EU-Untersuchungsausschuss: Totalüberwachung ist nicht so richtig legal

Verletzung des internationalen Völkerrechts

- von RF  -

B ereits im Juli erläuterte Die Rote Fahne, warum die imperiale Totalüberwachung, allen voran durchgeführt durch den US-Militärgeheimdienst NSA (National Security Agency, Nationale Sicherheitsbehörde), einen Kriegsakt gegen Deutschland im Sinne des internationalen Völkerrechts darstellt. [1]

Wenn auch nicht in derart deutlichen, unmissverständlichen Worten, so kommt dennoch der Untersuchungsausschuss im Europaparlament, nach Würdigung der Rechtslage wie sich diese aus dem internationalen Völkerrecht ergibt, zu einer ähnlichen Einschätzung – freilich ohne daraus die notwendigen Konsequenzen, wie die Forderung nach einem Friedensvertrag für Deutschland, zu ziehen.

So berichtet die Plattform für digitale Bürgerrechte netzpolitik.org u.a.: Am 14.10. befasste sich der Untersuchungsausschuss des Europäischen Parlaments mit rechtlichen Fragen rund um die Überwachungsprogramme der Geheimdienste.
Die geladenen Experten, darunter die EGMR-Beschwerdeführer Constanze Kurz und Nick Pickles von Big Brother Watch, waren sich weitgehend einig, dass die Programme von NSA und GCHQ gegen verschiedene rechtliche Vorgaben verstoßen – sowohl auf nationaler wie auch auf supranationaler Ebene.

George Orwell, 1984, Big Brother

George Orwell, 1984, Big Brother

Der UN-Zivilpakt

Der frühere UN-Sonderberichterstatter zu Menschenrechten bei der Bekämpfung von Terrorismus Martin Scheinin setzte sich vor allem mit dem UN-Zivilpakt (ICCPR) auseinander und machte deutlich, dass die bekannt gewordenen NSA-Programme klare Verstöße darstellen.
In Artikel 17 des Zivilpakts heisst es:

(1) Niemand darf willkürlichen oder rechtswidrigen Eingriffen in sein Privatleben, seine Familie, seine Wohnung und seinen Schriftverkehr oder rechtswidrigen Beeinträchtigungen seiner Ehre und seines Rufes ausgesetzt werden.
(2) Jedermann hat Anspruch auf rechtlichen Schutz gegen solche Eingriffe oder Beeinträchtigungen.

Artikel 4 (1) enthält zwar die Möglichkeit, diese Rechte einzuschränken, allerdings nur für den Fall „eines öffentlichen Notstandes, der das Leben der Nation bedroht und der amtlich verkündet ist“. Über solche Einschränkungen müssen ausserdem die weiteren Vertragspartner informiert werden (Art. 4 (3)).
Einen Bruch des Pakts sieht Scheinin als bewiesen an, da von US-Behörden entsprechende Eingeständnisse gemacht wurden. Das Europaparlament solle eine Beschwerde beim UN-Menschenrechtsausschuss in Erwägung ziehen.

Was können welche Gerichte tun?

Bostjan Zupancic, Richter am Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR), erklärte die Probleme einer Klage. Normale Gerichte würden sich nicht mit Fragen der nationalen Sicherheit auseinandersetzen. Die Erfolgsaussichten vor einem nationalen Verfassungsgericht seien für einen Bürger höher als vor dem EGMR.
Dieser verfüge kaum über Mittel, dem Bürger zu seinem Recht zu verhelfen. Die Verfassungsgerichte der einzelnen Länder könnten dagegen gegen nicht-verfassungskonforme Gesetze vorgehen.

Die Abgeordnete Sophie in’t Veld nannte Zupancics Vortrag deprimierend, da aus ihm hervorgehe, dass normale Bürger praktisch keine Rechtsmittel hätten. Zupancic widersprach, räumte allerdings ein dass die Erschöpfung des Rechtswegs einige Jahre dauern würde.

Internationale Verträge und Kooperationen

Der britische Rechtswissenschaftler Douwe Korff merkte dagegen an, dass die Rechtslage eine Beschwerde beim EGMR bereits erlaube, da kein effektiver Rechtsweg vorhanden sei.
Korff stellte klar, dass die Überwachungsprogramme vollkommen unvereinbar mit den grundsätzlichen Menschenrechtserklärungen und den europäischen Datenschutz-bestimmungen seien.

Ausserdem stellten die Aktivitäten Verletzungen der Souveränität anderer Staaten dar, was, wie er auf Nachfrage von Jan Philipp Albrecht bestätigte, auch zu einer Verhandlung vor dem Internationalen Gerichtshof führen könnte.
Allerdings brauche es dafür das Einverständnis der beteiligten Staaten.

Das grundsätzliche Problem sind laut Korff die ausserhalb des Rechtssystems stehenden Geheimdienste. Die Kooperationen zwischen den Geheimdiensten wie 5 Eyes, NATO-Verträge oder Verträge zwischen einzelnen Staaten seien weitgehend geheim und entzögen sich rechtsstaatlicher bzw. demokratischer Kontrolle.

Constanze Kurz machte deutlich, dass der jetzt beschrittene juristische Weg bei weitem nicht ausreichend sei. Es müssten politische Lösungen gefunden werden, um das Fernmeldegeheimnis und das Recht auf eine Privatsphäre zu stärken.
Die Regierungen müssten darüber hinaus “digitale Nichtangriffspakte” schliessen.

RF/netzpolitik.org

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