASG-Spitzenkandidat Oskar Lafontaine nur deshalb ins Boot geholt wurde, um möglichst viele PDS-Funktionäre in gut bezahlte Posten im parlamentarischen Betrieb hieven und einen möglichst grossen Betrag aus der Wahlkampfkostenerstattung auf dem eigenen Konto verbuchen zu können. Deshalb die Umbenennung der Partei und deshalb die Rhetorik von einer neuen Perspektive für die Linke.
Wirklich zusammenarbeiten mit der demokratischen Linken im Lande will man offenkundig nicht, diese scheint bei der Verfolgung der eigenen, egozentrischen Ziele nur zu stören. Die Aufrufe an die Linke zur Mitwirkung und Zusammenarbeit verkommen durch das reale Verhalten der PDS zu blossen Worthülsen, man fühlt sich unweigerlich an unsägliche SED-Zeiten erinnert.
Ich würde mir wünschen, dass diese Einschätzung falsch ist, dass die PDS lediglich an einem Kommunikationsproblem leidet. Ich fordere den Parteivorstand der PDS hiermit nochmals auf, 1. eine Erklärung zum Thema Die Rote Fahne / Medien und 2. der Zusammenarbeit mit der Linken, unter dem Gesichtspunkt des Projekts der Bildung einer gesamtdeutschen sozialistischen Partei, abzugeben.
Die Rote Fahne ist bereit entsprechende Erklärungen und Diskussionen des Parteivorstands der PDS oder des Partei- vorsitzenden Lothar Bisky zu publizieren. An der Roten Fahne wird ein Dialog nicht scheitern, Die Rote Fahne steht als Nachrichten- und Kommunikations- Medium für das neue Projekt der Linken und der Einbindung in die erforderlichen neuen Medienkonzepte und -Strategien weiterhin zur Verfügung.
Dass die geschilderte Problematik auch Mitgliedern der PDS bewusst ist, verdeutlicht ein weiteres Zitat von André Brie:
„Was es aber in den letzten Jahren kaum gab sind intellektuelle Impulse und Angebote in die Gesellschaft hinein und die Beteiligung an der intellektuellen und gesellschaftlichen Diskussion. Da dominieren der Monolog und die Scheu, sich aktiv auf den Dialog mit den Andersdenkenden und Kritikern einzulassen. … Resonanz aber ist keine Einbahnstrasse, wenn man nicht wieder in gefährlichen und aussichtslosen elitären Avantgardismus verfallen will. Die Gesellschaft, vor allem die kritischen sozialen Bewegungen und deren Debatten müssten auch starke Resonanz in der Linkspartei finden. Drittens bestehen doch die mehr oder minder wirksamen Akteure dieser neuen gesellschaftlichen Debatten und eines neuen geistigen und politischen Klimas schon: linke soziale Bewegungen zu antirassistischen, internationalistischen, feministischen, friedenspolitischen und sozialökologischen Fragen und eine gar nicht so kleine Schicht kritischer Intellektueller. Ulrich Brand, Mitglied im wissenschaftlichen Beirat von attac, meinte in der “Frankfurter Rundschau” vom 13.Juli 2005: “Sowohl PDS wie auch WASG sind für beide Spektren bislang nicht attraktiv.” Diese Kritik muss ernstgenommen werden. Ich halte sie für zutreffend. Das liegt weniger am guten Willen in der PDS/Linkspartei, an mangelnder Achtung dieser sozialen Bewegungen (hinsichtlich der Intellektuellen allerdings sieht es anders aus), schon gar nicht an den vielen schönen Absichtserklärungen. Das gemeinsame Interesse an einer “inhaltlich-strategischen und organisatorischen Rekonstruktion einer pluralen Linken” ist gross. … Brand sieht zwar in der PDS “interessante Entwicklungen”, aber “ein nichtinstrumentelles Verhältnis” setze Vertrauen voraus.
Das aber kann meiner Meinung nach nur durch kompetente, kontinuierliche und kritische Arbeitskontakte, durch hochkarätige eigene Angebote und eine Öffnung der Linkspartei gegenüber linken Bewegungen und Intellektuellen erreicht werden“. [5]
Wie weiter in der Linken? Bildet Sozialistische Plattformen!
Noch etwas fällt auf: In meiner über 30-jährigen politischen Aktivität habe ich noch keine politischen Bewegungen und Projekte erlebt, die derart einer breiteren Basis als handelndem Subjekt entbehrt hätten. Die Diskrepanz zwischen einem möglichen historischen Wahlergebnis für die Linke in der Geschichte der BRD und einer fehlenden organisierten, aktiven und programmatisch arbeitenden Basis entsprechender Grösse ist frappierend.
Der allgemein erwartete 12%-Erfolg der Linken geht eher auf das “Projekt Oskar Lafontaine” als Motivator vormals ins Lager der Nichtwähler Emigrierten zurück, denn auf Aufklärung durch politische Arbeit einer Partei und ihrer gesellschaftlichen Verankerung. Es ist im Wesentlichen auf die Situation um die vorgezogene Bundestagswahl zurück zuführen, dass das neue linke Projekt erstmal “von oben” organisiert wurde, organisiert werden musste. Die Zurückhaltung der globalisierungskritischen und anderer Bewegungen gegenüber dem Projekt einer neuen Partei trägt ihr Übriges dazu bei, eine konstituierte Massenbasis bislang nicht entstehen zu lassen.
Die linke befindet sich momentan in einer Art Zwischenstadium des “Linksdings”. Dieser unbefriedigende Zustand mit seinen nicht nur positiven Ergebnissen muss aber keineswegs weiter anhalten. Die neue Linke braucht eine vitale, streitbare und solidarische gemeinsame Basis, welche sich als solche konstituiert und gemeinsame Handlungsfähigkeit erlangt. Und sie braucht sie jetzt, um der Vorbereitung der Bildung der gemeinsamen sozialistischen Partei weitere Impulse und konkrete Gestaltungsspielräume zu eröffnen. Und mit “Linke” ist hier die demokratische Linke in, aber auch ausserhalb von PDS und WASG gemeint.
Zur weiteren konkreten Vorgehensweise hier mein Vorschlag bzw. Aufruf:
SOZIALISTISCHE PLATTFORM – SP
Erste Grundlagen für die Bildung der gesamtdeutschen Sozialistischen Partei
Die Parteien PDS und WASG haben für die kommenden zwei Jahre ergebnisoffene Gespräche über die Bildung einer neuen Partei der demokratischen Linken, aus PDS, WASG und anderen, beschlossen. Wir, Mitglieder aus PDS, WASG, anderen Organisationen der demokratischen Linken, Bewegungen und Gewerkschaften und Einzelpersonen, unterstützen diesen Vereinigungsprozess der Linken.
Unser Ziel ist die Bildung einer gesamtdeutschen, strömungsüber-greifenden Sozialistischen Partei. Wir erkennen in dieser politischen Zielstellung eine gesellschaftliche Herausforderung und Verantwortung für alle fortschrittlichen, humanistischen Teile der Gesellschaft, für alle Menschen die für soziale Gerechtigkeit, demokratische Grundrechte, Frieden, ökologische Verantwortung und die Verständigung der Völker eintreten.
Insbesondere wollen wir die konkrete Zusammenarbeit an der Basis, das gemeinsame Herangehen an die bevorstehenden Aufgaben und eine gemeinsame kritische wie solidarische Diskussion fördern. Wir sind der Auffassung, dass der Prozess der Bildung der neuen Partei über die aktive Gestaltung durch die Basis, durch die Menschen vor Ort, erfolgen sollte und wollen entsprechende Vorschläge und Konzepte erarbeiten.
Wir rufen die lokalen Gliederungen von PDS und WASG auf, dort wo es möglich ist, gemeinsame Basisgruppen der Sozialistischen Plattform zu bilden und zu beginnen die gemeinsame politische Diskussion und Arbeit zu organisieren.
Wir rufen die gesamte demokratische Linke auf, sich an solchen Basisgruppen zu beteiligen und dort wo dies nicht möglich ist, eigene Basisgruppen der Sozialistischen Plattform zu bilden.
Als erstes konkretes Arbeitsprojekt der gemeinsamen Sozialistischen Plattformen vor Ort unterstützen wir den Bundestags-Wahlkampf der Linkspartei. Die weitere politische Arbeit wollen wir, im Hinblick auf die künftige gesamtdeutsche Sozialistische Partei, gemeinsam als Sozialistische Plattform organisieren.
Die Sozialistische Plattform betrachtet Reformen, die den Namen verdienen, d.h. die Lebensverhältnisse der Menschen verbessern, und die Perspektive einer Gesellschafts- und Wirtschaftsform jenseits kapitalistischer Marktlogik nicht als Widerspruch.
Wir streben perspektivisch eine humanistische, solidarische, ökologische und demokratisch sozialistische Gesellschaft an, in welcher Natur und Mensch Vorrang vor Markt und Kapital haben. Unterschiedliche philosophische Vorstellungen darüber, wie der Weg zu einer solchen Gesellschaft aussehen könnte, wollen wir demokratisch, kritisch und solidarisch miteinander und mit der Gesellschaft diskutieren. In der aktuellen historischen Etappe strebt die Sozialistische Plattform Reformen zur Verbesserung sozialer und demokratischer Rechte an, bzw. betreibt die Rücknahme des in den letzten Jahren erfolgten Abbaus sozialer und demokratischer Rechte. Der Umverteilung durch die faktische kapitalistische Einheitspartei aus SPD/Grüne/CDU/FDP von unten nach oben wollen wir soziale Standards entgegensetzen.
Die Diskussionen zu Wahlprogrammen und weiterführenden programmatischen Positionierungen von PDS und WASG wollen wir gemeinsam führen und weiter ausbauen.
Koalitionen mit Parteien, die Kriegseinsätze der Bundeswehr und/oder der EU und/oder der Nato und/oder Dritter unterstützen, sowie den weiteren Abbau sozialer und demokratischer Rechte betreiben, lehnen wir in Bund und Land kategorisch ab.
Als strömungsübergreifendes Nachrichten- und Kommunikationsmedium nutzt die Sozialistische Plattform Die Rote Fahne, die sowohl ihren redaktionellen Teil, als auch ihr Forum zur solidarischen Kommunikation zur Verfügung stellt.
Das Thema Medien, neue Medienkonzepte und -Strategien, der Ausbau und die Koordination bestehender Medienprojekte stellen weitere Schwerpunkte der Arbeit der Sozialistischen Plattform dar. Die Rote Fahne lädt andere linke Medienprojekte ausdrücklich ein, sich an dieser Arbeit und dem Aufbau einer MedienGruppe für die neue Sozialistische Partei zu beteiligen.
Bis zur Erarbeitung statuarer Grundlagen dient Die Rote Fahne als Organisator der Sozialistischen Plattform, das offene Forum der Roten Fahne dient der Kommunikation zwischen den einzelnen Basisgruppen der Sozialistischen Plattform.
Die Sozialistische Plattform organisiert sich nicht allein in überholten Strukturen althergebrachter Gliederungsmodelle. Neben der klassischen Gliederung in Orts- und Bezirksgruppen besteht auch die Möglichkeit sich in themenbezogenen Basisgruppen zu organisieren, welche den klassischen Gliederungen gleichgestellt sind. Damit trägt die Sozialistische Plattform den veränderten und differenzierteren soziokulturellen Orientierungen und Bedürfnissen der Mitglieder moderner Gesellschaften Rechnung.
Themenbezogene Basisgruppen sind bspw. Betriebsgruppen, Fachbereichs- und Ressortgruppen etc. Beispiele wären “Basisgruppe Volkswagen / Ortsname”, “Basisgruppe Globalisierung / Ortsname”, “Basisgruppe Frieden / Ortsname”, “Basisgruppe Grundsicherung / Ortsname”, “Basisgruppe Bildungswesen / Ortsname”, “Basisgruppe Medien, Kunst, Kultur / Ortsname”, “Basisgruppe Philosophie / Ortsname”, “Basisgruppe Ökologie / Ortsname”, etc.
Es ist zulässig mehrere Basisgruppen gleichen Fachbereichs an einem Ort zu bilden, sofern eine weitere Gruppe mindestens 5 Mitglieder vorweisen kann. Es ist weiterhin möglich Basisgruppen allein unter Ortsnamen, ohne fachliche bzw. kulturelle Zuordnung, zu bilden. Die Menschen vor Ort sollen bei ihren Vorstellungen sich politisch einzubringen grösstmögliche Freiheit und kreativen Spielraum erhalten. Der Unterschied zu AGs besteht darin, dass sich Mitglieder direkt in solchen themenbezogenen Basisgruppen organisieren und somit das soziokulturelle Umfeld ihres politischen Wirkens frei wählen können, dabei diesen Basisgruppen die selben Rechte und Pflichten klassischer Gliederungen zukommen.
Die Ergebnisse der Arbeit der Basisgruppen fliessen in Regionalräte ein, deren Ergebnisse in Landes- bzw. Bundesräte. Die Mitarbeit in verschiedenen Gruppen ist möglich, eine Basisgruppe wird durch das Mitglied als Org-Gruppe gewählt, in welcher das Mitglied stimmberechtigt ist.
Detaillierte und endgültige Regularien werden in Statut/Satzung erarbeitet. Die Linke steht heute vor ihrer grössten organisatorischen Herausforderung in Friedenszeiten seit 1918. Dieser historische Prozess kann nur dann einen nachhaltig positiven Verlauf nehmen, wenn es gelingt eine breite Basis in das Projekt einzubinden und eine Verankerung in den verschiedenen kulturellen Bereichen der Gesellschaft zu erlangen.
Dazu können wir alle, hier und jetzt, beitragen, von unserem eigenen Handeln, orientiert an der Sache, der gesellschaftlichen Herausforderung, hängt es ab, ob der imperialen kapitalistischen “Globalisierung” eine sozialistische Politik entgegen gesetzt werden kann.
Vorwärts im Aufbau der Sozialistischen Partei!
Konstantin Wecker schreibt dieser Tage: „Mit anderen Worten, die Linkspartei braucht Unterstützung – wenn sie werden soll, was wir uns von ihr erhoffen, dann braucht sie kritische Unterstützung. … Ich wünsche mir eine Linke, die auch eine spirituelle Botschaft bereithält, über das Tagespolitische und über harte Fakten hinausgeht und die Herzen der Menschen erreicht. Das heisst auch, wieder andere, emanzipativere Formen zu entwickeln, Kunst und Künstler einzubinden. Widerstand muss mehr sein als Prozente am Wahltag“. [9]
- Lothar Bisky Pressekonferenz, 22.06.2005 ↩
- Lothar Bisky PDS-Parteitag, 17.07.2005 ↩
- Gregor Gysi Pressekonferenz, 03.06.2005 ↩
- Stephan Steins “Vorschlag für eine MedienGruppe zur konzeptionellen Organisation der Medienarbeit der WASG”, 02.2005 ↩
- André Brie “Sechs Thesen zur Perspektive der Linkspartei: offene Fragen, Probleme, Herausforderungen”, rls 08.2005 ↩
- Stephan Steins “Zeit und Sein – Gemeinsam in Ost und West eine neue Sozialistische Partei oder Selbstabwicklung der Linken?”, Die Rote Fahne 05.06.2005 ↩
- Klaus Fischer “Nichts gelernt? Selbstgefälligkeit bei Berliner PDS”, junge Welt 08.08.2005 ↩
- Ralf Krämer “PDS-Vorgehen nicht hilfreich”, junge Welt 08.08.2005 ↩
- Konstantin Wecker “Radikal, aber nicht in den Dogmen”, Freitag-Wochenzeitung 12.08.2005 ↩