Das Imperium wird ausgebaut und US-Recht in Europa zwangsumgesetzt

TTIP, FATCA, Transatlantische Partnerschaft, SWIFT - von Jean-Claude Paye

- von Presseticker  -

A m 23. April 2013 wurde von Belgien und den USA ein Abkommen geschlossen, das in Belgien einem US-Gesetz gegen Steuerbetrug – das Foreign Account Tax Compliance Act (FATCA) – Geltung verleihen wird. Mehrere Staaten, darunter Grossbritannien, Frankreich, Deutschland und Japan haben bereits ein solches Abkommen unterzeichnet, das dem US-Gesetz auf jeweils nationalem Boden Geltung verleiht.

Ab dem ersten Januar 2015 müssen die Finanzinstitute die US-amerikanischen Behörden über die, auf den Konten US-amerikanischer Bürger vorgenommenen Geldbewegungen, informieren.
Sobald der Betrag 50.000 US-Dollar übersteigt oder eine gewisse Zahl an Bewegungen mit dem US-amerikanischen Territorium erfolgen, muss die Bank einen genauen Bericht der Geldbewegungen erstellen. Entzieht sich eine Bank diesem Verfahren, werden ihre Tätigkeiten auf US-amerikanischen Boden um 30 Prozent überbesteuert und die Bank kann bis hin mit dem Entzug der Banklizenz in den USA bestraft werden.

Nun verletzen diese Verträge zwischen den EU-Mitgliedstaaten und der US-Regierung die jeweiligen nationalen Datenschutzgesetze, sowie die ins Recht aller Mitgliedsstaaten aufgenommene Richtlinie Nr 95/46/CE des Europaparlaments und des Europarats vom 24. Oktober 1995 „zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr“.

Die Umsetzung des FATCA in Europa verletzt das nationale Recht der europäischen Staaten sowie das EU-Recht. Diese Gesetzgebung ist nicht abgeschafft, sondern ausgesetzt. Sie müssen bei den Beziehungen mit den USA einfach ausser Acht gelassen werden.

Bei vorherigen Abkommen, welche die Datenerfassung durch US-amerikanische Staatsbehörden legalisierten (US-Recht in Europa), wurde dasselbe Verfahren angewendet. Seit den Attentaten vom 11. September 2001 hatte die US-amerikanische Gesellschaft belgischen Rechts Swift Zehntausende Millionen Daten mit Bezug auf die Finanzoperationen ihrer Kunden an das US- Finanzministerium heimlich weitergeleitet.

Obwohl dabei das europäische und belgische Recht grob verletzt wurde, ist diese Erfassung nie in Frage gestellt worden. Ganz im Gegenteil haben die EU und die USA mehrere Verträge unterzeichnet, um diese zu “legitimieren”.

Da Swift ihren Sitz in La Hulpe hatte, ist die Firma dem belgischen und dem EU-Recht unterstellt, aber auch dem US-amerikanischen Recht, weil ihr zweiter Server in den USA untergebracht ist. Somit hat sie entschieden, das europäische Recht zu verletzen, um sich den Forderungen der US-amerikanischen Exekutive zu unterwerfen.
Seit Ende 2009 werden aber Swifts innereuropäische Daten nicht mehr in die USA, sondern auf einen zweiten europäischen Server weitergeleitet. Zwar haben nun die US-Amerikaner keinen direkten Zugang mehr zu den Daten, letztere werden aber auf Anfrage als “Pakete” weitergeleitet und die US-Amerikaner beherrschen als Einzige den Datenbehandlungsvorgang.

Ausserdem haben die US-Amerikaner gleich nach Unterzeichnung der Abkommen neue Forderungen gestellt. Die US-Regierung hatte 2009 schon erklärt, dass „Transaktionen zwischen europäischen und US-amerikanischen Banken auch ohne erwiesene Notwendigkeit erfasst werden sollten.“

Ebenfalls hat sich die EU der Mitteilung der PNR-Daten (Passenger Name Record = Fluggastdatensatz) durch die Fluggesellschaften mit Sitz auf ihrem Boden nie widersetzt. Mitgeteilt wurden der Name, Vorname und Adresse, Rufnummer, Geburtsdatum, Staatsangehörigkeit, Passnummer, Geschlecht, aber auch die Adressen während des US-Aufenthalts, im Land aufgenommene Kontakte, Wegbeschreibungen sowie medizinische Daten.

Auch Bankdaten wie Zahlungsweise und Kreditkartennummer und auch Ernährungsverhalten, was Informationen über die religiöse Praxis vermittelt, gehören dazu.
Die einseitige US-amerikanische Initiative, sich dieser Daten zu bemächtigen, wurde von der europäischen Seite als selbstverständlich hingenommen, obwohl sie ihre Gesetzgebung aussetzen musste, um den US-amerikanischen Forderungen gerecht werden zu können.

Arminius (Hermann der Cherusker) und seine Streitmacht stoppten im Jahr 9 in der Schlacht im Teutoburger Wald (Varusschlacht) das Römische Imperium

Arminius (Hermann der Cherusker) und seine Streitmacht stoppten im Jahr 9 in der Schlacht im Teutoburger Wald (Varusschlacht) das Römische Imperium

In beiden Fällen – Luftpassagiere und Swift – wird die gleiche Technik angewandt. Es handelt sich de facto nicht um ein juristisches Abkommen zwischen zwei Seiten, zwischen zwei souveränen Mächten.
Da gibt es nur eine Seite, die US-Regierung, die sich faktisch direkt an die europäischen Bürger wendet. In beiden Texten pocht die US-amerikanische Exekutivmacht auf ihr Recht, über deren persönliche Daten zu verfügen und somit übt sie ihre souveräne Macht direkt über die EU-Bürger aus.

Ebenfalls steht bei den Verhandlungen zur Umsetzung eines grossen transatlantischen Marktes, der Transatlantischen Handels- und Investitionspartnerschaft (Transatlantic Trade and Investment Partnership) die Vormachtstellung des US-amerikanischen Rechts auf europäischem Boden auf dem Spiel.

Über das TTIP dürfen dann die USA im Namen des freien Wettbewerbs Klage erheben gegen einen Staat, der ihnen keine Genehmigung zur Gewinnung des Schiefergases erteilen will oder Lebensmittelnormen bzw. Sozialstandards vorschreiben will.
Mit Hilfe eines solchen Streitbeilegungssystems könnten die US-Amerikaner ganze Teile der europäischen Regulierungsmaßnahmen abbauen, indem sie vor US-amerikanischen Gerichten rechtliche Präzedenzfälle kreieren.

Nämlich wurde die Möglichkeit eines solchen Mechanismus geschaffen, als die Europäer diese im Verhandlungsmandat eingeschlossen haben, welches im Juni 2013 von den EU-Handelsministern der Europäischen Kommission erteilt wurde.
Solche Streitfälle werden vorzugsweise vom Internationalen Zentrum zur Beilegung von Investitionsstreitigkeiten (ICSID), einer von der Weltbank abhängigen Stelle mit Sitz in Washington, geregelt; die Richter – Geschäftsanwälte oder Rechtsprofessoren – werden je nach Fall ernannt, einer wird vom klagenden Unternehmen, der zweite vom Bundesstaat Washington, der dritte von der Generalsekretärin des ICSID gewählt.

Wird dieses schon zum Teil hingenommene Verfahren im Rahmen des künftigen grossen transatlantischen Marktes eingeführt, wird das europäische Recht schon wieder klein beigeben, hier vor einer privaten Rechtsstelle in den USA, in welcher die US-amerikanische Seite eine entscheidende Rolle spielen wird.

RF/mondialisation.ca – Übersetzung Michèle Mialane

Schlagwörter # , , , , , , ,

Rote Fahne bezahlen