E .ON ist der letzte deutsche Energieversorger, der im Ausland ein neues Atomkraftwerk bauen will. Das Projekt bedroht nicht nur die Bevölkerung in Nordfinnland, sondern auch die Investoren und Kreditgeber des Konzerns.
Das Neubauprojekt in Pyhäjoki/Nordfinnland ist hochumstritten, doch E.ON hält unbeirrt daran fest – ungeachtet der Atomkatastrophe von Fukushima, ungeachtet der Tatsache, dass immer mehr Firmen aus Atomkraftwerksprojekten aussteigen.
Der Konzern ist mit 34 Prozent der grösste Anteilseigner des Projekts. Ursprünglich waren vier bis sechs Milliarden Euro an Kosten vorgesehen. Doch inzwischen kosten vergleichbare Reaktoren rund acht Milliarden Euro.
Welche Folgen eine solch unbelehrbare Unternehmenspolitik auch für die Anteilseigner hat, lässt sich anhand der Kursentwicklung der E.ON-Aktien von März 2011 bis April 2012 verfolgen. In diesem Zeitraum hat das E.ON-Management durch eine falsche Unternehmenspolitik knapp zehn Milliarden Euro an Marktwert der E.ON-Aktie zerstört.
Geändert hat sich dadurch nichts. Der Fall Finnland zeigt, dass die Verantwortlichen nichts dazugelernt haben, sagt Thomas Breuer, Leiter des Klima- und Energiebereichs bei Greenpeace. Sie bleiben bei ihrer hochriskanten Investitionsstrategie.
AKW-Neubauprojekte bedrohen Kreditwürdigkeit der Konzerne
Immer häufiger scheitern Neubauprojekte für Atomkraftwerke, weil das finanzielle Risiko zu gross ist. Aus gutem Grund gaben RWE und auch E.ON bekannt, dass sie von ihren AKW-Neubauplänen in Grossbritannien Abstand nehmen: Selbst Rating-Agenturen stufen zwischenzeitlich in manchen Fällen die Kreditwürdigkeit von Unternehmen herunter, die in den Bau von Atomkraftwerken investieren.
Ursprünglich hatten beide Konzerne geplant, die Atomkraft in Grossbritannien ausbauen. Dafür gründeten sie im Jahr 2009 das Joint-Venture Horizon Nuclear Power mit jeweils 50-prozentiger Beteiligung der beiden Konzerne.
Geplant waren Atomkraftkapazitäten von 6.000 Megawatt mit einer erwarteten Investitionssumme von 16,7 Milliarden Euro. Dieser Plan wurde nun verworfen.
Investitionen in neue Atomkraftwerke sind risikoreich
RWE springt nicht zum ersten Mal ab. Auch beim geplanten bulgarischen AKW Belene – in einer Erdbebenregion gelegen – war RWE federführend. Und auch hier stieg das Unternehmen 2009 aus.
Das Projekt wurde am 28. März endgültig begraben: Die bulgarische Regierung gab bekannt, dass in Belene statt eines AKW nun ein Gaskraftwerk entstehen soll.
Auch das niederländische Neubauprojekt Borssele 2 wurde unter dem neuen RWE-Chef Peter Terium verworfen.
Eine Studie des englischen Think-Tanks Energy Fair kommt zu dem Schluss, dass Investitionen in den Bau neuer Atomkraftwerke ein hohes Risiko sind. Die Preise für Atomenergie steigen weiterhin, während sie für Erneuerbare Energien fallen.
Ausserdem sei die Atomkraft stark von Subventionen abhängig, die wiederum durch politische oder rechtliche Änderungen jederzeit wegfallen können, so die Studie weiter.
Aber auch an anderen Stellen sieht Energy Fair Risiken für Investoren. So würden häufig Bauzeiten und -kosten überschritten, und nach Reaktorunfällen sei es jederzeit möglich, dass Kraftwerke abgeschaltet werden – auch solche, die relativ neu oder sogar noch in der Bauphase sind.
In der Vergangenheit gab es durchschnittlich alle elf Jahre einen solchen Atomunfall.
E.ON setzt in Grossbritannien auf Windkraft und Biomasse
E.ON gab bekannt, dass sich das Unternehmen in Grossbritannien nun auf Investitionen konzentrieren wolle, die sich schneller auszahlen. Dazu gehöre der Bau von Windkraft- und Biomasseanlagen.
Diese Entscheidung macht deutlich, dass sich die Atomkraft schon allein aus wirtschaftlichen Gründen nicht lohnt. Hinzu kommen die hohe Unfallgefahr und das ungeklärte Atommüllproblem.
„Warum E.ON unter diesen Umständen am geplanten Neubau in Finnland festhält bleibt unverständlich“, so Breuer. „In England hat der Konzern offensichtlich verstanden, worum es bei der Energieversorgung der Zukunft geht.“
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