D er fortgesetzte drastische Rückgang der Teilnehmerzahlen auch bei den diesjährigen Ostermärschen geschah mit Ansage und sehenden Auges. Die Gründe sind seit Jahren bekannt und werden regelmäßig thematisiert. Wir sagen: Sektierertum ist keine Lösung, wie auch die diesjährigen Ostermärsche, der vorläufige Tiefpunkt in der Geschichte der Ostermärsche, wieder gezeigt haben.
Die klassische Friedensbewegung war früher ein breites Bürgerbündnis für den Frieden und das muss auch so bleiben. Die Friedensbewegung darf nicht für parteipolitische Interessen missbraucht zu werden.
Dieter Dehm (Linkspartei) hat recht mit seinen Ausführungen auf dem gestrigen Ostermarsch in Berlin. Er forderte in seiner Rede die Friedensbewegung auf, sich nicht durch Querfront-Vorwürfe durch die Mainstream-Medien spalten zu lassen. Er erinnerte dabei an die rund 300.000 Unterschriften allein 1981 unter den “Krefelder Apell” mit dem Motto: „Der Atomtod bedroht uns alle – Keine Atomraketen in Europa“.
Auch damals habe es verschiedene Kräfte unter den Unterzeichnern und Unterstützern gegeben.
Dehm betonte: „Wir können doch nicht jeden, der für Frieden und gegen die NATO ist, einer Gewissensprüfung unterziehen. Wenn wir das machen, halbieren wir unsere Kräfte jedes Jahr. Wir müssen sie aber jedes Jahr verdoppeln! Wir müssen breiter werden!“
Sich in die eigene Tasche zu lügen und in Presseerklärungen die Teilnehmerzahlen zu vervielfachen, wird kaum von Erfolg gekrönt sein. Die mittlerweile nur noch dreistelligen Teilnehmerzahlen auch in der Hauptstadt und den grossen Städten (NACHTRAG: Mit der Ausnahme von Hamburg und Frankfurt/Main am 02.04.) sollten eher Anlass zum Umdenken geben.
Der Tenor der Schönrederei der Organisatoren lässt allerdings befürchten, das genau das einmal mehr nicht passieren wird.
Mittlerweile bezieht sich 68 nicht mehr auf das Jahr, sondern vielerorts auf das Durchschnittsalter. Spätestens dann sollte es eigentlich Zeit werden, darüber nachzudenken, ob man dem Anspruch an Friedensbewegung noch gerecht wird.
Ahistorisch ist die Auffassung, die Friedensbewegung müsse ein Abbild linker Parteipolitik sein. Das war die Friedensbewegung bereits schon nicht zu Zeiten der KPD, wenngleich auch Friedenspolitik stets zentraler Gegenstand sozialistischer Philosophie und Politik war. Und das war die Friedensbewegung auch ganz sicher nicht später in den 80er Jahren. Es ist nicht die Aufgabe der Friedensbewegung, als erweitertes Spielfeld zur Kompensation erfolgloser Parteipolitik herhalten zu müssen und es ist nicht ihre Aufgabe, die soziale Revolution anzustoßen.
Eine derart überfrachtete Friedensbewegung würde augenblicklich ins Stottern geraten.
Friedensbewegung ist deswegen keine Partei, weil ihre originäre Funktion eine völlig andere ist. Ihre einzige Existenzberechtigung besteht darin, Krieg und Hochrüstung zu beenden und somit Menschenleben zu retten.
Um dies bewerkstelligen zu können, ist die Friedensbewegung bestrebt, eine gesellschaftliche Mehrheit zu formieren. Diese gesellschaftliche Mehrheit ist evidenter Weise so strukturiert, wie die gesamte Gesellschaft nunmal strukturiert ist. Wer meint, er müsse zuerst die Gesellschaft politisch bilden, bevor eine Friedensbewegung zu entstehen habe, der hat Friedensbewegung konzeptionell nicht verstanden.
Friedensbewegung bedeutet den gemeinsamen Dienst aller an der historischen Verantwortung, unabhängig von individuellen Weltanschauungen. Weder ist die Friedensbewegung der Ort für Parteipolitik noch für soziokulturelle Grüppchenbildung.
Die Gesellschaft auf ein konkretes friedenspolitisches Ziel fokussieren, nicht mehr und nicht weniger ist heute unser aller Aufgabe.