Russland: KP reicht Klage wegen Wahlfälschung ein

Die "Kommunistische Partei der Russischen Föderation" zieht wegen massiven Wahlbetrugs bei der Parlamentswahl vor Gericht

- von RF  -

M ehrere Tausend Menschen haben im Zentrum von Moskau gegen Ministerpräsident Wladimir Putin demonstriert. Sie forderten ein Russland ohne Putin und warfen den Behörden Wahlbetrug vor. Die Parlamentswahlen seien nichts weiter als eine Farce gewesen. Es war die grösste Protestaktion der Opposition seit Jahren.

Der Blogger Alexei Navalny klagte: “Was hat Putin in den vergangenen Jahren schon gemacht? Er hatte einen riesigen Vertrauensvorschuss. Er kontrollierte die Duma und profitierte von den hohen Ölpreisen. Jetzt merken wir, dass nichts passiert ist, keine Reform der Polizei oder der Armee und keine Bekämpfung der Korruption.”

Für viele Aktivisten ist “Geeintes Russland” die Partei der Diebe und Betrüger. Dutzende Demonstranten wurden von der Polizei festgenommen. Der regierungskritische Blogger Alexei war unter ihnen, zuletzt meldete er, dass er sich in einem Bus der Polizei befinde.

Die “Kommunistische Partei der Russischen Föderation” zieht wegen massiven Wahlbetrugs bei der Parlamentswahl vor Gericht. Nach Veröffentlichung des amtlichen Ergebnisses durch die zentrale Wahlkommission werde die Klage beim Obersten Gerichtshof eingereicht, sagte der Erste Vizepräsident der Partei, Iwan Melnikow, am Montag der Nachrichtenagentur Ria Nowosti.

Die Partei werde ausserdem vor örtlichen Gerichten wegen Wahlverstößen in mindestens 1.600 Wahllokalen klagen.

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Wahlbeobachter der Nichtregierungsorganisation “Golos” dokumentierten mehr als 5.300 Beschwerden, die sich zumeist auf die Regierungspartei “Einiges Russland” bezogen. Am Sonnntag waren die Internetseiten des Rundfunksenders Echo Moskwi und Golos nicht erreichbar.

„Der Angriff auf die Seite am Wahltag steht offensichtlich in Zusammenhang mit Versuchen, die Veröffentlichung von Informationen über Verstöße zu behindern“, twitterte der Chefredakteur des Moskauer Echos, Alexej Wenediktow.

Unabhängige Experten aus Ländern der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS) sind der Ansicht, dass die Wahl im Grossen und Ganzen den gültigen Standards Rechnung getragen hat, Wahlverstöße lediglich technischen Charakter hat und sich deshalb nicht auf die Resultate der Abstimmung auswirken werden.

Ihre europäischen Kollegen wollen den endgültigen Bericht erst in sechs Wochen präsentieren, stellen bereits jetzt schon eine ganze Reihe von Verstößen fest, wenngleich die Abstimmung an und für sich ihrer Meinung nach gut organisiert wurde.

Nach Angaben der Zentralen Wahlkommission war die Regierungspartei “Geeintes Russland” nach der Auswertung von 95,71 Prozent der Wahlzettel mit 49,54 Prozent klar in Führung.

An zweiter Stelle lag die “Kommunistische Partei” mit 19,16 Prozent, gefolgt von “Gerechtes Russland” (13,22 Prozent), der “Liberaldemokratischen Partei” (11,66 Prozent), “Jabloko” (3,3 Prozent), “Patrioten Russlands” (0,97 Prozent) und “Gerechte Sache” (0,59 Prozent).

Europäische Wahlbeobachter wiesen auf solche Verstöße hin wie den Einwurf zusätzlicher Wahlzettel in die Urne oder Versuche, die Arbeit von Beobachtern zu behindern.
Die Chefin des Büros für demokratische Institutionen und Menschenrechte (BDIMR) der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE), Heidi Tagliavini, informierte am Montag auf einer Pressekonferenz über Vorbereitung und Verlauf der Wahlen aus Sicht des Büros.

„Wahlorgane waren nicht unabhängig. Dennoch hatten Bürger die Möglichkeit einer richtigen Wahl und konnten alles tun, damit ihre Stimme erhört wird“, sagte die schweizerische Diplomatin.

Ein Vertreter der OSZE sprach von einer gewissen Einmischung des Staates in den Wahlprozess. Mehreren Parteien sei die Registrierung verweigert worden. Nicht alle Kräfte seien gegenüber dem Gesetz gleich gewesen, sagte OSZE-Beobachter Petros Efthimiou.

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Darauf angesprochen, wie umfassend Wahlverstöße waren, sagte Tagliavini:

„Es hat Manipulationen gegeben, aber bei weitem nicht in dem Ausmaß, auf das sie anspielen. Wichtig war es, dass an der Wahl Millionen Russen teilgenommen haben“, fügte Tini Koks von der Parlamentarischen Versammlung des Europarates hinzu. „Mehrere in Russland und im Westen dachten, dass es keinen Sinn hat, bei der Duma-Wahl zur Urne zu gehen, weil alles bereits vorprogrammiert sei. Dass aber Menschen zu den Wahllokalen gingen, zeugt davon, dass Bürger Russlands an die Bedeutung ihrer Stimmen glauben“, so Koks.

Dagegen schätzte eine Gruppe unabhängiger internationaler Beobachter die Duma-Wahl hoch ein. Gewisse Verstöße hätten technischen Charakter und sich nicht auf die Resultate der Abstimmung ausgewirkt. Zur Gruppe gehörten 51 Experten aus 20 Ländern, darunter ein Mitglied des britischen Parlaments, Abgeordnete des Europaparlaments, Vertreter nationaler gesetzgebenden Organe sowie Menschenrechtler.

Die Gruppe besuchte 31 Regionen Russlands – von Primorje an der Pazifikküste bis hin zu zentralen Gebieten. Die Experten füllten spezielle Fragebogen aus und bewerteten den Prozess der Stimmenauszählung auf einer Skala von “unzufriedenstellend” bis “sehr gut”. “Zufriedenstellend” war die Arbeit in Wladiwostok, wo Wahllokale nach Ansicht der Beobachter nicht geräumig genug waren, wo mancherorts gleichzeitig zwei Bürger in einer Kabine wählten und wo einige Wähler ihre Zettel so in die Urne warfen, dass das “Häkchen” gegenüber dieser oder jener Partei deutlich zu sehen war.

In Krasnojarsk stellten Beobachter “gewisse Probleme” mit der Polizei fest, in einem Wahllokal in Omsk fand sich Reklame für eine politische Partei. Als “gut” wurde die Stimmenauszählung in der Region Krasnojarsk sowie in den Gebieten Omsk und Swerdlowsk und als “ausgezeichnet” in den Gebieten Irkutsk, Kaliningrad und Moskau bewertet.

Die Mission der GUS-Beobachter wies darauf hin, dass die Duma-Wahl transparent war und den Menschen eine uneingeschränkte Willensbekundung ermöglichte.

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Am Montagabend fand es in mehreren Städten Russlands Protestkundgebungen gegen die Resultate der Abstimmung statt. In Moskau demonstrierten Tausende, in St. Petersburg wurden rund 100 Teilnehmer festgenommen. Die Moskauer Polizei sprach von etwa 2.000 Demonstranten, während unabhängige Quellen die Zahl von mehr als 6.000 nannten.

Starke Polizeiaufgebote sicherten das Stadtzentrum. Medienberichten zufolge wurden am Wahltag bei Protesten gegen die Abstimmung in Moskau und St. Petersburg insgesamt rund 300 Menschen festgenommen.

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