Russland kann die NATO an seiner Westgrenze loswerden – durch einen Friedensvertrag

Der imperiale Krieg steht und fällt mit der US-Besatzung Deutschlands

- von Stephan Steins  -

S ofern die öffentlich zugänglichen Informationen zutreffend sind, wird Russland (so wie auch China) erst um das Jahr 2025 seine Streitkräfte derart modernisiert haben, dass der imperialen USA/NATO im Kriegsfalle Paroli geboten werden kann, ohne auf atomare Schläge ausweichen zu müssen.

Dies mag erklären, warum die russische Aussenpolitik als eher passiv operierend daherkommt, zumindest so wahrgenommen wird. Die Rückführung der Krim nach Russland auf Grundlage einer demokratischen Volksabstimmung und im Einklang mit dem internationalen Völkerrecht, bedeutet in der aktuellen Epoche einen Ausreisser aus der grundsätzlichen Strategie, welcher ganz bewusst durch die imperiale NATO provoziert wurde.

Die imperialen Strategen haben unterdessen realisiert, dass die europäische Nachkriegsordnung, namentlich die US-Besatzung Deutschlands und darüber die Kontrolle der imperialen Institution EU (Europäische Union) ein Verfallsdatum aufweist.
Diesen Status Quo weiterhin konservieren zu können, erfordert die Aufhetzung breiter Massen gegen eine europäische Friedensordnung, welche ohne Aussöhnung und Annäherung an Russland ohne belastbare Perspektive bleiben würde.

Zieht man den Start von RT Deutsch (Russia Today) im vergangenen Jahr als Gradmesser heran für die Beurteilung des Gewichts, welches die “Deutsche Frage” derzeit in Russland zu spielen scheint, so muss auch hier eine ernüchternde Passivität bilanziert werden.
An der wichtigsten westlichen Medienfront zwischen Moskau und New York mit einer digitalen “Schülerzeitung” anzutreten, vermittelt die indifferente Botschaft: Seht her, wir könnten, wenn wir denn wollten. Anders kann man diese Unternehmung angesichts der zentralen Bedeutung der BRD als US/NATO-Militärbasis im imperialen Krieg nicht interpretieren.

Der imperiale Krieg ist ohne die Militärbasis BRD, 1949 durch die USA gegen das internationale Völkerrecht und die völkerrechtlich gültige deutsche Verfassung etabliert, nicht aufrecht zu erhalten.
Nicht zuletzt aus diesem Grunde ist der Austritt aus dem US-Kriegskommando NATO von zentraler Bedeutung für die weitere globale Entwicklung im 21. Jahrhundert. Der imperiale Krieg, und somit auch die Bedrohung für Russland, steht und fällt mit der US-Besatzung Deutschlands.

Dass die imperiale NATO heute bereits in Kiew steht und dort ein faschistisches Marionettenregime unterhält, wurde durch historische Verfehlungen möglich, an denen auch Russland selbst, bzw. die Sowjetunion mitgewirkt hatte.
Vordergründig dienten die, auch durch die UdSSR mitgetragenen, Nürnberger Prozesse (1945 – 1949) der Abrechnung mit dem NS-Regime und seinen Kriegsverbrechen. Dass dabei die Kriegsverbrechen der alliierten Siegermächte ausgeblendet wurden, mag noch als relativ kleineres Problem durchgehen, angesichts des eigentlichen Kriegszieles des sich bildenden anglo-amerikanischen Imperiums und des britischen Imperialismus im Besonderen.
Nicht das NS-Regime galt es niederzuringen, dieses war 1945 ja bereits geschlagen, sondern Deutschland als Völkerrechtssubjekt zu vernichten. Und bereits am 03. September 1939, dem Tag der britischen Kriegserklärung an Deutschland, erklärte Winston Churchill: „Dieser Krieg ist ein englischer Krieg und sein Ziel ist die Vernichtung Deutschlands.“ Der Britische Diplomat und Berater Churchills, Robert Vansittart, bekräftigte 1940 in einer Notiz an Aussenminister Anthony Eden, dass es um die „Vernichtung Deutschlands, nicht um Nazi-Deutschlands“ ginge.

HINTERGRUNDINFORMATION

Bereits 1948, drei Jahre nach dem offiziellen Ende des zweiten Weltkriegs, schrieb die KPD in einer Erklärung zur politischen Lage:

„Die Einhaltung der Potsdamer Vereinbarungen durch die Westmächte hätte unserem Volk einen friedlichen wirtschaftlichen und politischen Aufstieg und seine Wiedereinreihung in die Völkerfamilie ermöglicht. (…) Die Abkehr von Potsdam und die Einbeziehung eines Teils von Deutschland in den kapitalistischen Westblock finden ihren Niederschlag in den Londoner Sechsmächteempfehlungen vom Juni 1948. (…)

Mit der Schaffung des Besatzungsstatutes aber wird der Abschluss eines Friedensvertrages und damit der Frieden für ganz Deutschland auf unabsehbare Zeit hinausgeschoben und der jetzige Zustand der nationalen Rechtlosigkeit verlängert. (…)

Damit wird Westdeutschland zu einer Domäne des USA-Monopolkapitalismus bei der Beherrschung Westeuropas und zum Sprungbrett seiner Expansionspolitik gegen den Osten.“

Im Jahr 1992 schrieben wir im Berliner Manifest der KPD (Initiative):

„Verstärkt formieren sich die westlichen imperialistischen Staaten zu einem globalen Imperium, dessen militärische Konstituierung im weiteren Ausbau der NATO zum NATO-Imperium zum Ausdruck kommt. Durch die wachsende koordinierte Macht des international organisierten Kapitals, verlieren die Nationalstaaten und deren Parlamente zunehmend an Einfluss auf die internationalen ökonomischen Prozesse. (…)

Das sich neu formierende globale kapitalistische Imperium und seine nationalen Agenturen betreiben verstärkt den Abbau demokratischer und sozialer Grundrechte. Durch die internationale Entwicklung verändern sich auch die ökonomischen Grundlagen für einen potentiellen künftigen Faschismus. An die Stelle der Kapitalinteressen des nationalen Kapitals als Basis faschistischer Herrschaft und imperialistischer Strategien, tritt tendenziell das international organisierte Kapital mit seinen transnationalen, imperialen Bedürfnissen.

Durch die technologische Entwicklung begünstigt, strebt das Imperium durch immer neue, weitergehende Rechtsnormen die Totalüberwachung aller Bürger an. Diese Entwicklung der schleichenden Faschisierung der Gesellschaft droht in einem künftigen HighTech-Faschismus des 21. Jahrhunderts zu münden. Die KPD fordert deshalb die Vernichtung aller Akten und Datenbestände und Abschaffung aller Systeme, welche geeignet sind flächendeckend in das informationelle Selbstbestimmungsrecht aller Bürger einzugreifen.
Antifaschistischer Widerstand muss sich heute in erster Linie dieser neuen, veränderten globalen Bedrohungslage stellen.“

Expansion der imperialen NATO in Europa 1990 - 2014

Expansion der imperialen NATO in Europa 1990 – 2014

Zu spät hatte die UdSSR die tatsächlichen anglo-amerikanischen Kriegsziele identifiziert. Die späteren Versuche bis in die 50er Jahre hinein, Deutschland als souveränes Völkerrechtssubjekt zu erhalten, scheiterten.
So arrangierte man sich mit der, durch das Imperium forcierten, Blockbildung. Auf die Gründung der BRD folgte die Gründung der DDR. Auf die Gründung der NATO folgte die Gründung des Warschauer Vertrages. Die Sowjetunion reagierte nur noch, lief der internationalen Entwicklung hinterher und verlor die Initiative.

Die zentrale Bedeutung der Nürnberger Prozesse liegt in der Negierung des internationalen Völkerrechts. Denn durch diese Entwicklung und ihre Legitimationslogik wurde eine Macht konstituiert, welche sich über die Normen des Völkerrechts stellte – das Recht ergo ad absurdum geführt.
Nürnberg selbst bedeutete ein Kriegsverbrechen und historische Zäsur gegen das internationale Völkerrecht – mit fatalen Auswirkungen bis heute.

Diese derart im internationalen Verhältnis der Staaten etablierte Legitimationslogik bildet heute die Grundlage für den uneingeschränkten Herrschaftsanspruch der imperialen Oligarchie, politisch artikuliert durch den US-Imperialismus.
Sozialisten identifizieren heute jenes Imperium, ökonomisch durch das international organisierte Kapital, die imperiale Oligarchie kontrolliert, politisch durch die USA geführt, militärisch im Ausbau der NATO zur globalen Gewalt konstituiert, ideologisch durch den Zionismus geprägt und in Europa über den undemokratischen Zentralismus der Institution EU (Europäische Union) vermittelt.

Aus der Legitimationslogik der europäischen Nachkriegsordnung resultierte der imperiale Machtanspruch im globalen Maßstab. Folgerichtig lautet denn auch eine Marketingstrategie des globalen Imperialismus „No Border, No Nation“.

USA-BRD, Raus aus der NATO!

Hierbei dient die Logik der Nürnberger Prozesse und die damit korrespondierende Zerschlagung Deutschlands als souveränes Völkerrechtssubjekt als Blaupause für die imperiale Geostrategie des 21. Jahrhunderts. Nunmehr sollen sämtliche Nationalstaaten ihrer Souveränität beraubt werden und sich dem Machtanspruch des globalen Imperialismus und seiner Institutionen unterordnen – politisch (Führungsmacht USA), militärisch (NATO) und juristisch (TTIP und Co.)
Das strategische Ziel ist die Zerschlagung des Modells der bürgerlich demokratischen Republik der Europäischen Aufklärung, indem deren souveräne Organe und Rechtsnormen – und damit jegliche demokratische Partizipation – vollständig entmachtet werden.

8. Mai 1945 - 2015 - Befreiung heisst Friedensvertrag!

Die zwei Optionen Russlands

Heute hat Russland zwei Optionen im Hinblick auf seine Westgrenze. Entweder steht dort die imperiale USA/NATO – oder ein souveränes Westeuropa, das ohne ein souveränes Deutschland auf der Grundlage des internationalen Völkerrechts nicht realisierbar ist.

Russland muss sich bewusst sein, dass es diese Entwicklung selbst steuern kann. Russland selbst hält den Schlüssel für eine europäische Friedensordnung auf der Grundlage des internationalen Völkerrechts in seinen Händen.
Dieser Schlüssel heisst Friedensvertrag.

Eine Abwägung des Für und Widers dieser Optionen erübrigt sich. Denn eines ist klar; die imperiale USA/NATO werden nicht in Kiew halt machen. Und dem Imperium wäre es lediglich ein weiterer zu zahlender Preis für die Machterhaltung der imperialen Oligarchie, läge Europa erneut in Schutt und Asche.
Die Europäer selbst, insbesondere jene 99 Prozent, die hier leben und arbeiten müssen (und wollen), haben zur Frage von Krieg und Frieden vor ihrer eigenen Haustür naturgemäß eine andere Haltung, als globale geopolitische Strategen.

So wie Deutschland sich auf diesem Weg wieder selbst finden muss, so muss auch Russland einen Erneuerungsprozess durchlaufen. Beide Nationen sind Schicksalsgefährten, Brüder dazu verdammt, ihre Erblasten konstruktiv aufzulösen.
Dabei muss sich Russland entscheiden, ob es Hammer oder Amboss sein will, ob es die internationale Entwicklung vorantreibt, oder sich wie in den 1940/50er Jahren erneut in die Defensive drängen lässt.

Ja, auch Russland wird hierbei einen Preis bezahlen müssen. Beides ist nicht zu haben; eine NATO-freie Westgrenze und gleichzeitig das Festhalten an Nürnberg gegen das internationale Völkerrecht. Diese Konsequenz muss in Russland realisiert werden.
Nur Deutschland, wo die imperiale Entwicklung ihren manifesten Ausgangspunkt hat, kann die USA/NATO aus Europa hinauswerfen. Aber nur Russland ist in der Lage, dem demokratischen Deutschland den hierfür erforderlichen Handlungsspielraum zu verschaffen.

Nicht unsere, in den globalen Imperialismus eingebettete, nationale Bourgeoisie, sondern nur das demokratische Deutschland wird einer Partnerschaft mit Russland neue Perspektiven eröffnen und einer der Garanten für eine europäische Friedensordnung sein.
Die Epoche erfordert eine Entscheidung; wird Russland dem demokratischen Deutschland einen Friedensvertrag anbieten?
Wir warten.

Imperialismus, Widerstand und Klassenfrage

Abschliessend noch ein Abschnitt für jene subjektiven Linken, denen in der aktuellen, komplexen Epoche die Orientierung abhanden gekommen ist.

Wer jetzt argumentiert, dass ein souveränes Deutschland zwangsläufig eine erstarkte “Grossmacht Deutschland” bedeutet und eine nicht mindere Bedrohung als die USA/NATO darstellen würde, übersieht die fortgeschrittene ökonomische Entwicklung der vergangenen 100 Jahre.
Der Feststellung Karl Liebknechts aus dem Jahre 1915 „Der Hauptfeind steht im eigenen Land!“ war richtig, selbstverständlich spielt die Klassenfrage, die Kritik der politischen Ökonomie weiterhin die zentrale Rolle in der Analyse der internationalen Entwicklung. Daher ist auch dieses, dem Zeitgeist geschuldete, unwissenschaftliche Gerede vom Ende des Klassenantagonismus (mithin es gäbe kein links und rechst mehr) nichts als blanker Unsinn.

Denn was wir heute als Frontstellung in der Welt bilanzieren müssen, ist ja genau jene Entwicklung, welche die sozialistische Philosophie seit über 150 Jahren beschrieben hat. Die Welt wie sie heute ist, mit ihren Machstrukturen, Institutionen und dem imperialen Dauerkrieg ist die direkte und unausweichliche Konsequenz der kapitalistischen, privaten Kapitalakkumulation.
Gleichwohl haben sich die Strukturen dieser Kapitalakkumulation und ihrer Klasse seit den Tagen Liebknechts qualitativ verändert. Die mit dem globalen Imperialismus kollaborierende und von diesem profitierende nationale Bourgeoisie hat gar kein Interesse an der Wiederherstellung der Schutznormen des internationalen Völkerrechts, sie steht als dessen integraler Bestandteil auf der Seite des globalen Imperialismus.
Die Klassenfrage stellt sich 2015 ebenso wie 1915, jedoch haben sich deren Parameter, wie vorausgesagt, weiterentwickelt.

Die Frage des Völkerrechts und der Souveränität löst nicht die Klassenfrage. Das ist aber auch gar nicht ihre Intention. Vielmehr geht es in der aktuellen Epoche um einen antiimperialistischen – und antifaschistischen – Abwehrkampf gegen die globale Diktatur.
Die KPD betitelte ihr Programm „Programmerklärung zur nationalen und sozialen Befreiung des deutschen Volkes“ und verband den Widerstand gegen Imperialismus, Faschismus und Krieg mit einem breiten Bündnis der antifaschistischen Volksmassen. Das, und nur das, war immer und bleibt immer linke Politik.

Die Souveränität Deutschlands auf der Grundlage eines Friedensvertrages rekonstituiert das internationale Völkerrecht in Europa. Das Ende der US-Besatzung, der Abzug ausländischer Truppen und der Austritt aus der NATO bedeutet eine erhebliche Niederlage für den Imperialismus, mithin das Ende der Ausweitung des imperialen Krieges.
Dieser strategischen Herausforderung und historischen Verantwortung müssen sich Linke heute stellen – oder sie enden als nützliche Idioten des Klassengegners.

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