Das Projekt der neuen Weltordnung stolpert über geopolitische Realitäten

Es geht um die Abschaffung der seit dem westfälischen Frieden geprägten Souveränität der Staaten - von Imad Fawzi Shueibi

- von Presseticker  -

J etzt ist es vier Jahrhunderte her, dass politische Führer versuchen, eine internationale Ordnung zu schaffen, die die Beziehungen zwischen den Nationen regeln und Kriege verhindern soll. Wenn das Prinzip der Souveränität der Staaten auch Ergebnisse erbracht hat, waren die zwischenstaatlichen Organisationen jedoch im Wesentlichen vom Kraftverhältnis des Augenblicks geprägt.
Das ehrgeizige US-Projekt einer neuen Weltordnung ist dabei, auf den neuen geopolitischen Realitäten zu zerschellen.

Die Idee einer globalen oder internationalen Ordnung erscheint bereits im 17. Jahrhundert, auch wenn der Ausdruck “Weltordnung” nur erst vor kurzem in die politische Rede eingeführt wurde.
Jedes Mal, wenn sich eine Gelegenheit ergab den Frieden zu organisieren und zu erhalten, wurde sie diskutiert.

Es ist in 1603, als der König von Frankreich Heinrich IV. von seinem Minister, dem Herzog von Sully, einen ersten Entwurf vorbereiten liess. Es ging darum, eine christliche Republik zu schaffen, die alle Völker Europas umfassen sollte. Sie hätte den Erhalt der Nationalitäten und der religiösen Angelegenheiten sichergestellt und wäre für die Probleme zwischen ihnen verantwortlich gewesen.

Dieser Grand Dessein (grosse Plan) war für eine Neudefinition der Grenzen der Staaten bestimmt, um ihre Macht auszugleichen, für die Schaffung einer Europäischen Konföderation der 15, mit einem supranationalen Rat mit Entscheidungs-Zuständigkeit und einer Armee zum Schutz der Eidgenossenschaft gegen die Türken.
Jedoch wurde dieser Traum durch die Ermordung von Heinrich IV. unterbrochen und tauchte nur am Ende der durch Ludwig XIV. ausgelösten Kriege wieder auf. Der Abt von Saint-Pierre startete sein Projekt um ewigen Frieden zwischen den christlichen Herrschern zu machen.

Dieser Plan, der dem Kongress von Utrecht (1713) präsentiert wurde, bestand darin, alle an der Konferenz formulierten Entscheidungen als endgültige Basis anzunehmen, welche die Grenzen zwischen den Krieg führenden Ländern und die Einrichtung eines Europäischen Völkerbundes (Internationale Föderation) mit dem Ziel der Verhütung von Konflikten bestimmten.

Unabhängig von dieser Utopie war das wichtigste Ereignis natürlich zu dieser Zeit, die Verträge vom 1648 unterzeichneten Frieden von Westfalen. Sie kommen am Ende eines dreissigjährigen, unter religiösem Banner geführten Krieges, der zu einer Anhäufung von Hass und zur Vernichtung von 40 Prozent der Bevölkerung führte.

Die Verhandlungen dauerten vier Jahre (1644-1648). Letztendlich brachten sie eine Ebenbürtigkeit in den Verhandlungen zwischen den streitenden Parteien, ob sie nun katholisch oder evangelisch, Monarchisten oder Republikaner waren.

Die Verträge von Westfalen formulierten vier Grundprinzipien:

1. Die absolute Souveränität der Nationalstaaten und das Grundrecht zur Selbstbestimmungspolitik.

2. Rechtliche Gleichstellung zwischen Nationalstaaten. Der kleinste Staat ist daher den Grössten gleich, unabhängig von seiner Schwäche oder Stärke, seinem Reichtum oder Armut.

3. Einhaltung der Verträge und die Entstehung einer internationalen Rechtsbindung.

4. Nicht-Einmischen in die inneren Angelegenheiten anderer Staaten.

Sicher können diese allgemeinen Prinzipien keine absolute Souveränität bestimmen, aber es gab sie ja noch nie. Aber diese Prinzipien entrechteten jegliche Maßnahmen, die diese Souveränität zunichtemachen könnten.

Die politischen Philosophen haben alle diese Projekte unterstützt. Rousseau hat dringend aufgerufen, um einen einzigen, vertraglichen Staat aller europäischen Länder aufzubauen. Kant veröffentlichte Zum ewigen Frieden. Ein philosophischer Entwurf (erste Auflage 1795).
Der Frieden ist für ihn eine juristische Konstruktion, die erfordert, ein allgemeines, für alle Staaten geltendes Gesetz zu kodifizieren. Der englische utilitaristische Bentham hat die Geheimdiplomatie stigmatisiert, insofern sie das Gesetz umgeht. Er rief auch auf, eine internationale öffentliche Meinung zu erstellen, die Regierungen zwingen könnte, internationale Resolutionen und Schlichtungen einzuhalten.

Die Schaffung der internationalen Regelungs-Institutionen

Die Idee einer internationalen Ordnung hat weiterhin gediehen, und immer anhand der durch die Verträge von Westfalen angenommenen Souveränität. Sie gebar die von Zar Alexander I. 1815 vorgeschlagene Heilige Allianz, sowie das vom österreichischen Kanzler Metternich im 19. Jahrhundert vorgeschlagene Europäische Konzert, das “die Revolution” verhindern sollte, die politisches Chaos in rationaler Sprache bedeutete.

Es resultiert aus dieser Zeit, in welcher die Staaten Gipfeltreffen zur Problemlösung ohne Krieg begannen, indem sie Schiedsverfahren und Diplomatie den Vorzug gaben.

Aus dieser Perspektive wurde der Völkerbund am Ende des ersten Weltkrieges gegründet. Aber er war nur die Materialisierung der Kraftverhältnisse jener Zeit, im Dienste der Siegermächte dieses Krieges. Seine moralischen Werte waren daher relativ. So, trotz des Ziels, Streitigkeiten zwischen den Nationen durch Schlichtung statt durch Krieg zu regeln, erklärte er sich zuständig für die Beaufsichtigung der unterentwickelten oder der politisch-, wirtschaftlich- und verwaltungs- kolonisierten Völker, bis zu ihrer Selbstbestimmung.
Es ist das, was natürlich zu der Legitimierung der Mandate geführt hat. Mit dieser Position hat der Völkerbund die koloniale Realität verkörpert.

Die Künstlichkeit dieser Organisation wurde offenbar, als sie sich gegenüber schweren internationalen Ereignissen überfordert sah, wie die Invasion der Mandschurei durch Japan, der von Abessinien (Äthiopien) und der Annexion von Korfu (Griechenland) durch Italien, etc.

Trotz der Tatsache, dass die von Léon Victor Bourgeois entworfene Idee des Völkerbundes durch den Präsidenten der USA Woodrow Wilson gefördert wurde, war Washington ihm nie beigetreten. Von ihm beschuldigt, traten dann Japan und Deutschland aus. So ist die Institution wertlos geworden.

Nachfolger des Völkerbundes, die Vereinten Nationen (UNO), waren ein Spiegelbild der Charte de l’Atlantique, von den USA und dem Vereinigten Königreich Grossbritannien am 04. August 1941 unterzeichnet und der Moskauer Deklaration, durch die Alliierten am 30. Oktober 1943 angenommen, über die Erstellung von „einer allgemeinen Organisation, gegründet auf dem Prinzip der, aller friedliebenden Staaten gleichen Souveränität“.
Das Projekt wurde auf der Konferenz von Dumbarton Oaks in Washington DC vom 21. August bis 7. Oktober 1944 entwickelt.

Die Grundsätze der Charta des Atlantiks waren somit Gegenstand einer Zustimmung auf der Konferenz von Jalta (4-12 Februar 1945), bevor sie von der Konferenz von San Francisco eingeweiht wurden (25 und 26. Juni 1945).

Die globalistische Ideologie hat sich dann in den Vereinten Nationen verkörpert, die seit ihrer Gründung behauptete, ein System der kollektiven Sicherheit für alle, auch für Staaten, die nicht Mitglied waren, einzurichten.
In Wirklichkeit sind die Vereinten Nationen nicht mehr als der Völkerbund eine vertragliche Partnerschaft zwischen Gleichen, sondern eine Widerspiegelung der Kraftverhältnisse der Zeit, zugunsten der Gewinner der Zeit.

Das heisst, die ganze Welt beugte sich diesem Wunsch.

Diese Organisation, die global sein sollte, war in der Praxis nur der Ausdruck des Willens der Beherrschung durch die Siegermächte zu Lasten des Willens der Völker, der nicht berücksichtigt wurde.

Diese geopolitische Wirklichkeit wurde während der Erstellung, des aus fünf permanenten (Sieger-)Grossmächten gebildeten Sicherheitsrates bestätigt und aus anderen Mitgliedern bestehend, die nicht auf Dauer, sondern nach geographischen Kriterien gewählt werden, wodurch eine Unterrepräsentation von Afrika und Asien entstand.

Das Scheitern dieses Systems entstand während des Kalten Krieges. Der Konflikt zwischen den beiden Grossmächten hat sich den Kleinen auferlegt, die alle Folgen auf lokaler und regionaler Ebene aushielten.
Diese Strukturierung der Rollen zeigte sich in der Funktionsweise der Vereinten Nationen, ob es für Anträge auf Mitgliedschaft oder für die Behandlung von Konflikten sei, wie Palästina, Korea, der iranischen Öl-Verstaatlichung, der Suez-Kanal-Krise, der israelischen Besetzungen, des Libanon usw.

Die Vereinten Nationen entstanden durch die Verkündigung „Glauben an die Grundrechte des Menschen, an Würde und Wert der menschlichen Person, an die Gleichberechtigung von Männern und Frauen sowie der Nationen, Gross und Klein, um die notwendigen Voraussetzungen für die Wahrung der Gerechtigkeit und Achtung der Verpflichtungen aus Verträgen und anderen Quellen des Völkerrechts zu erstellen“.

Jedoch hat das Vetosystem die anderen Nationen des Rechts auf Ebenbürtigkeit beraubt.
Internationale Institutionen haben letztlich immer das Gewichtsverhältnis der Mächte illustriert, weit entfernt von der Idee der Gerechtigkeit im philosophischen oder moralischen Sinn.
Der Sicherheitsrat ist ein globaler Aufsichtsrat (in Fortsetzung von dem von Metternich installiertem). Er reserviert nur den Alliierten die Möglichkeit Resolutionen zu fassen, den Gewinnern des zweiten Weltkriegs, und nicht denjenigen, die Frieden suchen.

Nach der Auflösung der Sowjetunion war die Änderung des internationalen Systems von entscheidender Bedeutung.

Die Neugestaltung der internationalen Beziehungen durch die USA

Es ist zu dieser Zeit, in der die Anhänger von Leo Strauss in den USA mit Hilfe der neokonservativen Journalisten triumphiert haben. Nach ihnen gliedert sich die Gesellschaft in drei Kasten: die Weisen, die Kriegsherren und das Volk.

Der Weise besitzt allein die Wahrheit und offeriert nur einen Teil den Politikern (Herren), während die Menschen sich nach ihren Entscheidungen halten müssen. Sie haben nicht aufgehört ihre Ideen zu fördern, um die Aufhebung der Grundsätze der Verträge von Westfalen zu erlangen, nämlich die Achtung der Souveränität der Staaten und die Nichteinmischung in ihre inneren Angelegenheiten.

Um die westliche Hegemonie aufzudrängen, berufen sie sich auf ein “Recht auf humanitäre Intervention” und eine “Verantwortung zum Schutz”, das den Weisen zukommt und das von den Kriegsherren und den Völkern ausgeführt wird.
Nach Überarbeitung des Vokabulars des zweiten Weltkrieges, haben sie auch aufgerufen, den “Widerstand” durch Verhandlungen zu ersetzen.

Im Jahr 1999 wurden die Appelle der Neokonservativen in verschiedene westliche Länder, einschliesslich Grossbritannien und Frankreich weitergeleitet. Tony Blair präsentierte den Angriff auf Kosovo durch die NATO als den ersten humanitären Krieg der Geschichte.
In einer Rede in Chicago erklärte er, dass das Vereinigte Königreich nicht seine Interessen verteidige, sondern universelle Werte zu fördern suche. Seine Aussage wurde sowohl von Henry Kissinger als auch von Javier Solana (der Generalsekretär der NATO war und noch nicht der der EU) gefeiert.
Kurz darauf wurde Bernard Kouchner zum Administrator der Vereinten Nationen im Kosovo ernannt.

Es gibt keinen signifikanten Unterschied zwischen der Theorie der Strauss-Leute und der der Nazis. In Mein Kampf kritisiert Adolf Hitler bereits das Prinzip der durch den Westfälischen Frieden geschaffenen Souveränität der Staaten.

Wirtschaftlich hat diese Sicht der Dinge bereits mit dem IWF, der Weltbank und der WTO triumphiert. Seit ihren Anfängen haben diese Institutionen versucht, in die politischen Wirtschafts-, Haushalts- und Finanzfragen der Staaten, besonders der Armen und Schwachen, einzugreifen.
Manche arabische Staaten fielen ihrer Beratung hinsichtlich der wirtschaftlichen Liberalisierung, der Privatisierung des öffentlichen Sektors, dem Schleuderpreis-Verkauf von natürlichen Ressourcen zum Opfer.

Washington hat nach dem Verschwinden der Sowjetunion mit seiner Handlungsweise gezögert. Allmählich bestätigten sich die USA selbst als einzigartige Supermacht, als “Hypermacht” mit den Worten von Hubert Védrine.
Folglich dachten sie, dass das aus dem zweiten Weltkrieg geerbte System der Vereinten Nationen obsolet wurde. Sie begnügten sich nicht nur, die UNO zu übersehen, sondern erfüllten dann nicht einmal mehr ihren finanziellen Verpflichtungen, sie haben das Kyoto-Protokoll nicht ratifiziert, sie haben sich geweigert, dem internationalen Strafgerichtshof beizutreten und haben mehrmals die UNESCO gedemütigt.

Die Konzepte aus dem zweiten Weltkrieg wurden durch die Anschläge des 11. September 2001 hinweggefegt. Die nationale Strategie der Sicherheit der Vereinigten Staaten von Amerika, von Präsident George W. Bush, am 20. September 2002 veröffentlicht, verkündet ein neues Recht, „vorbeugende Militäraktion gegen Schurkenstaaten“.

Die US-Strategie wurde durch eine konzeptuelle Umwälzung begleitet.

• Das Konzept des Widerstands, der auf die französischen Résistance gegen die Nazi-Besetzung zurückgeht, wurde zugunsten einer Forderung der Lösung des Konflikts auf dem Verhandlungswege das Recht abgesprochen, unabhängig von den unbestreitbaren Rechten der Parteien. Ebenso wurde der Begriff des Terrorismus – nie im internationalen Recht definiert- verwendet, um jegliche in Konflikt mit einem Staat stehende bewaffnete Gruppe zu entrechten, unabhängig von den Ursachen dieses Konflikts.

• Indem es das Kriegsrecht auflöste, hat Washington nach dem Geschmack des Tages “gezielte Tötungen” wieder aufgenommen, die es seit dem Ende des Viet-Nam Krieges nicht mehr praktizierte und die Israel seit mehr als einem Jahrzehnt ausübt. Laut ihren Anwälten wären es nicht streng gesehen “Morde”, sondern ” Notwehrtötungen “, auch wenn keine Notwendigkeit bestehe sich selbst zu schützen, noch Gleichzeitigkeit der Bedrohung und der Reaktion vorläge, noch Angemessenheit der Reaktion bestehe.

• Humanitäre Einmischung oder Schutzverantwortung wurde über die Souveränität der Staaten gestellt.

• Schliesslich tauchte der Begriff der “Schurkenstaaten” auf.

Diese Staaten sind nach vier Kriterien definiert, die weithin auf Spekulation und Unterstellung aufgebaut sind:

• Ihre Herrscher unterdrücken ihre Menschen und plündern ihr Eigentum.

• Sie respektieren kein Völkerrecht und bilden eine ständige Bedrohung für ihre Nachbarn.

• Sie unterstützen Terrorismus.

• Sie hassen die USA und ihre demokratischen Grundsätze.

Es kam mit einem Jahrzehnt Verspätung, nach dem Verschwinden der Sowjetunion, dass die Vereinigten Staaten die Umgestaltung der internationalen Beziehungen ins Leben gerufen haben.

Für den Nahen Osten haben der neokonservative Philosoph Bernard Lewis und sein Schüler Fouad Ajami die Hauptziele gesetzt: dem arabischen Nationalismus ein Ende setzen, tyrannische Regime zerschlagen, die das sektiererische und religiöse Stamm-Mosaik zementiert haben.

Die Zerstörung und das Aufteilen der Staaten dieser Region führe zu einem “konstruktiven Chaos”, zu einer unkontrollierbaren Situation, in der jeder soziale Zusammenhalt verloren ginge und bei denen der Mensch zum Natur-Zustand zurückgeworfen werde.
Diese Gesellschaften gingen dann in eine vor-nationale, vielleicht auch prähistorische Phase zurück, woraus ethnisch homogene Zwergstaaten hervorgehen würden und gezwungenermaßen, von den USA abhängig sein würden.
Einer der führenden Strauss-Anhänger, Richard Perle, versicherte dass den Irak- und Libanon Kriegen andere in Syrien, Saudi-Arabien folgen würden und sie in Ägypten in Apotheose enden würden.

Drei Schritte

In jedem Fall hat der Bau dieser neuen Weltordnung mehrere Phasen durchlaufen.

LOWKEY – OBAMA NATION

1. 1991-2002 war ein Schritt der Unbestimmtheit. Washington zögerte, sich als einzige Supermacht zu behaupten und einseitig das Schicksal der Welt zu entscheiden. Auch wenn dieser Zeitraum sich auf mehr als ein Jahrzehnt erweitert hat, ist es nur ein kurzer Moment in der Geschichte.

2. In den Jahren 2003-2006 hat Washington versucht, um jeden Preis die “konstruktive Chaos-theorie” anzuwenden, um seine Hegemonie zu erweitern. Er führte zwei Kriege, mit seinen eigenen Truppen im Irak, den anderen mit Proxys im Libanon.
Die israelische Niederlage 2006 unterbrach vorübergehend dieses Projekt. Russland und China machten dann zweimal von ihrem Vetorecht im Sicherheitsrat Gebrauch (Myanmar und Simbabwe), um ihre zaghafte Rückkehr auf die internationale Bühne anzukündigen.

3. In der Zeit, die von 2006 bis heute reicht, ist das unipolare System einer nicht-polaren Welt gewichen. Die Macht ist verteilt. China, die EU, Indien, Russland und die USA sind allein mehr als die Hälfte der Einwohner der Welt, sie bedeuten 75 % des globalen BIP und 80 % der Militärausgaben.
Dieser Tatbestand rechtfertigt irgendwann einmal eine multipolare Welt, wegen des permanent bestehenden Wettbewerbs zwischen diesen Polen.

Das vage Umfeld einer nicht-polaren Welt

Vor allem müssen die Mächte Herausforderungen die Stirne bieten, die sowohl von oben (globale und regionale Organisationen) als auch von unten (Milizen, NGOs, multinationale Unternehmen) kommen.
Die Macht ist überall und nirgends, in mehreren Händen und an mehreren Stellen.

Neben den sechs grossen Weltmächten gibt es eine Menge regionaler Mächte. Man kann in Lateinamerika den Fall von Brasilien, mehr oder weniger Argentinien, Chile, Mexiko, und Venezuela erwähnen.
In Afrika, Nigeria, Südafrika und auch Ägypten. Im Nahen Osten, der Iran, Israel, Saudi-Arabien. Pakistan, in Südwestasien. Australien, Indonesien, Süd-Korea in Ost-Asien und im Westpazifik.

Viele zwischenstaatliche Organisationen stehen auf der Liste der Kräfte: der IWF, die Weltbank, die World Health Organization (WGO) und die UNO als solche. Regionale Organisationen wie die Afrikanische Union, die Arabische Liga, die ASEAN, EU, ALBA usw.
Ganz zu schweigen von Clubs wie die OPEC.

Man muss noch einige Staaten im inneren der Nationalstaaten hinzufügen wie Kalifornien oder Uttar Pradesh (der bevölkerungsreichste Staat Indiens) und noch Städte wie New York oder Shanghai.

Es gibt auch die multinationalen Unternehmen, besonders die für Energie und die Finanzen. Und die globalen Medien wie AlJazeera, BBC, CNN. Und Milizen wie Hisbollah, die Mehdi Army oder die Taliban-Milizen. Es gibt noch politische Parteien, Bewegungen und religiöse Institutionen, Terrororganisationen, Drogen Kartelle, NGOs und Stiftungen.

Die USA bleiben die grösste Konzentration an Macht. Ihre jährlichen Militärausgaben werden auf mehr als 500 Milliarden US-Dollar geschätzt. Diese Zahl kann 700 Milliarden erreichen, wenn wir die Kosten der laufenden Einsätze berücksichtigen, sowohl im Irak als auch in Afghanistan.
Mit ihrem jährlichen BIP, schätzungsweise 14.000 Milliarden Dollar, sind sie die erste Wirtschaft der Welt.

Jedoch darf die Realität der US-Macht nicht ihren Niedergang ausblenden, sowohl in absolutem Wert als auch im relativen Vergleich zu anderen Staaten. Wie bereits von Richard Haass, dem Präsidenten des Council on Foreign Relations (CFR) bemerkt wurde, erreichten die Fortschritte der Länder wie China, Russland, Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate 1.000 Milliarden Dollar pro Jahr.
Dies ist natürlich wegen des Kurses des Energiemarktes. Angesichts der Explosion der chinesischen und indischen Nachfrage wird dieser Betrag weiter wachsen.
Die Schwäche des Dollars gegenüber dem Pfund Sterling und dem Euro wird nicht nur seine Abwertung gegenüber den asiatischen Währungen mit sich ziehen, sondern auch eine mögliche Transformation des Ölmarktes, der mit einem Korb von verschiedenen Währungen, auch in Euro, beglichen werden wird.

Und wenn der Dollar nicht mehr die Währung des Ölhandels ist, wird die US-Wirtschaft für Inflation und Währungskrisen anfällig werden.

Zwei grundlegende Mechanismen haben die nicht-polare Welt unterstützt:

• Zahlreiche Finanzströme fanden ihren Weg ausserhalb der legalen Mittel und ohne Wissen der Regierungen. Dies zeigt, dass die Globalisierung tendenziell den Einfluss der Grossmächte untergräbt.

• Diese Ströme wurden viel von den Öl-Staaten benützt, um nicht-staatliche Akteure heimlich zu finanzieren.

Daher garantiert in einem nicht-polaren System, die Tatsache, der mächtigste Staat der Welt zu sein, nicht mehr das Monopol der Kraft. Alle Arten von Gruppen oder sogar Einzelpersonen können Einfluss anhäufen.

Laut Professor Hedley Bull sind internationale Beziehungen seit jeher eine Mischung von Ordnung und Chaos. Nach seiner Theorie wird das auf sich gestellte nichtpolare System selbst komplexer.
Und das ist, was passiert ist.

Im Jahr 2011 zeigte die Verschärfung der Spannungen um Libyen, dass das nicht-polare System nicht mehr haltbar ist. Zwei konkurrierende Leitlinien sind entstanden.

Die erste ist US-amerikanisch. Sie zielt darauf ab, eine neue, der Strategie von Washington entsprechenden Weltordnung aufzubauen.
Es geht um die Abschaffung der seit dem westfälischen Frieden geprägten Souveränität der Staaten und um den Ersatz durch die humanitäre Intervention, als rhetorische Legitimation und als Trojanisches Pferd der American Way of Life.

Die zweite Linie, unterstützt durch die Organisation der Zusammenarbeit von Shanghai (OCS) und die BRIC-Staaten, ist chinesisch. Sie besteht auf der Aufrechterhaltung der Prinzipien des Westfälischen Friedens, ohne jedoch eine Rückkehr zu erwägen.
Es handelt sich darum, eine neue Spielregel zu bestimmen. Etwas auf zwei Kerne Aufgebautes, um die sich eine bestimmte Anzahl von Polen drehen.

Die Kontrolle von Ressourcen, speziell der erneuerbaren Energien, ist natürlich die ideale Passage zur Schaffung eines neuen Systems, dessen Entstehung seit 1991 blockiert ist.

Es ist auch klar, dass die Kontrolle von Gas und seiner Verkehrswege das Zentrum des Konflikts von Syrien ist. Kein Zweifel, die Polarisierung der Kräfte zu diesem Thema übersteigt die internen Ursachen sicherlich und übertrifft die Frage des Zugangs zu den warmen Meeren, oder die Logistik-Interessen der Marinebasis Tartus.

Der Energie-Imperativ

Die Energieschlacht war die grosse Sache von Dick Cheney. Er führte sie von 2000 bis 2008 in klarer Auseinandersetzung mit China und Russland. Seither wurde diese Politik von Barack Obama fortgeführt.

Für Cheney wächst der Energiebedarf schneller als das Angebot, was schliesslich zu einer Situation von Knappheit führt. Die Aufrechterhaltung der US-Dominanz geht in erster Linie über die Kontrolle des restlichen Öl und Gas.
Darüber hinaus und ganz generell, da die aktuellen internationalen Beziehungen durch die Geopolitik des Öls strukturiert sind, ist es die Versorgung eines Staates, der seinen Aufstieg oder Fall bestimmt.

Daher sein Vierpunkte- Plan:
• Jede lokale Produktion von Vasallen fördern, unabhängig von den Kosten, zur Verringerung der Abhängigkeit der Vereinigten Staaten gegenüber jedem nicht-pro-US -Anbieter, um die Handlungsfreiheit von Washington zu erhöhen.

• Öl-Exporte aus den arabischen Golf-Staaten kontrollieren, nicht um sie in unseren Besitz zu bringen, sondern um sie als Druckmittel nicht nur auf Kunden sondern auch auf andere Lieferanten zu verwenden.

• Die Seewege in Asien kontrollieren, d.h. die Versorgung von China und Japan nicht nur mit Öl, sondern auch mit Rohstoffen.

• Die Diversifizierung der Energiequellen von Europa fördern, um die Abhängigkeit der Europäischen Union vom russischen Gas und um den politischen Einfluss, den Moskau daraus zieht, zu verringern.

Jedoch war für die USA das wichtigste Objektiv ihre Energieunabhängigkeit. Dies war das Fundament der von Dick Cheney entwickelten Politik nach ausführlichen Beratungen mit den Energie-Riesen im Mai 2001.
Diese geht über eine Diversifizierung der Quellen: lokales Öl, inländisches Gas und Kohle, Wasserkraft und nukleare Energie. Und durch eine Stärkung des Handels mit befreundeten Ländern der westlichen Hemisphäre, einschliesslich Brasilien, Kanada und Mexiko.

Das sekundäre Ziel ist die Kontrolle über den Öl Fluss im arabischen Golf. Dies war der Hauptgrund für Desert Storm (Wüstensturm) (1991), und dann die Invasion in Irak (2003).

Der Cheney-Plan konzentrierte sich auf die Kontrolle der Seewege: die Strasse von Hormus (durch welche 35 Prozent des Öl-Welthandels transportiert wird), oder die Strasse von Malakka. Bis heute bleiben diese Wasserwege entscheidend für das wirtschaftliche Überleben von China, Japan, Korea und sogar Taiwan. Diese Korridore ermöglichen die Weiterleitung von Energiequellen und Rohstoffen für die asiatische Industrie und den Export von Produkten zu den Weltmärkten.
Mit ihrer Kontrolle sichert sich Washington die Loyalität der wichtigsten asiatischen Verbündeten und die Beschränkung des Aufstiegs Chinas.

Die Anwendung dieser traditionellen geopolitischen Ziele hat die Vereinigten Staaten dazu geführt, die Marine Präsenz in der Asien-Pazifik-Region zu stärken und ein Netzwerk von militärischen Allianzen zwischen Japan, Indien und Australien zu schliessen.
Immer um China in Schranken zu halten.

Washington hat Russland immer für einen geopolitischen Konkurrenten gehalten. Es nahm jede Gelegenheit wahr, um seine Macht und Einfluss zu verringern. Es fürchtete vor allem die wachsende Abhängigkeit Westeuropas von dem russischen Erdgas, das seine Widerstandsfähigkeit gegen russische Bewegungen in Osteuropa und im Kaukasus beeinträchtigen könnte.

Um eine Alternative zu bieten, hat Washington durch den Bau neuer Pipelines durch Georgien und die Türkei die Europäer angetrieben, sich im Einzugsgebiet des Kaspischen Meeres zu versorgen. Es galt Russland zu umgehen, mit Hilfe von Aserbaidschan, Kasachstan und Turkmenistan, indem vermieden wurde, die Gazprom Gas-Pipelines zu verwenden.
Daher die Idee von Nabucco.

Um die Energie-Unabhängigkeit seines Landes zu stärken, verwandelte sich Barack Obama plötzlich in einen autarken Nationalisten. Er ermutigte die Ausbeutung von Öl und Gas in der westlichen Hemisphäre, unabhängig von den Gefahren der Bohrarbeiten in ökologisch sensiblen Bereichen wie der Küste Alaskas und im Golf von Mexiko, egal mit welchen Techniken, wie hydraulisches Aufbrechen bei Schiefergas.

In seiner Rede zur Lage der Nation 2012, sagte Präsident Obama stolz: „Wir haben in den vergangenen drei Jahren Millionen von Hektar Land für Öl und Gas-Suche freigegeben. Heute Abend bat ich die Verwaltung, mehr als 75 Prozent von Öl und Gas-offshore Ressourcen zu öffnen.
Nun ist im Moment die US-Öl-Produktion die höchste seit acht Jahren. Das ist wahr. Seit acht Jahren.
Und das ist nicht alles. Im vergangenen Jahr ist unsere Abhängigkeit von ausländischem Öl zurückgegangen, und hat das niedrigste Niveau seit sechzehn Jahren erreicht“. [1]

Er sprach mit besonderer Begeisterung über die Gewinnung von Erdgas durch Cracken von Schieferöl: „Wir haben Erdgas-Reserven, die Amerika für 100 Jahre decken.“ [2]

Im März 2011 hat Washington seiner Importe aus Brasilien erhöht, um sich vom Öl des Nahen Ostens zu entwöhnen.

In der Tat hat Washington nie aufgehört, die US-Kontrolle vitaler Schiffsrouten, die von der Strasse von Hormus bis zum Südchinesischen Meer reichen, abzusichern und ein Netzwerk von Basen und Allianzen zu bauen, die China – die aufstrebende Weltmacht – wie ein Bogen umschliessen, der von Japan über Süd-Korea, Australiens, Vietnam und den Philippinen im Südosten und dann bis Indien, im Südwesten geht.
Das ganze durch ein Abkommen mit Australien gekrönt, um eine militärische Einrichtung in Darwin, an der Nordküste des Landes, in der Nähe des Südchinesischen Meers, zu bauen.

Washington versucht Indien in eine Koalition von Ländern der Region einzubeziehen, die China feindlich gegenüberstehen, um Neu-Delhi den Händen der BRICS zu entreissen. Eine Strategie der Einkesselung Chinas, die sehr tiefe Besorgnis in Beijing verursacht.

Studien haben gezeigt, dass eine unerwartete Verteilung der globalen Gasreserven vorliegt. Russland kommt an erster Stelle mit den 643.000 Milliarden (643 Trillionen) Kubikfuss in Westsibirien.
An zweiter Stelle folgt Arabien, einschliesslich der Vorkommen von Ghawar, mit 426 Trillionen Kubikfuss. Dann, an dritter Stelle, das Mittelmeer mit 345 Trillionen Kubikfuss Gas, dem 5,90 Milliarden Barrel von Flüssiggas und sogar 1,70 Milliarden Barrel Öl hinzugefügt werden soll.

Am Mittelmeer befindet sich die wesentliche Lagerstätte in Syrien. Die in Qara entdeckten Vorkommen erreichen 400.000 Kubikmeter pro Tag, die damit das Land zum viertgrössten Produzent in der Region machen, nach Iran, Irak und dem Emirat Katar.

Der Gastransport aus dem Gürtel des Zagros (Iran) nach Europa muss über Irak und Syrien gehen. Er hat die US-amerikanischen Projekte völlig umgeworfen und die russischen Projekte (South Stream und Nord Stream) konsolidiert.
Das syrische Gas entkam Washington, es bleibt ihnen nunmehr, sich mit dem libanesischen Gas zu trösten.

Der Krieg geht weiter…

Imad Fawzi Shueibi, Philosoph und Geopolitik. Vorsitzender des Center for Strategic Studies and Documentation, Damaskus, Syrien.

RF/voltairenet.org – Übersetzung Horst Frohlich

  1. „Over the last three years, we’ve opened millions of new acres for oil and gas exploration, and tonight, I’m directing my administration to open more than 75 percent of our potential offshore oil and gas resources. (Applause.) Right now — right now — American oil production is the highest that it’s been in eight years. That’s right — eight years. Not only that — last year, we relied less on foreign oil than in any of the past 16 years“
  2. „We have a supply of natural gas that can last America nearly 100 years.“

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