V iele Gen-Pflanzen produzieren Insektengifte gegen bestimmte Schädlinge. Zumindest eine Zeit lang lassen sich diese so in Schach halten. Doch auch die Agro-Gentechnik kann sich über Naturgesetze nicht hinwegsetzen – und so hat die Sache einen Haken: Vielfach besetzen sogenannte sekundäre Schädlinge die frei gewordene ökologische Nische, der Vorteil der Gen-Pflanze ist damit dahin.
Ein weiterer möglicher Effekt: Gleichgewichte zwischen Populationen verschiedener Schaderreger können sich verschieben und andere Kulturpflanzen betroffen sein.
Eine Analyse des Phänomens, das im Englischen auch pest replacement (Schädlingsaustausch) genannt wird, findet sich in einem 2010 veröffentlichten Report von Testbiotech: → Gentechnisch veränderter Mais fördert die Verbreitung von Schädlingen.
Greenpeace Deutschland unterstützte die Studie damals finanziell.
Im Zentrum steht der Westliche Bohnenschneider. Dieser ist eigentlich kein Schädling in Mais. Nach der Zurückdrängung des Baumwollkapselbohrers durch Gen-Mais trat er aber an dessen Stelle und ist mittlerweile ein bedeutender Schädling in US-amerikanischen Maisfeldern.
Dow AgroSciences und Pioneer contra Greenpeace
Knapp zwei Jahre später gerät der Report nun in den Mittelpunkt einer wissenschaftlichen Diskussion: In einem aktuellen Artikel in der Fachzeitschrift Journal of Integrated Pest Management widersprechen die Autoren um den Insektenforscher Hutchinson (Universität Minnesota) den geschilderten Befunden.
Die → Antwort auf den Report von Greenpeace Deutschland macht andere Gründe als Gentechnik für den gestiegenen Schädlingsdruck durch den Bohnenschneider geltend. Entscheidende Bedeutung hat für sie etwa der verringerte Einsatz von Spritzmitteln gegen Insekten und reduzierte Bodenbearbeitung. Auch den Klimawandel halten die Autoren, unter ihnen bezeichnenderweise Experten der Agro-Konzerne Dow und Pioneer, für eine mögliche Ursache.
Alle diese Faktoren mögen eine Rolle spielen und gespielt haben. Sie widerlegen aber keineswegs das in der Agrarökologie allgemein akzeptierte Phänomen des Aufkommens sekundärer Schädlinge. Die angeführten Argumente liefern daher zwar durchaus einen Beitrag zur Diskussion über den Westlichen Bohnenschneider, vermögen aber die Agrogentechnik als entscheidenden Motor der Entwicklung nicht aus der Schusslinie zu bringen.
Ignoriert wird von den Autoren auch eine → Veröffentlichung von Christoph Then in einem Tagungsband einer ökologischen Fachtagung. Dort wird das Phänomen umfassender behandelt: Nicht nur in Gen-Mais, auch in anderen Gen-Pflanzen ist pest replacement beobachtet und teilweise zu einem massiven Problem geworden, so zum Beispiel bei Baumwolle in Asien.
Hutchinson wurde im Vorfeld der Veröffentlichung des Testbiotech-Reports eingeladen, eigene Kommentare einzubringen. Dies schlug er aus. Die Motivation für seine jetzige Veröffentlichung dürfte wohl auch in der Diskreditierung von Greenpeace zu suchen sein. Der Schlagkräftigkeit des Arguments pest replacement gegen Agro-Gentechnik tut der Artikel jedoch keinerlei Abbruch.
Wie im allgemeinen Wissenschaftsbetrieb üblich haben Testbiotech und Greenpeace die Herausgeber des Journals of Integrated Pest Management um die Möglichkeit zu einer Kommentierung in der Printausgabe der Zeitschrift gebeten.