N ach dem Brand auf dem mit radioaktiven Stoffen beladenen Containerschiff “Alantic Cartier” in Hamburg und dem geplanten Transport von plutoniumhaltigen MOX-Brennelementen durch Hamburg warnt die atomkritische Ärzteorganisation IPPNW den schleswig-holsteinischen Umweltminister Robert Habeck vor dem weiteren MOX-Einsatz im Atomkraftwerk Brokdorf.
Hintergrund ist die Kritik des MOX-Spezialisten Wolfgang Faber, der bei der e.on Kernkraft GmbH als Leiter für den Einsatz von Brennelementen verantwortlich ist. Das eindeutige Votum des Brennelement-Spezialisten wird allerdings vom Vorstandsvorsitzenden der e.on AG, Johannes Teyssen, ignoriert.
Auf der e.on-Hauptversammlung am 03. Mai 2013 in Essen sagte Teyssen der ehemaligen IPPNW-Vorsitzenden Angelika Claußen auf Nachfrage wörtlich: „Die Meinung von Herrn Faber ist eine Einzelmeinung. Das ist nicht die Unternehmensmeinung. Wir sehen keine Gefahrenerhöhung durch MOX-Brennelemente.”
Nach Auffassung der IPPNW ist jetzt der zuständige Atomminister Robert Habeck gefragt, den MOX-Einsatz in Brokdorf endlich zu unterbinden und verweist hierbei auf aktuelle Sicherheitsprobleme.
Faber hatte am 14. September 2011 auf einem Treffen des US Nuclear Waste Technical Review Board aus finanziellen Gründen, wegen der Dosisbelastung für das Personal und aufgrund erheblicher Schwierigkeiten und Risiken beim Einsatz sowie bei der Entsorgung von der Verwendung von MOX-Brennelementen abgeraten.
Der Spezialist weist darauf hin, dass die Wärmeleitfähigkeit geringer und die Kernbrennstofftemperatur, die Reaktivität sowie der Spaltgasdruck höher sind als bei herkömmlichen Uranbrennelementen.
Bei einem Leck-Störfall ist laut Faber mit einer stärkeren Beschädigung von Brennstäben zu rechnen („core failure rates … higher in mixed cores“).
Das Thema MOX beschäftigt die Aufsichtsbehörden und Gutachterorganisationen derzeit sehr stark. Es gibt mehrere beunruhigende Befunde, so IPPNW-Atomexperte Henrik Paulitz. So wird in zahlreichen deutschen und europäischen Atomkraftwerken ein Ansteigen des Neutronenflussrauschens beobachtet, ohne dass die Ursache dafür wirklich klar wäre.
Fest steht aber offenbar, dass der MOX-Einsatz dabei eine Rolle spielt. In einem Fall führte das sogar schon zu einer Reaktorschnellabschaltung. Neu ist den Atomtechnikern offenbar auch, dass MOX-Brennelemente bei Leck-Störfällen innenseitig oxidieren können, so dass ein Zerbröseln der Hüllrohre droht und die Kühlung somit beeinträchtigt werden könnte.
Nicht bedacht hatte man ferner, dass bei einem Aufblähen der MOX-Brennstäbe durch den höheren Spaltgasdruck der Kernbrennstoff absacken und auch deswegen die kühlfähige Geometrie im Kern beeinträchtigt werden kann.
Auch in der Schweiz werden die öffentlich kaum bekannten Probleme und Unsicherheiten im Bereich des Reaktorkerns generell und beim Einsatz von MOX-Brennelementen im Besonderen kritisch diskutiert.
In einem Gutachten für die Eidgenössische Kommission für die Sicherheit von Kernanlagen vom 27. September 2006 schreibt der Spezialist Hans-Urs Zwicky zu den Gefahren bei einem Reaktivitätsstörfall (RIA): „Dabei wurde berücksichtigt, dass MOX-Brennstoff inhomogen ist und in den plutoniumreichen Agglomeraten lokal ein sehr hoher Abbrand mit einer entsprechend porösen Mikrostruktur erreicht werden kann. Übersteigt der Spaltgasdruck in den Poren des Brennstoffs einen kritischen Wert, so wird die Brennstoffstruktur instabil und die freigesetzten Spaltgase tragen wesentlich zur Hüllrohrbelastung während des RIA bei.“
Ferner betont Zwicky: „Erste Erfahrungen bei der Kernauslegung für die Betriebszyklen 2005/06 zeigten, dass die Kriterien für Uranbrennstoff auch bei hohem Abbrand ohne Einschränkungen erfüllbar sind.
Dagegen können die relativ tiefen Werte für Hochabbrand-MOX zu einem gewissen Flexibilitätsverlust bei der Kernauslegung führen.“
Vor diesem Hintergrund fordert die IPPNW, die sofortige Ausserbetriebnahme von Atomkraftwerken wie Brokdorf, in denen MOX-Brennelemente eingesetzt werden.