Benzin E10 am Ende?

Menschen hungern, während wir Lebensmittel in den Tank packen

- von Presseticker  -

D ie Kritik ist nicht neu, doch diesmal kommt sie vom Entwicklungshilfeminister Dirk Niebel (FDP): Wegen sinkender Getreidevorräte müsse der Verkauf von Biosprit E10 gestoppt werden.
Greenpeace sowie zahlreiche andere Organisationen fordern schon lange, den Agrosprit vom Markt zu nehmen. Denn: Ein Hektar Getreide reicht, um ein Jahr lang entweder 18 Menschen zu ernähren oder ein Auto mit durchschnittlichem Verbrauch und durchschnittlicher Kilometerleistung zu betanken.

In Deutschland wird derzeit jährlich aus etwa 1,5 Miollionen Tonnen Getreide Ethanol produziert. Zusätzlich importiert Deutschland rund die Hälfte des hier eingesetzten Ethanols aus dem Ausland, welches ebenfalls zum Grossteil aus Getreide hergestellt wurde.
In den USA sind es sogar 40 Prozent der Maisernte. Die weltweiten Vorräte an Getreide sind laut Weltgetreiderat in den vergangenen Jahren drastisch gesunken: von 175 Mio Tonnen im Jahr 2009/2010 auf aktuell nur noch etwa 100 Mio Tonnen (t).

Benzin Super E10

Benzin Super E10

Weltweit aber werden inzwischen 150 Mio t Getreide jährlich zu Ethanol verarbeitet. Die Rechnung ist laut Martin Hofstetter, Landwirtschaftsexperte bei Greenpeace, einfach: Gäbe es die Ethanolerzeugung nicht, wären die Getreidelager sehr gut gefüllt und es gäbe keine Knappheit.

Schlimm ist diese Entwicklung vor allem für die Ärmsten dieser Welt, denn der Getreidemarkt ist vollständig globalisiert – der Preis entsteht somit auf dem Weltmarkt.
Die Spekulation mit Nahrungsmitteln verschärft die Situation zusätzlich. Kommen dann noch Überschwemmungen oder Dürren hinzu, ist die Situation wie im Jahr 2011 in Somalia dramatisch.

„Es ist nicht auszuhalten, dass Menschen hungern, während wir Lebensmittel in den Tank packen, um unser klimapolitisches Gewissen zu polieren“, sagt Hofstetter.

Mitschuldig an der Situation ist laut Hofstetter die Politik: Das Hauptproblem ist die starre Beimischungsregelung. Die Kraftstoffproduzenten müssen hohe Strafabgaben zahlen, wenn sie die staatlich vorgegebenen Biokraftstoffquoten nicht erreichen.
Daher bieten sie an den Tankstellen E10 sogar billiger an als Normalbenzin – obwohl Agrosprit beim Einkauf viel mehr kostet als fossiler Kraftstoff. Ein Irrsinn, den die Autofahrer über insgesamt höhere Preise zahlen müssen.

Agrosprit ist klimapolitischer Unsinn

Eingeführt wurde Bioethanol, um den CO2-Ausstoß zu reduzieren. Vertreter des Bauernverbandes und der Biokraftstoffindustrie behaupten nach wie vor, Biosprit sei klimaneutral.

Hofstetter widerspricht: Sowohl bei der Erzeugung auf dem Acker wie auch bei der Verarbeitung werden Klimagase in grossem Umfang frei. Gerade bei der Ethanolherstellung aus Getreide sieht die Klimabilanz nicht gut aus, weil viel Energie eingesetzt werden muss, um Ethanol aus Getreidestärke zu produzieren.
Zudem wird durch die Düngung mit Stickstoff im Getreideanbau massiv klimaschädliches Lachgas freigesetzt – ebenso muss der Kraftstoffverbrauch von Trecker und Drescher eingerechnet werden.

Die zunehmende Nachfrage nach Ethanol sorgt zudem für indirekte Landnutzungsänderungen, die in die bisherigen Berechnungen noch gar nicht eingeflossen sind. Wenn hierzulande mehr E 10 verkauft wird, muss er irgendwo auf der Welt erzeugt werden: Und verdrängt dort die Lebensmittelproduktion.
Um das auszugleichen, wird Wald gerodet, um neue Ackerflächen für die Lebensmittelproduktion zu gewinnen.

Wir brauchen spritsparende Autos

E10 ist also nicht die Lösung – was kann dann die CO2-Emissionen im Verkehrssektor reduzieren? Wir brauchen, so Hofstetter, strenge EU-weite CO2-Grenzwerte für Autos – und andere Autos.

Technisch ist es längst möglich, den Spritverbrauch drastisch zu senken. Die Autoindustrie muss diese Technik nur endlich anwenden. Gerade deutsche Autobauer setzen immer noch auf viel zu schwere übermotorisierte Modelle.
VW hat mit der Spritspartechnik BlueMotion die Technik sogar im eigenen Haus, setzt sie aber nicht serienmäßig ein. Dass der neue Golf mit 3 Liter Verbrauch unterwegs sein könnte, zeigt ein heute von Greenpeace vorgestellter → Report.

RF/Greenpeace

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