Der diskrete Kampf der NATO/CIA gegen die Friedensbewegung

Sind Friedensaktivisten zu gutgläubige Opfer geheimdienstlicher Strategien?

- von Stephan Steins  -

NATO, Geheimdienste, Friedensbewegung
und Widerstand

Teil I.
Wie die Friedensbewegung jetzt NATO-kompatibel werden soll

Teil II.
Der diskrete Kampf der NATO/CIA gegen die Friedensbewegung

Auch in diesem zweiten Teil treiben uns die Fragen um; warum haben die alten Strukturen der Friedensbewegung in den vergangenen Jahren so kläglich versagt, u.a. beim NATO-Krieg gegen Libyen 2011 ebenso wie 2014 anlässlich des faschistischen NATO-Putschs in der Ukraine?

Und warum gibt es heute Personen und Gruppen, die innerhalb der Friedensbewegung darauf drängen, die globale geopolitische Relevanz des imperialen NATO-Krieges als Thema auszublenden und vor allem die klassische Forderung Raus aus der NATO! aus der Friedensbewegung zu tilgen?

Der Fall Sarajevo 2014

In 2014 fand in Sarajevo (Hauptstadt von Bosnien-Herzegowina, früheres Jugoslawien) das sog. Peace Event statt, das als Veranstaltung der “internationalen Friedensbewegung” vermarktet wurde.
Einer der Hauptorganisatoren war Reiner Braun, der u.a. folgende Funktionen bekleidet: Co-Präsident des IPB (International Peace Bureau), Geschäftsführer der IALANA (International Association of Lawyers against Nuclear Arms), Vorstand der Stiftung Friedensbildung und Sprecher der Berliner Kooperation für den Frieden.

Nachdem öffentlich bekannt wurde, dass der sog. Peace Event durch die USAID (United States Agency for International Development) sowie die Bundesregierung und andere staatliche Institutionen von NATO-Ländern finanziert wird, gab Reiner Braun im Juni 2014 der Linkspartei-Zeitung Neues Deutschland (ND) ein Interview [1], in welchem er folgendes ausführte:

„Wir bekommen Gelder von mehreren Regierungen, der finnischen und der französischen. Und über die deutsche Botschaft auch von der Bundesregierung. Für uns ist das eine sinnvolle Verwendung von Steuergeldern. Und wir begrüßen es – im Sinne des Grundgesetzes –, dass die Bundesregierung bereit war, die Veranstaltung, auf deren Inhalt sie keinen Einfluss genommen hat, mit zu finanzieren. Es bleibt die Frage: Ist das meiste Geld der Rosa-Luxemburg-Stiftung nicht auch Regierungsgeld?

Alle hier aktiven Friedensgruppierungen und viele zivilgesellschaftlich engagierten Gruppen in Bosnien-Herzegowina und in den anderen Teilen des ehemaligen Jugoslawien leben davon, dass sie von der USAID oder der EU finanziell unterstützt werden.“

Die USAID gilt als Tarnorganisation des US-Geheimdienstes CIA. Dass der US/NATO-Imperialismus kein Interesse an einer echten, starken Friedensbewegung hat, ist evident.
So lesen wir über die USAID bspw. im renommierten Réseau Voltaire [2], dessen Präsident der französische Publizist Thierry Meyssan ist:

„Der Verwalter der US-Agentur für Internationale Entwicklung (USAID) erklärte dem Senat, er wüsste nicht, woher die Idee der Schaffung eines “Social Networks” käme, um einen Aufstand in Cuba zu provozieren. (…)
Viele Staaten, darunter Bolivien, Cuba, Haiti, Honduras, Uruguay, Venezuela und Russland haben die USAID als Deckmantel der CIA gemeldet.“

Eigentlich überflüssig noch zu erwähnen, dass die angebliche “internationale Friedensbewegung” in Sarajevo nicht die realpolitische Forderung nach Austritt aus der NATO erhoben hat.

Der Fall Berlin 2016

Der Name Reiner Braun taucht aktuell auch wieder auf als Organisator des Disarm! IPB World Congress, der vom 30.09. bis 03.10.2016 in Berlin stattfinden soll. [3]

Das Anliegen der Konferenz klingt für unbedarfte Ohren wahrscheinlich sehr gut, geprägt von Humanismus und der Aufzählung zahlreicher Verbrechen des Imperialismus, insbesondere im Hinblick auf weltweite fatale soziale Konsequenzen.
Es sind nicht die Bestandsaufnahmen imperialistischer Hochrüstung, die humanistische Kritik daran und die Forderung nach allgemeiner Abrüstung – die Friedensaktivisten natürlich aus dem Herzen sprechen und diese emotional berühren – die Anlass für eine kritische Auseinandersetzung mit dieser vermeintlichen Friedensinitiative sind.

Vielmehr ist der Punkt der, dass die durch den Disarm! IPB World Congress formulierte Kritik auf die Erfassung des globalen militärischen Kräfteverhältnisses und die Nennung von Verursachern und Opfern auf staatlicher Ebene verzichtet.
Die Kritik bleibt moralisierend abstrakt und blendet Friedenspolitik mit einer realen Handlungsperspektive vollständig aus.

Statt konkret das US-Kriegskommando NATO und dessen imperialen Krieg ins Licht der Öffentlichkeit zu rücken und den globalen Imperialismus als Ursache zu identifizieren, wird stattdessen von „globalen Problemen der Menschheit“ und ähnlichen Relativierungen gesprochen.

Folgerichtig wird die “Abrüstungsfrage” als gleich verteiltes Problem aller Länder beschrieben und die überragende Dominanz des US/NATO geführten Imperialismus verschleiert. So als ob es das Gleiche wäre, wenn Staaten wie Südafrika sich eine zweitklassige Luftwaffe zulegen im Verhältnis zu den über 1.000 Militärbasen der USA in über 130 Ländern.

CIA, Central Intelligence Agency, USA

CIA, Central Intelligence Agency, USA

Wie die Faust aufs Auge passt in dieses Bild denn auch, dass der Disarm! IPB World Congress nach eigenen Angaben u.a. finanziell unterstützt wird durch die vorwiegend staatlich finanzierten Friedrich-Ebert-Stiftung (SPD), Heinrich-Böll-Stiftung (Grüne) und der zionistischen sog. Rosa-Luxemburg-Stiftung (Linkspartei), allesamt wichtige Transmissionsriemen imperialer Hegemonie in linke und friedensbewegte Kreise hinein.
Entsprechend systemnah fällt auch die Liste der angekündigten prominenten Gäste aus, so finden sich dort neben einigen respektablen Namen u.a. auch jene von: Matthias Kollatz (Senator für Finanzen Berlin), Reiner Hoffmann (DGB-Vorsitzender), Frank Bsirske (DGB / ver.di).

Die Kampagne Disarm! (entwaffnen) geostrategisch verstehen

Abrüstung, das zentrale Thema des Disarm! IPB World Congress, gehört natürlich zu den Kernthemen der Friedensbewegung. Allerdings keineswegs lediglich als Abstraktum, losgelöst von den realen globalen Machtverhältnissen.

In einer Welt in welcher sich ein Imperium fortgesetzt über das internationale Völkerrecht hinwegsetzt, ganze Länder und Regionen in Schutt und Asche legt und eine massive Bedrohung für den Weltfrieden darstellt, muss kritisch hinterfragt werden; wer soll abrüsten, wer gegebenenfalls zu Abrüstung gezwungen werden und wer steht über den Rechtsnormen der internationalen Völkergemeinschaft?

Unter Disarmament (Abrüstung) und Arms Control (Rüstungs-kontrolle) verstehen die USA vor allem Initiativen zur Abrüstung anderer Staaten. So wurde bspw. der offizielle Kriegsgrund für den völkerrechtswidrigen Krieg gegen den Irak 2003 damit begründet, dass der Irak wegen des angeblichen Besitzes von Massenvernichtungswaffen entwaffnet werden müsse.
Wie aufgeklärte Zeitgenossen bereits damals wussten und sich später auch offiziell bewahrheitete, war dies eine weitere frei erfundene US-Kriegslüge.

Das Interesse des US/NATO geführten Imperiums besteht darin, nach Möglichkeit eine umfassende internationale Kontrolle über Rüstung und Waffenhandel zu erlangen.
Die Bundeszentrale für Politische Bildung erklärt [4]:

„Abrüstungs- und Rüstungskontrollmaßnahmen können Staaten aufgezwungen, von Staaten einseitig beschlossen oder zwischen zwei oder mehreren Staaten vereinbart werden.“

Das Thema ist derzeit Gegenstand von Initiativen, die durch NATO-Länder auch in die Vereinten Nationen getragen werden. So forderte UN-Generalsekretär Ban Ki-moon im Mai 2015 weitere Maßnahmen, um die „illegale Verbreitung von Waffen zu bekämpfen und den Munitionsnachschub zu kappen“. Der 2014 in Kraft getretene internationale Arms Trade Treaty (ATT, Waffenhandelskontrollvertrag) sei ein wichtiges Instrument für die globale Kontrolle von Waffenlieferungen, sagte Ban in New York vor dem UNO-Sicherheitsrat [5]:

„Das ATT soll sicherstellen, dass Waffenexporte keine Waffenembargos verletzen, Konflikte anheizen oder dem Terrorismus dienen oder die internationalen Menschenrechte und humanitäres Recht verletzen können.“

Dass Länder wie Syrien nicht Produktion und Handel von Kriegsgerät der USA kontrollieren werden, sondern es sich selbstredend umgekehrt verhält, bedarf wohl keiner weiteren Erläuterung. Und wer “Terrorist” ist, bestimmen bekanntlich sowieso die USA.
Hier wird also einmal mehr ganz gezielt imperialistischer Geostrategie Vorschub geleistet, denn vom Arms Trade Treaty zu darauf Bezug nehmende UNO-Resolutionen gegen unliebsame Staaten – im NATO-Sprachgebrauch gerne als Regime, Diktatoren und Terroristen bezeichnet – ist es dann nicht mehr weit.

Es geht schlicht um die Etablierung von Rechtsnormen im internationalen Recht – allerdings in einer imperialistischen Welt, in der, wie uns die Realität täglich beweist, stets das Recht des Stärkeren ausschlaggebend ist.

Es ist nachvollziehbar, dass Friedensaktivisten auf Schlüsselwörter wie Abrüstung euphorisch und mit Engagement reagieren. Aber wer nicht genau hinschaut, nicht die geopolitischen Hintergründe kritisch hinterfragt, erweist dem Frieden einen fatalen Bärendienst.
Konkrete Friedenspolitik mit realer Handlungsperspektive heisst:
Raus aus der NATO!

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