W ashington (nyt) – Nach Aussage US-amerikanischer Offizieller hat die Central Intelligence Agency / CIA Geheimagenten in Libyen eingeschleust, die Erkenntnisse für militärische Luftangriffe gewinnen und Kontakt zu den angeschlagenen Rebellen herstellen sollen, die sich zunehmend erfolglos mit den Streitkräften des Obersten Muammar Gaddafi herumschlagen.
Präsident Obama hat zwar beteuert, dass keine US-Bodentruppen in die Kämpfe in Libyen eingreifen werden, aber seit mehreren Wochen agieren in Libyen als Teil einer westlichen Schattenarmee auch kleinere Gruppen von CIA-Agenten, die – das hofft die Obama-Administration – dazu betragen sollen, das Militär des Obersten Gaddafi auszubluten.
Zusätzlich zu den CIA-Gruppen, die sich aus einer unbekannten Anzahl von US-Amerikanern, die bereits als Spione der CIA-Station in Tripolis anwesend waren, und weiteren Agenten, die erst kürzlich dazu gestoßen sind, zusammensetzen, arbeiten nach Aussagen ehemaliger und noch aktiver britischer Offizieller auch Dutzende Angehörige britischer Special Forces (Spezialkräfte) und Agenten des britischen Auslandsgeheimdienstes MI6 in Libyen.
Die britischen Agenten haben nach offiziellen Angaben die britischen Kampfjets bei Luftangriffen eingewiesen und Informationen über die Positionen von Panzerverbänden und Artillerieoder Raketenstellungen der libyschen Armee gesammelt.
US-Offizielle hoffen, dass ähnliche Information, die US-Geheimdienstagenten zusammengetragen haben, zum Beispiel über die Munitionsdepots des Obersten Gaddafi und über Ansammlungen von Regierungstruppen in libyschen Städten, helfen könnten, das libysche Militär so zu schwächen, dass viele seiner Offiziere überlaufen.
Ausserdem träfen sich die US-Spione mit Rebellen, um neue Erkenntnisse über deren Führer und die inneren Strukturen der gegen Gaddafi kämpfenden Gruppen zu gewinnen, liessen US-Offizielle verlauten, die aus Geheimhaltungsgründen anonym bleiben wollten. Sie legten aber Wert darauf, festzuhalten, dass die westlichen Agenten nicht die Operationen der Rebellen leiten.
Ein CIA-Sprecher wollte diese Aussage nicht kommentieren.
Die USA und ihre Verbündeten versuchen auf die Schnelle, möglichst genaue Informationen über die Position und die Ausrüstung der Infanterie und der gepanzerten Kräfte Libyens zu bekommen und zu sie analysieren, was normalerweise Monate dauert.
„Wir hatten nicht viele Daten“, teilte der US-General Carter F. Ham, der am Mittwoch das Kommando über die Libyen-Mission an die NATO abtrat, letzte Woche in in einer eMail mit. „Libyen gehörte nicht zu den Staaten, auf die wir uns in den letzten Jahren konzentriert haben.“
Am Mittwoch liessen US-Offizielle auch durchblicken, dass Präsident Obama bereits vor mehreren Wochen eine geheime Anweisung unterzeichnet hat, in der er die CIA dazu ermächtigte, die libyschen Rebellen mit Waffen und auf andere Art zu unterstützen.
Waffen sind bisher aber noch nicht nach Libyen gebracht worden, weil in der Obama-Regierung immer noch darüber diskutiert wird, welche Auswirkungen Waffenlieferungen an Rebellen-Gruppen haben könnten. Die kanadische Nachrichtenagentur REUTERS hat als erste über diese Anweisung des Präsidenten berichtet.
In einem Statement am Mittwochabend lehnte es Jay Carney, der Pressesekretär des Weissen Hauses, ab, “Geheimdienst-Angelegenheiten” zu kommentieren, liess aber wissen, dass über mögliche Waffenlieferungen an Rebellen noch nicht entschieden worden sei.
Der Abgeordnete Mike Rogers, ein Republikaner aus Michigan, der dem GeheimdienstAusschuss des US-Repräsentantenhauses vorsitzt, sagte am Mittwoch, er sei gegen Waffenlieferungen an die Rebellen. „Wir müssen erst mehr über die libyschen Oppositionellen wissen, ehe wir sie mit Schnellfeuergewehren und anderen modernen Waffen versorgen“, erklärte er.
Weil das öffentlich verkündete Ziel des Libyen-Krieges nicht der Sturz des Gaddafi-Regimes ist, verlaufen die einleitenden Geheimdienst-Operationen ganz anders als im Afghanistan-Krieg, der 2001 ausdrücklich mit der Absicht begonnen wurde, das Taliban-Regime zu entmachten.
Damals haben die CIA und die Special Forces eng mit den afghanischen Milizen zusammengearbeitet, sie bewaffnet, Luftangriffe angefordert und ihnen damit den Weg in strategisch wichtige Städte wie Kabul und Kandahar geebnet.
In den letzten Wochen haben die US-Streitkräfte die libyschen Truppen mit U-2-Spionageflugzeugen und einer in grosser Höhe operierenden Drohne vom Typ Global Hawk ausspioniert; ausserdem kontrollierte ein Spezialflugzeug des Typs JSTARS grössere Truppenbewegungen.
Nach Aussage militärischer Offizieller hält die US-Air Force zusätzlich Predator-Drohnen in Reserve, die dehnen ähneln, die in Afghanistan operieren.
Air Force-Flugzeuge zur elektronischen Aufklärung vom Typ RC-135 Rivet Joint hörten die Kommunikation zwischen den libyschen Kommandeuren und ihren Truppen ab und gaben diese Informationen an die Global Hawk weiter, die danach die angenäherten Koordinaten der Positionen der Panzerverbände bestimmte.
Die Global Hawk übermittelte die Koordinaten an Analysten einer Bodenstation, die daraus Zieldaten für die Kommandozentralen errechneten. Die Kommandozentralen leiten die ermittelten Koordinaten an AWACS-Flugzeuge weiter, die ihrerseits die Kampfjets zu den Zielen dirigieren.
Lt. Gen. (Generalleutnant) David A. Deptula, der kürzlich in den Ruhestand verabschiedete höchste Geheimdienstoffizier der Air Force, erklärte, in den überwiegend flachen Wüstengebieten Libyens hätten die Kampfjets mit ihren empfindlichen Sensoren bei klarem Wetter weder tagsüber noch nachts Probleme, libysche Panzerkolonnen aufzuspüren; deshalb seien auch keine grösseren US-Bodeneinheiten zu deren Bekämpfung erforderlich.
General Deptula fügte hinzu, wenn sich die Regierungstruppen den Städten an der östlichen Küste Libyens näherten oder in sie eindrängen, wäre es wegen der sonst zu befürchtenden Opfer unter der Zivilbevölkerung hilfreich, wenn am Boden operierende Zieleinweiser den Flugzeugen der Koalition genaue Zielkoordinaten übermitteln oder die Ziele mit Laserpointern markieren würden.
Die CIA und die britischen Geheimdienste hatten Libyen vor acht Jahren schon einmal im Fokus, als es gelang, Oberst Gaddafi zur Aufgabe seines Atomwaffenprogramms zu bewegen.
Im Herbst 2003 erklärte er sich dazu bereit und erlaubte der CIA und US-amerikanischen Atomwaffenexperten, libysche Anlagen zu besuchen und Vorkehrungen zur Entfernung aller für den Bau von Atombomben relevanten Bestandteile aus seinem Land zu treffen.
Nachdem das Waffenprogramm eliminiert war, ist nach Aussage eines ehemaligen US-Offiziellen das Interesse der Geheimdienste an Libyen erloschen. Als Oberst Gaddafi aber damit begann, hart gegen die Rebellen-Gruppen vorzugehen, haben die US-Spionageringe die Kontakte zu ihren libyschen Informanten wiederbelebt, um mehr über die militärischen Führer des Landes zu erfahren.
Ein ehemaliger britischer Regierungsangestellter, der über die gegenwärtigen Operationen informiert ist, bestätigte Medienberichte, dass gegenwärtig Dutzende Soldaten britischer Spezialeinheiten – des Special Air Service und des Special Boat Service – in Libyen operieren. Die britischen Soldaten sollten vor allem die Stellungen der Boden-Luft-Raketen russischer Herkunft aufspüren, über die Oberst Gaddafi verfügt.
Ein Sprecher des britischen Verteidigungsministeriums lehnte mit dem Hinweis, es sei nicht üblich, sich zu Operationen britischer Spezialkräfte zu äussern, jede Stellungnahme dazu ab.
The New York Times, 30.03.2011 via Übersetzung luftpost-kl.de